한국   대만   중국   일본 
Aufstand der Korrupten | NZZ
Gastkommentar

Aufstand der Korrupten

Mit der Wahl des liberalen Prasidenten Klaus Johannis hatte die rumanische Burgergesellschaft einen machtigen Schritt nach vorn getan. Die neue postkommunistische Regierung sucht das Rad der Geschichte zuruckzudrehen.

Oliver Jens Schmitt
Drucken
Keine Amnestie für in illegale Machenschaften verstrickte Politiker und Geschäftsleute. - Bürgerdemonstration in Bukarest. (Bild: Robert Ghement/Keystone)

Keine Amnestie fur in illegale Machenschaften verstrickte Politiker und Geschaftsleute. - Burgerdemonstration in Bukarest. (Bild: Robert Ghement/Keystone)

Ein Prasident geht mit Zehntausenden Demonstranten auf die Strasse und bezeichnet die Regierung seines Landes als eine ≪Bande mit Vorstrafenregister≫. Was derzeit in Rumanien geschieht, ist selbst in bewegten Zeiten fur europaische Politik ungewohnlich. Nach Parlamentswahlen im Dezember 2016, an denen gerade einmal 39 Prozent der Stimmberechtigten teilgenommen hatten, ubernahmen die Postkommunisten in Bukarest wieder die Macht. Es schien, als ob die machtige Burgerbewegung , die 2014 Klaus Johannis ins Prasidentenamt getragen und 2015 zum Sturz der korrupten Regierung Victor Pontas gefuhrt hatte, wirkungslos verpufft sei.

In rasender Geschwindigkeit gehen die Postkommunisten daran, zentrale staatliche Institutionen von der Antikorruptionsbehorde DNA bis zum Schulsystem anzugreifen und auf dem Verordnungsweg Tatsachen zu schaffen. Sie tun dies im Windschatten grosser weltpolitischer Umwalzungen. Vorbilder sind dabei altere nationale Erfahrungen etwa unter der Regierung Victor Pontas (2012 bis 2015). Aber auch der polnische Fall, wo die Regierungspartei PiS durch Aushebelung wichtiger Institutionen die Macht in Staat und Gesellschaft erringen will, zeigt den Postkommunisten Rumaniens, dass sich nationale Regierungen mit Angriffen auf den Verfassungsstaat gegen die Brusseler EU-Kommission durchsetzen konnen.

Verteidigung der Pfrunde

Was Rumanien von Polen unterscheidet, ist das Motiv ? in Bukarest geht es nicht um Ideologie und Gesellschaftsumbau, sondern darum, Tausende in illegale Machenschaften verstrickte Politiker und Geschaftsleute vor einer gut funktionierenden Strafverfolgung zu schutzen. Die Oligarchenkreise beherrschen die Medien und fuhren eine uble Verleumdungskampagne gegen die Justiz und deren Galionsfigur Laura Codruta Kovesi, die Chefin der Antikorruptionsbehorde.

Fur die EU steht einiges auf dem Spiel. An ihrem ostlichen Rand ist ein weiterer demokratiepolitischer Problemfall aufgetreten.

Sie gefahrden bewusst politische Erfolge, die Rumanien im von Staatszerfall, Wirtschaftskrise und Nationalismus gepragten europaischen Sudosten hervorheben: staatliche Institutionen, zu denen die Burger allmahlich Vertrauen fassen, weil sie ohne Ansehen der Person Gesetze anwenden. Das Parlament hingegen arbeitet auf die Schwachung dieser Institutionen hin, weil diese die Pfrunden alter Seilschaften elementar bedrohen. Die Machthaber wollen zudem verurteilte Geschaftspartner aus der Haft freibekommen.

Fur die EU steht einiges auf dem Spiel. An ihrem ostlichen Rand ist ein weiterer demokratiepolitischer Problemfall aufgetreten. Rumaniens Postkommunisten entfernen sich vom Grundkonsens der EU ebenso wie Polen oder Ungarn, nur mit weniger Getose. Fur die Nato bedeutet die korrupte Regierung in Bukarest eine Schwachung ihrer Position im Schwarzen Meer. Die Turkei distanziert sich vom nordatlantischen Bundnis. Bulgarien hat neuerdings einen russlandfreundlichen Prasidenten. Rumanien hingegen hat 2015 in Deveselu eine Nato-Raketenabwehrbasis eingerichtet. Russland droht daher Rumanien, so kurzlich beim Besuch des prorussischen Prasidenten der Moldau in Moskau. Die neue Regierung Rumaniens will trotz dieser Lage den Wehretat drastisch kurzen, gegen den Widerstand von Prasident Johannis.

EU und Nato haben gute Grunde, den Bukarester Machthabern grosste Aufmerksamkeit zu schenken. Die EU besitzt dazu ein wenn auch schwaches Instrument: das Kooperations- und Kontrollverfahren in Justizfragen. Der neue rumanische Justizminister und der Prasident des Senats hatten dessen Abschaffung verlangt. Dies wurde eben von der EU-Kommission abgelehnt, ein deutliches Zeichen des Misstrauens gegenuber Bukarest. Doch entscheidende Veranderungen mussen von innen kommen.

Letzter Ausweg Volksabstimmung

Und hier wird Rumanien europapolitisch besonders interessant. Die niedrige Wahlbeteiligung ist mit der Enttauschung der rumanischen Burger uber fehlende parteipolitische Alternativen zu erklaren. Die oppositionellen Liberalen sind kaum weniger korrupt als die Postkommunisten. Die burgerliche Oppositionspartei USR (Union Rettet Rumanien) ist noch wenig konsolidiert. Wahrend die graue Eminenz der Regierenden, Liviu Dragnea, dem Prasidenten mit einem Amtsenthebungsverfahren drohte, ging Klaus Johannis in die Offensive.

Der rumanische Staatsprasident hat das Recht, bei Fragen von grosser staatlicher Bedeutung Referenden anzusetzen. Er will die Burger uber das von der Regierung geplante Amnestiegesetz abstimmen lassen, das jahrelange Justizerfolge gegen korrupte Netzwerke zunichtemachen wurde. Das in der EU so verponte Instrument der Volksabstimmung konnte so Rechtsstaat und Demokratie retten und das Versagen von Parteiensystem und Parlament zumindest teilweise ausgleichen.

Die Rumanen haben eine klare Alternative. Und dies mobilisiert, Zehntausende auf den Strassen, aber auch die sozialen Netzwerke. 2014/15 haben sich die meisten Rumanen fur den Rechtsstaat entschieden. Nicht in Wahlen, sondern in einem Referendum konnen sie dies erneut zum Ausdruck bringen.

Oliver Jens Schmitt , in Basel geboren, ist Professor fur osteuropaische Geschichte an der Universitat Wien. Zuletzt ist 2016 im Wiener Zsolnay-Verlag erschienen: ≪Capitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumanischen Faschistenfuhrers≫.