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Geschichte und Geschichten rund um die Berliner S-Bahn

Die Boulettensusi


Was macht ein Triebfahrzeugfuhrer (Tf), wenn er Hunger hat?
Heute reiht er sich in seiner Wendezeit am Endbahnhof in die Schlange vor dem nachsten Imbißwagen ein. Fruher rief er eine der beiden Betreuungsstellen im S-Bahn Netz an - Ostbahnhof und Greifswalder Straße. Sie waren sozusagen die "Betriebskantinen" fur das fahrende Personal. Dort bestellt sich der Tf also sein uppiges Menu, meist bestehend aus Bockwurst, belegten Brotchen, gekochtem Ei Kaffee und Obst. Das wurde dann direkt in den Fuhrerstand gebracht und ging mit auf Fahrt nach Ahrensfelde oder Schonefeld. Es begann fur den Tf ein Balanceakt zwischen Beschleunigen, Bremsen, Essen und Kaffeetrinken.

Bild: beim Beladen in Hauptbahnhof

Die Bouletten-Susi wird im Berliner Hauptbahnhof beladen.

Die beiden Betreuungsstellen selbst wurden in der Regel von einem Viertelzug der Baureihe 276 beliefert, der S-Bahn-intern seiner Aufgabe entsprechend "Buletten-Susi" genannt wurde. Sie war besetzt mit einem Triebfahrezugfuhrer und einem zweiten Mann, der mit dem Handwagen dann auf dem Bahnsteig Bockwurste und Buletten, Schrippen und Äpfel in die Betreuungsstelle brachte. Wenn plotzlich Storungen den S-Bahn-Verkehr einschrankten, war die Buletten-Susi der erste Zug, der in die nachste Kehranlage fahren musste, um die Gleise nicht zusatzlich zu verstopfen. Die Wurste standen auf dem Abstellgleis, und die Auslieferung musste kurzzeitig verschoben werden.

Bild: Beladung der Susi

Obst, Brot, Milch etc. - alles was das Triebfahrzeugfuhrerherz begehrt.

Als Tf der "Buletten-Susi" brauchte man schon das ganz besondere Vorsichtig-Fahrgefuhl . Selbst bei kleinen Kurven konnte es vorkommen, dass die Apfelkiste auf der glatten Dienstabteilholzbank ins Rutschen kam, absturzte und bei der nachsten Haltemoglichkeit erst einmal der Dienstauftrag "Äpfelsammeln unter S-Bahn-Banken" erfullt werden musste. Der Versuch, das kleine Gebaude am Bahnsteiganfang Greifswalder Straße privat weiterzufuhren, scheiterte leider.

Fur die Bouletten-Susi fuhren hauptsachlich zweiViertelzuge:

  • ein Steuerviertel der Bauart Stadtbahn (275 693/4 ex ET/ES 165 231) sowie
  • ein Steuerviertel der Bauart Peenemunde (276 075/6).

Ersteres Fahrzeuge ist heute beim Verein Historische S-Bahn e.V. beheimatet. Das letztere Fahrzeug stand bis zum 14. Marz 2006 nahe dem Bahnhof Seegefeld abgestellt.

Bild: Bouletten-Susi in Erkner

Zwei Damen beim Fototermin in Erkner.

Nachfolgend lesen Sie eine Erinnerung eines Triebfahrzeugfuhrer uber das Personal der Betreuungstellen. Dieser Text ist eine kleine Reminiszenz an eine heute nicht mehr alltagliche Fursorge eines Betriebes. Der Autor ist dem Team von stadtschnellbahn-berlin.de bekannt.

Wer stillt den Hunger der Triebfahrzeugfuhrer?

Nach dem obligatorischen Melden zum Dienst, war die nachste Handlung das Bestellen des Essens. Stullen mitnehmen musste sich damals niemand. Mit 60 Pfennigen fur das Menu waren wir bestens bedient.

In Ostbahnhof war weit hinter dem Bahnsteig D in ostlicher Richtung ein kleines Kabuff, in dem die Frauen unsere "Menus" zauberten und nach vorne trugen. Spater erhielten sie ihre "Kuche" in einem Gebaude auf dem Bahnsteig E, gelegen zwischen dem Aufsichtsgebaude und dem Treppenabgang Richtung Osten.

Es war eine Qualerei fur die Frauen, alle paar Minuten mit einem vollen Tablett von einem Bahnsteig, Treppe runter, durch den Tunnel, Treppe rauf zum anderen Bahnsteig, die Zuge zu bedienen. Wobei jedes Mal auch das gebrauchte Geschirr zuruckgebracht werden musste. Dazu waren am Gleis 8 und 9 zwei Kasten aufgestellt, in denen jeder Triebfahrzeugfuhrer sein gebrauchtes Geschirr abstellen sollte.

Bild: Bouletten-Susi in Kehre Ernst-Thälmann-Park

Warten auf die Ruckfahrt:
Bouletten-Susi in der Kehranlage Ernst-Thalmann-Park (heute Greifswalder Straße).

Wie anstrengend die Arbeit unserer Frauen in den Betreuungsstellen war, durfte ich personlich kennen lernen.
1976 uberfuhr ich das Halt zeigende Signal "F" des Bahnhofes Grunau und wurde in Folge dessen aus dem Fahrdienst genommen. Damals gab es noch nicht diese feinsinnigen Abstufungen wie "rubergerutscht" oder "wenigstens hinterher richtig verhalten" . Wer ruber war, war raus.

Ich durfte meine "Bewahrungszeit" bei den Technischen Anlagen im S-Bw Friedrichsfelde absolvieren. In diese Zeit fiel der 8. Marz, der Frauentag. Weil unsere Damen an ihrem Ehrentag auch gerne einmal etwas anderes tun, als hungrige Tf- Mauler zu stopfen, fragten sie mich, ob ich nicht die Nachtschicht zum 9. Marz in der Betreuungsstelle ubernehmen wurde.

"Mach ich alles, kein Problem." Was kann an Stullenschmieren denn so schwer sein ... dachte ich.
Bis die ersten Bestellungen kamen:

  • nur ein halbes gekochtes Ei
  • nur einen Loffel Zucker
  • nur einen Loffel Kaffee
  • alles, außer Teewurst
  • den Tee geruhrt, nicht geschuttelt, und und und

Und immer treppauf, treppab... die ganze Nacht.
Zwischendurch abwaschen, aufraumen, Wurst und Brot schneiden, termingerecht Schnitzel und Buletten braten oder Wurste warm machen ... Also eine Kleinigkeit. Danach die Abrechnung und Übergabe. Am nachsten Morgen war ich fix und foxi. Aber das Trinkgeld hat gestimmt.
Ich werde nie wieder abwertende Bemerkungen uber unser Kuchenpersonal machen. War ich doch selber einmal eine Kaltmamsel...


Autor der Kurzbeschreibung:
Peter-Michael Krause

Bearbeitung:
Mike Straschewski

Quelle der Kurzbeschreibung:
Festbroschure "75 Jahre Hauptwerkstatt Schoneweide"; S-Bahn Berlin GmbH; 2002

letzte Anderung:
26. Oktober 2008

Veroffentlichung:
26. Oktober 2008

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