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Herren und Heuchler - DER SPIEGEL
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Artikel 41 / 123

MANAGER Herren und Heuchler

In der Daimler-Zentrale sorgt die Abrechnung Edzard Reuters weiter fur Wirbel - jetzt wehren sich der Vorstand und dessen einstiger Fuhrer Joachim Zahn.
aus DER SPIEGEL 6/1998

Das pralle Leben ist im Daimler-Benz-Werk Unterturkheim an einem uberraschenden Ort zu finden. In einem Seitentrakt des Verwaltungsbaus, unweit des Firmenmuseums, in dem die ersten Fahrzeuge von Gottlieb Daimler ausgestellt sind, residiert ein Oldtimer besonderer Art: Joachim Zahn, der von 1965 bis 1979 den Konzern steuerte.

Der 84jahrige, der jetzt noch ≫zwei bis funf Tage die Woche≪ als Berater fur Konzernchef Jurgen Schrempp arbeitet, verspruht mehr Leben als mancher 50jahrige. Schade nur, daß vieles von dem, was Zahn uber manche Manager sagt, nicht druckbar ist. Es ware als Beleidigung glatt justitiabel.

Lange hat Zahn deshalb uberlegt, wie er den Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter offentlich bezeichnen soll. Der hatte in seiner auszugsweise veroffentlichten Biographie (SPIEGEL 5/1998) mit dem Konzern abgerechnet und war dabei kraftig uber Zahn hergefallen: ≫Der schwachste Ausdruck, der mir einfallt≪, schimpft Zahn, ≫das ist Einfaltspinsel.≪

Einem Stuttgarter Taxifahrer, der Zahn auf den Spruch ansprach, hat er erklart: ≫,Einfalt' meint, der versteht vom Geschaft nix, und ,Pinsel' bedeutet, der schwatzt trotzdem scheinbar gescheit daher.≪

Der Taxifahrer hat herzlich gelacht, und auch andere sind amusiert: Deutschlands großter Industriekonzern unterhalt das Publikum mal wieder, als sei der erste Geschaftszweck nicht die Produktion von Autos und Flugzeugen, sondern die Auffuhrung von Theaterstucken, mal lustigen, mal eher dramatischen Inhalts.

Erst hatte der entlassene Finanzvorstand Gerhard Liener in einem haßerfullten Pamphlet mit seinem Chef Reuter abgerechnet. Und jetzt sorgt Reuters Ruckschau fur viel Wirbel.

Anfangs wollte sein Nachfolger Schrempp gar nicht reagieren. Doch am Dienstag vergangener Woche war das Buch Thema auf der Vorstandssitzung.

≫Wir lehnen ein solches Vorgehen von jemandem, der eine herausragende Stellung in unserem Unternehmen innehatte, entschieden ab≪, verbreiteten die Vorstande anschließend per E-Mail an alle Manager des Konzerns. Reuters Buch verletze die Vertraulichkeit. Zudem halten sie ≫wesentliche Inhalte und Wertungen fur falsch≪.

Zahn, der so lange amtierte wie kein anderer Daimler-Vorsitzender, emport vor allem, daß Reuter ihn wie einen Drogenabhangigen beschreibt, der standig wechselte zwischen ≫aufputschenden und beruhigenden Medikamenten, die er seiner Schreibtischschublade oder seinem silbernen Doschen zu entnehmen pflegte≪.

Das Doschen, so groß wie eine Streichholzschachtel, hat Zahn noch immer. Es enthalt grune und braune Pillen, die Zahn seit Jahrzehnten taglich nimmt. Doch nicht, weil er mit dem Leben nicht zurechtkame, sondern weil er durch eine Kriegsverletzung die Darmschleimhaut verlor und seitdem oft unter Schmerzen leidet. Gegen die helfen nur starke Mittel, und um deren Nebenwirkungen zu bekampfen, braucht Zahn wieder andere Tabletten.

Es trifft den alten Herrn erkennbar, daß Reuter ihm dies nun vorhalt. Die mitunter leise Stimme wird plotzlich laut und donnernd. Seine Sekretarin, diesen Ton offenbar gewohnt, zuckt kein bißchen zusammen.

Eigentlich hatte Zahn den jungen Reuter einst nur eingestellt, um anderen einen Gefallen zu erweisen. Die Frau des Stuttgarter Oberburgermeisters Arnulf Klett hatte Zahn angerufen: ≫Der große Ernst Reuter ist gestorben, und dessen Frau ist bei mir und hat große Not und Sorge, ihr Sohn steht arbeitslos auf der Straße.≪ Dies konne man dem Sproßling des legendaren Berliner Burgermeisters nicht antun. So stellte Zahn Reuter ein, was er heute ≫tief bedauert≪.

Wohl auch, weil Reuter Mannern auf den ≫obersten Chefetagen≪ bescheinigt, daß ≫Schein-Freundlichkeit, Schein-Mitgefuhl, Schein-Heiligkeit≪ weit verbreitet seien. ≫Herren finden sich selten≪, so Reuter, ≫Heuchler hingegen zuhauf.≪

Beim Thema Heuchler zeigt Zahn gern jenen Aufsatz, den Reuter zu seinem 75. Geburtstag veroffentlichte. Da begluckwunscht Reuter, der Zahn jetzt als furchterlichen Despoten beschreibt, seinen einstigen Chef noch uberschwenglich fur dessen ≫grandiosen Erfolg≪.

Inzwischen wirft Reuter dem Ex-Chef vor, der habe ≫nach Art des Eichhornchens≪ Reserven fur alle denkbaren Risiken gebildet, ≫anstatt rechtzeitig unternehmerisch zu handeln≪.

Zahn hat dem Konzern Milliardenpolster verschafft. Darauf ist er heute noch stolz. Flink springt Zahn aus der Sitzgruppe empor, die er noch von seinem Vor-Vorganger ubernommen hat, und zieht die Bilanz von 1979 aus dem Regal. Da und da und da - er weiß noch genau, wo er das Geld versteckt hat.

Wenn Zahn uber andere Manager spricht, die seiner Meinung nach nichts taugen, druckt er sich kraftig aus. Doofkopf und Satansbraten sind noch Begriffe der mittleren Preisklasse. Wenn der ehemalige Daimler-Chef uber Reuter redet, bremst er sich mit Gewalt. Kein anderes Wort soll ihm uber die Lippen kommen als jenes, das er einmal verwendet hat.

≫Dieses Rindv . . .≪ setzt der ehemalige Daimler-Chef Zahn an, unterbricht sich dann aber schnell selbst und fragt seine Sekretarin: ≫Wie hab' ich den noch mal genannt? Genau: dieser Einfaltspinsel.≪