Nach Berichten uber das brutale Vorgehen gegen Gefluchtete in EU-Partnerlandern in Nordafrika fordert Arzte ohne Grenzen (MSF) Aufklarung uber die mogliche Rolle des osterreichischen Innenministeriums. Da Osterreich ein Ausbildungszentrum fur die tunesische Grenzpolizei mitfinanziere, musse untersucht werden, ob damit eine ?nach internationalem Recht illegale Praxis unterstutzt“ werde, sagte Marcus Bachmann, humanitarer Berater bei MSF Osterreich, im Gesprach mit der APA.
Die Hilfsorganisation beobachte bereits seit einiger Zeit eine Zunahme ?enormer, systematischer Gewalt“ an allen EU-Außengrenzen. ?Wir werden Zeugen, wie Menschen sterben“, betonte Bachmann, der sich von den Anfang der Woche veroffentlichten Berichten der Investigativredaktion Lighthouse Reports nicht uberrascht zeigte.
Die Lighthouse-Recherche, an der Medien aus acht Landern beteiligt waren, belegen das systematische, gewaltsame Aufgreifen von Gefluchteten in den nordafrikanischen Staaten Tunesien, Marokko und Mauretanien. Menschen wurden demnach gezielt wegen ihrer Hautfarbe aufgegriffen und bisweilen mitten in der Wuste ohne Proviant ausgesetzt ? oft ausgeraubt oder misshandelt.
?Wenn es Vorwurfe gibt, mussen diese aufgeklart werden“
Innenminister Gerhard Karner (OVP) sagte im O1-Morgenjournal dazu: ?Wenn es Vorwurfe gibt, mussen diese untersucht und aufgeklart werden.“ Bachmann forderte eine konkrete Untersuchung durch die osterreichischen Behorden. Es musse geklart werden, ob Osterreich durch seine finanzielle Unterstutzung fur Tunesien ?illegale Praktiken“ wie das Zuruckweisen von Migranten (Pushbacks) unterstutze.
Karner hatte erst im November, gemeinsam mit seinem danischen Amtskollegen Kaare Dybvad Bek, ein Ausbildungszentrum fur Grenzpolizisten im Sudwesten Tunesiens eroffnet ? ?wahrend diese sogenannten ?Desert Dumps‘ durchgefuhrt wurden“, wie Arzte ohne Grenzen betonte. Osterreich steuert knapp eine Million zur Errichtung des Trainingszentrums nahe der Stadt Nefta bei. Koordiniert wurde das Projekt von dem in Wien ansassigen Zentrum fur Migrationspolitik (ICMPD), dessen Leiter der fruhere Vizekanzler Michael Spindelegger (OVP) ist.
Es sei fur ihn nur ?schwer vorstellbar“, dass der Umsetzungspartner ICMPD ?keinerlei Wahrnehmung“ zu dem Vorgehen der tunesischen Behorden und deren Umgang mit Gefluchteten habe, hielt Bachmann gegenuber der APA fest. Das ICMPD betonte auf APA-Nachfrage, dass man ?nur fur die Ausbildung, nicht fur den Einsatz“ verantwortlich sei. Es habe ?keine Hinweise“ seitens beteiligter Mitarbeiter bezuglich eines menschenunwurdigen Umgangs mit Migrantinnen und Migranten gegeben, hieß es unterdessen vonseiten des ICMPD.