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Ian McEwan: ≪Fast jedes Problem geht auf Intelligenz zuruck≫ - Kultur - SRF
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Ian McEwan ? Was ist ein gelungenes Leben?
Aus Sternstunde Philosophie vom 19.05.2024.
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Ian McEwan im Gesprach ≪Fast jedes unserer Probleme geht auf unsere Intelligenz zuruck≫

Was macht das Leben lebenswert? Der britische Erfolgsautor Ian McEwan muss es wissen: Er leuchtet in seinen Romanen die Abgrunde menschlichen Lebens und Liebens schonungslos aus.

Ian McEwan

Ian McEwan

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Ian McEwan (geb. 1948) ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller und kritischsten Denker unserer Zeit. Seine 17 Romane erhielten zahlreiche Preise, unter anderem den Booker-Preis. Viele wurden mit Starbesetzung verfilmt. Sein Erfolgsroman ≪Atonement≫ ist gerade am Opernhaus Zurich als Ballett inszeniert zu sehen.

SRF: Verraten Sie uns etwas uber den Stoff Ihres neusten Buchs?

Ian McEwan: Es ist Science-Fiction, aber ohne die Wissenschaft. Ein Teil spielt im 25. Jahrhundert, aus dem jemand zuruckblickt und versucht zu verstehen, wie es war, heute zu leben. Es ist ein Blick voller Entsetzen uber alles, das wir versaumt haben. Aber auch voller Nostalgie fur die intellektuelle Energie dieser Zeit. Wir leben in den schlimmsten, aber auch in den interessanteste aller Zeiten.

Warum?

Da sind diese wahnsinnigen Kriege, das Aufkommen des Nationalismus. Wir werden durch die Entwicklung der kunstlichen Intelligenz herausgefordert. Wir schaffen vielleicht Entitaten, die intelligenter sind als wir. Das ist aufregend und erschreckend.

Porträt eines älteren Mannes mit Brille vor unscharfem grünen Hintergrund
Legende: Autor mit grosser Reichweite: Ian McEwans Roman ≪Abbitte≫ wird derzeit als Ballett am Opernhaus Zurich aufgefuhrt. Getty Images / David Levenson

Sie lieben die Technologie, die teilweise zum Fluch fur uns wird. Ist das nicht schmerzhaft?

Wir haben mit unserer Schlauheit eine Art faustischen Pakt geschlossen. Nahezu jedes Problem, das wir haben, geht auf unsere eigene Intelligenz zuruck.

Die Lektionen des Lebens lassen sich nicht auf ein paar Satze reduzieren.

Als wir entdeckten, dass wir Kohle verbrennen und so eine Dampfmaschine antreiben konnen, begaben wir uns auf eine neue Reise. Wer anfangt, Muskeln zu ersetzten, wird als nachstes das Gehirn ersetzen.

Am Ende Ihres letzten Romans ≪Lektionen≫ sagt der Protagonist Roland Baines, das Leben hatte ihn gar nichts gelehrt. Ist das Ihr Bild des Lebens?

Die Lektionen des Lebens lassen sich nicht auf ein paar Satze reduzieren. Sie stecken in der gefuhlten Erfahrung. Eines der schrecklichsten Worter im Englischen ist ≪Closure≫, der Moment, wenn alles uberwunden ist. Das gibt es nur in Filmen oder Romanen. Im wirklichen Leben haufen sich die Narben und die Last der Dinge. Uns bleibt nichts weiter ubrig, als sie zu ertragen.

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≪Atonement≫ ? Ballett nach dem Roman von Ian McEwan
Aus Tagesschau vom 26.04.2024.
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Zum Beispiel Schuldgefuhle, wie in Ihrem bekanntesten Werk ≪Abbitte≫. Die Protagonistin Briony zerstort darin das Leben ihrer Schwester.

Das tut sie. Aber sie rehabilitiert sich, indem sie ein gepruftes Leben fuhrt: Sie verbringt ihr Leben damit, uber ihre Tat nachzudenken. Dann versucht sie, mithilfe von Fiktion alles wieder in Ordnung zu bringen.

Gluck findet sich auch im Schneiden einer Zwiebel furs Abendessen.

Man kann Schuld nie ausloschen. Aber wir haben ein Bewusstsein, mit dem wir unser Leben prufen konnen. Das mag schmerzhaft sein, aber es macht das Leben bedeutsam.

Was ist die Quintessenz eines Lebens?

Sinn ergibt sich aus unserem Tun, egal ob wir Tennisspieler sind oder Kochin. Es gibt bestimmte Momente, denen wir nicht genugend Aufmerksamkeit schenken, dabei gehoren sie zu den Hauptquellen des Glucks: Wenn man in etwas so vertieft ist, dass man aufhort, zu existieren. Ahnlich dem Verliebtsein oder Sex.

Momente der Leidenschaft?

Nicht nur. Sie finden sich auch im Schneiden einer Zwiebel furs Abendessen ? in den fluchtigsten Dingen.

Das Leben ist fluchtig. Ist es nicht furchtbar traurig, es ziehen zu lassen, weil es auch von unfassbarer Schonheit ist?

Es ist wunderschon. Gleichzeitig, wenn man mich fragt, warum all diese Abgrunde in meinen Romanen vorkommen, sage ich: Weil es diese dunklen Seiten gibt. Wir sind Meister des Abspaltens: Wir konnen bei kostlichem Essen sitzen im Wissen, dass in der Ukraine Krieg herrscht, dass das Klima unsere volle Aufmerksamkeit braucht ? und wir geben sie nicht. Vielleicht bewahrt uns die Fahigkeit, uns abzugrenzen, auch davor, vollig verruckt zu werden.

Das Gesprach ist eine verkurzte Fassung der Sternstunde Philosophie und wurde von Barbara Bleisch gefuhrt.

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SRF 1, Sternstunde Philosophie, 12.05.2024, 11:00 Uhr.

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