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Die gluckliche Insel

Johann Elias Schlegel
Die gluckliche Insel
Johann Elias Schlegel

Johann Elias Schlegel

Die gluckliche Insel

Es sind seit einigen Jahrhunderten viel unbekannte Lander entdeckt worden und wieder verschwunden, sobald man keine Schatze oder keine Waren darinnen gefunden, die man den Europaern mit Vorteil hatte zufuhren konnen. Es ist also kein Wunder, wenn man von den Inseln nicht einmal gehort hat, von denen ich aus einem durch die Zeit und durch die Unachtsamkeit der Besitzer hin und wieder beschadigten Tagebuche eines langst verstorbenen Ostindienfahrers einige Nachricht mitteilen will.

≪Ich glaubte anfangs an eine bloße Klippe geworfen zu sein≫, sagt dieses mangelhafte Uberbleibsel eines Tagebuchs. ≪Denn ich sah nichts als Felsen, hinter denen andre noch hohere Felsen hervorragten. Als ich mich unterdessen ein wenig erholet hatte, ward ich hin und wieder Steinbruche gewahr und sah sehr große Stucke ausgehauener Steine liegen, welche fur Gebaude zubereitet waren. Ich ging also am Ufer hin, um zu sehen, ob ich noch mehrere Spuren von Menschen gewahr wurde, und entdeckte bald darauf einen Kanal zwischen zween Felsen, worauf viele Schiffer mit ihren Booten lagen. Weil ich nicht glaubte, daß jemand von ihnen mich anders als durch Zeichen verstehen wurde, so nahm ich einige kleine Stucken Silbergeld aus der Tasche und winkte, daß man zu mir kommen mochte. Sogleich eilten drei bis vier Boote um die Wette, einander vorzukommen, und weil ich alles Reden fur vergeblich hielt, stieg ich in das erste, das mir nahte, hinein und zeigte nur meine nassen Kleider, um zu weisen, daß ich an einen Ort gebracht sein wollte, wo ich mich abtrocknen konnte. Die Kanale, durch die man mich fuhrte, waren an den meisten Orten in Felsen gehauen, an vielen auch mit Steinen gefuttert. Zu beiden Seiten lag ein sehr wohlgebautes Land, dessen Ende man gleichwohl von allen Seiten ubersehen konnte, und was mich in Verwunderung setzte, ich sah, daß dieses Land, ohne Hulfe des Zugviehes, durch Menschen gepflugt ward. Dieses setzte mich in solches Erstaunen, daß ich in meiner Muttersprache eine Ausrufung daruber horen ließ, welche mein Fuhrer zu meiner noch großern Besturzung verstand, indem er mir auf hollandisch antwortete: ‹Alles das Land, das Ihr vor Euch seht, ist eigentlich nichts als eine bloße Klippe, welche bei allem Fleiße, den man anwendet, nicht einmal soviel Reis hervorbringet, daß die Halfte der Einwohner davon genug zu essen hat, geschweige, daß sie vieles Vieh zu ernahren imstande sein sollten. Wir haben aus den gegrabenen Kanalen das Erdreich mit vieler Muhe von den Steinen abgesondert, um den felsichten Boden, der unter diesen Ackern verborgen liegt, damit zu bedecken und nur einigermaßen fruchtbar zu machen. Die magern Hohen, die wir hin und wieder gelassen, weiden kaum eine kleine Anzahl Schafe, und man hat nur wenigeWiesen mit unsaglicher Arbeit hier angelegt, um einiges Vieh darauf zu weiden, welches nicht zureicht, den zwanzigsten Teil der Einwohner dieses Landes zu ernahren.› Ich wußte nicht, woruber ich mich zuerst verwundern sollte; und indem ich die Augen uberall herum warf, sah ich, daß diese Pfluge von einer ganz andern Zusammensetzung waren als die gewohnlichen und mit ganz leichter Muhe gezogen wurden. Ich fragte meinen Fuhrer, wie diese Insel hieße, und er berichtete mich, daß man sie mit einem Namen benennet hatte, welcher soviel hieße als die Ameisen-Insel . ‹Denn alles›, sagte er, ‹ist hier lauter Fleiß, und dieser Fleiß ernahret nicht allein die Einwohner, sondern er machet sie auch reich.› Ich kam nunmehr dem mittelsten und hochsten Felsen nah, auf dessen einer Seite ich in der Hohe eine große und wohlgebaute Stadt entdeckte. Das Boot hielt endlich an sehr breiten Stufen still, welche bis zu der Stadt hinangingen und von Volke wimmelten. Zu beiden Seiten derselben sah ich eine ziemliche Anzahl in Maschinen an Seilen heran- und hinuntergehender Wagen, welche in ein solches Gleichgewichte gesetzet waren, daß ein jeder Wagen, der herunterlief, einen andern mit ziemlicher Geschwindigkeit hinaufzog. Und um zu machen, daß die Last dererjenigen Dinge, die herunterkamen, diejenigen Lasten uberwog, die hinaufgezogen wurden, war verordnet, daß jedermann, der in die Stadt wollte und imstande zu gehen war, zu Fuße hinaufgehen oder sich hinauftragen lassen; jeglicher aber, der wiederum aus der Stadt wollte, in einem von diesen Wagen heruntergelassen werden mußte. Fur alles, was auf diese Art hinaufgezogen ward, bezahlte man nach dem Gewichte eine gewisse Fracht, welches, wie ich hernach erfuhr, der einzige Zoll ist, den man daselbst foderte, und welcher von allen desto williger bezahlt ward, da sie es unter dem Namen eines Frachtgeldes erlegten. Indem ich diese Stufen hinaufstieg, ward ich hinterwarts in einem Hafen, welcher bis an den Fuß dieses hohen Felsens ging, eine Menge von Schiffen gewahr, welche mich in Verwunderung setzte, da ich in dieser kleinen Gegend doch nirgends einiges Holz sah, das zum Schiffbau hatte dienen konnen. Der Eifer und die Emsigkeit dererjenigen, die beschaftigst waren, hier aus einem Schiffe neuangekommene Waren ans Land zu bringen und dort ein andres mit unzahlichen Ballen und Kisten zu beladen, gab den allerschonsten Anblick, bei welchem ich mich nicht enthalten konnte, eine Zeitlang stillezustehen. Eine ganze Gegend von Felsen zu sehen, die mit Kanalen durchschnitten waren und deren Rucken uberall zur Saat beackert ward, einen Haufen Schiffe zwischen unfruchtbaren Klippen mit einer Menge von Waren befrachtet zu sehen, von denen ich nicht begreifen konnte, wo sie herkamen, dieses erweckte in mir eine nicht geringe Verwunderung. Mit diesen Gedanken kam ich in der Stadt an, wo ich die Kennzeichen des Fleißes noch haufiger bemerkte, die ich schon uberall wahrgenommen hatte. Die ganze Stadt wimmelte von Menschen, welche mit der großten Eilfertigkeit Kisten auf kleinen Wagen fuhren, große Fasser vor sich hin walzten oder allerlei Waren ausruften. An allen Seiten sah man offene Laden, welche mit den schonsten Sachen angefullet waren. Ungeachtet der großen Menge Volks war uberall die großte Reinlichkeit. Die Gebaude waren schon, die Menschen, die einem auf der Gasse begegneten und keine Handarbeit taten, prachtig gekleidet; verguldete Sanften, welche von wohlausgeputzten Menschen getragen wurden, begegneten einem uberall; und unterdessen, daß man in einer Straße die Hammer der Arbeitsleute erschallen horte. erklangen in andern Straßen wohlerbaute Palaste von der schonsten Musik. Ich hatte meinen Fuhrer vom Boote durch ein nicht geringes Trinkgeld uberredet, mit mir zu gehen, indem er beteuerte, daß es ihm schwerfiele, sein Boot zu verlassen, welches ihm sehr vieles eintruge. Er fuhrte mich in ein Wirtshaus, wo ich kaum angekommen war, als man mich mit vielem Eifer fragte, was ich verlangte, und mir alles anbot, was darinnen zu finden war. Ich verlangte Feuer, meine Kleider zu trocknen, und augenblicklich war es da. Alles im Hause, auch sogar die Feuerstatten, waren so eingerichtet, daß es schien, man hatte viele Jahre darauf gesonnen, nicht den geringsten Vorteil zu verlieren, den eine Sache nur zu geben fahig ware. Hier bekam ich Zeit, mit meinem Fuhrer weiter zu sprechen, und fragte ihn, woher aller dieser Uberfluß an einem so unfruchtbaren Orte kame. Und er antwortete mir: ‹Vom Fleiße. Wir arbeiten hier›, sagte er, ‹fur eine ganze Menge benachbarter Inseln; wir holen von einer jeden dasjenige, was sie hervorbringst, und nachdem wir es hier auf alle Arten, wie es nur moglich ist, brauchbar gemacht, fuhrcn wir es ihnen wieder zu. Es sind mehr als hundert Arten von Kunstlern hier, deren großter Teil nichts als Kleinigkeiten und Spielwerke verfertiget; und diese Spielwerke sind gleichwohl unser Reichtum bei fremden Volkern. Der eine farbet die schonsten und weichsten Federn der Vogel mit hellen und schonen Farben, der andre flicht aus denselben einen schonen Kopfputz, der dritte macht eine Tapete mit kunstlichen Figuren daraus. Der eine schleift glanzende Steine, die man an den Ufern einer der andern Inseln ohne Entgelt auflesen kann und die auf derselben Insel, wenn sie zubereitet sind, ihr um einen hohen Preis wieder verkauft werden. Es ist nicht leichtlich ein Mensch hier, welcher nicht ein Mittel finden sollte, sein Brot zu erwerben. Unter allen Volkern, die ich gesehen habe, ist keines, deren Magen sinnreicher ware, etwas auszudenken, wodurch er zu essen bekomme, als dieses. Man erwischt hier alle Gelegenheiten, etwas zu tun zu bekommen, un d man erfindet taglich etwas Neues, das hierzu dienen konne.› Ich fragte ihn, wie es kame, daß es gleichwohl schiene, daß dieses Volk soviel auf Pracht und Lustbarkeiten hielte, welches sich doch zu ihrem außerordentlichen Fleiße nicht allzuwohl schickte, indem notwendig mehr gearbeitet werden wurde, wenn diese Leute, anstatt sich lustig zu machen, ebenfalls nicht mußig gingen. ‹Wie dieses kommt›, antwortete er, ‹weiß ich eigentlich nicht. Ich weiß aber, daß die meisten Leute mit ihrer Arbeit nicht fortkommen wurden, wenn es nicht andre gabe, die ihnen alles, was sie Neues erdenken, zuerst abkauften und sie durch ihren Beifall ermunterten, daß sie sich von dem Fortgange ihrer Arbeit etwas versprechen konnen.› Ich fragte ihn nach der Einrichtung des Landes. Mein Fuhrer aber, der zwar nicht unverstandig redete, aber von Waren mehr als von Staatssachen wissen mochte, wußte mir hierauf nichts zu antworten, als daß er sagte: ‹Wir verdienen ein jeder sein Brot, auf welche Art er will und kann. Das ist unsre Einrichtung. Und dieses macht uns fleißig, weil wir nichts haben, wenn wir nichts erwerben wollen. Das wunderbarste ist bei allem diesem›, setzte er noch hinzu, ‹daß dieses Land ebenso unfruchtbar an Menschen ist als an andern Dingen. Es sterben jahrlich hier noch einmal soviel Menschen als geboren werden. Gleichwohl wird diese Insel immer mehr und mehr bevolkert. Jedermann, der durch Fleiß etwas vor sich bringen will, begibt sich hieher, weil er hier zu tun findet, und so kommt jederzeit der Kern von den Burgern aller andere Nationen zu uns heruber. Eine benachbarte Insel zinset uns jahrlich etliche tausend Leute, die die Schiffe zu fuhren wissen; indem diese Leute haufig sich auf unsre Schiffe verdingen, weil ihnen in ihrem eignen Lande, wo man Schiffe genug haben konnte, niemand etwas zu tun gibt. Ich bin auf diese Art hiehergekommen›, fuhr er fort, ‹indem ich von Ort zu Ort gegangen und etwas zu tun gesucht, da ich eigentlich aus einer Nation bin, mit der die Europaer handeln.› Dieses erklarte mir das Ratsel, wie es kame, daß dieser Mann hollandisch sprache.

Nach einigen Fragen erfuhr ich endlich, daß diese Insel eine Kolonie einer andern sehr fruchtbaren Insel ware, die in der Nahe lage und zum Spotte von dieser ihrer Tochter die Gahn-Insel genannt wurde. ‹Diese Insel›, berichtete man mich, ‹hat einen Uberfluß an allen Sachen, die man jemals zur Nahrung brauchet, und man kann sagen, daß die Natur daselbst fur die Menschen arbeitet. Gleichwohl ist sie nichts weniger als reich. Es herrscht daselbst keine Wollust, von welcher man sagen konnte, daß sie die Reichtumer der Nation verschwendete. Aber es fehlt den Einwohnern, ich weiß nicht, aus was fur einer Ursache, die Gabel ihren Fleiß recht anzubringen und ihn immer durch etwas Neues hervorzutun und also immer neue Mittel auszusuchen, um sich zu ernahren. Die Kunstler arbeiten daselbst nicht mehr, als sie notwendig brauchen, und damit sie auf ihre saure Arbeit sich wieder gute Tage machen konnen, so nehmen sie dieselbe doppelt bezahlt. Durch ein Schicksal, dessen Ursache nicht so leicht zu begreifen ist, pflegen die geschicktesten und fleißigsten Kunstler des Landes sich anderwarts niederzulassen, und an ihrer Stelle kommen Fremde dahin, wovon ein Teil selbiges Land nicht gesucht haben wurde, wenn sie geschickt genug gewesen waren, in ihrem eigenen Lande Nahrung zu finden. Bei einer kleinen Teurung, welche sich eraußerte, fiel ihnen ein, daß das Land von Einwohnern uberladen ware; und man beschloß, sogleich einen Teil der Menschen hinauszuschicken, damit die andern desto bequemer leben konnten. Diejenigen also, die nichts Eigentumliches daselbst hatten, sondern bloß von dem lebten, was sie erwarben, mußten das Land raumen; und weil sie weder kriegerisch noch machtig genug waren, ein schon bewohntes Land zu erobern, so sahen sie sich gezwungen, sich auf diesem Felsen, als der einzigen von allen umliegenden Inseln, die noch nicht bewohnt war, niederzulassen. Unterdessen haben sie noch bestandig den meisten Teil ihres Reises und der andem Eßwaren, die sie brauchen, aus ebendiesem Lande, woraus sie, in der Einbildung des Mangels derselben, weggeschickt worden sind; und die Nahrung, die man ihnen als Einwohnern versagt hat, verkauft man ihnen als Fremden gegen Dinge, die man selbst machen konnte, wenn man Lust dazu hatte. Daher kommt ein Spruchwort, welches man auf dieser reichen und unfruchtbaren Insel hat:

Daß dasjenige Land das fruchtbarste sei, wo der meiste Fleiß bluht .›≫