Als das Fernsehen Farbe bekam
Stand: 23.11.2022 17:30 Uhr
Mit einem symbolischen Knopfdruck startet Vizekanzler Willy Brandt am 25. August 1967 das Farbfernsehen in Deutschland. Die neue Technik dafur, das PAL-System, stammt von Telefunken aus Hannover.
Lachelnd steht Vizekanzler
Willy Brandt
am 25. August 1967 vor laufenden Kameras auf dem Gelande der Internationalen Funkausstellung in Berlin. Seine Hand ruht auf einem großen roten Knopf. Als er ihn druckt, beginnt ein neues Zeitalter. In Deutschland konnen die Zuschauer nun Fernsehen in Farbe empfangen.
Start des Farbfernsehens: Der Knopf war nur Attrappe
Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin startet Willy Brandt am 25. August 1967 offiziell das Farbfernsehen in Deutschland.
Der Knopf, den Brandt gedruckt hat, ist allerdings nur eine Attrappe. Ein technischer Assistent hinter der Buhne betatigt den echten Schalter, jedoch etwas zu fruh. So wird das deutsche Fernsehen bereits einige Sekunden vor dem offentlichen Knopfdruck farbig. Das bekommt aber nur eine Handvoll Zuschauer mit, denn nur etwa 6.000 Haushalte besitzen ein entsprechendes Fernsehgerat, das damals 2.400 bis 4.000 Mark kostet. Fur den endgultigen Durchbruch des Farbfernsehens in Deutschland sorgt erst die Fußball-Weltmeisterschaft 1974, die viele Deutsche zum Anlass nehmen, ein Farbfernsehgerat zu kaufen.
Wettlauf um das beste Farbfernsehen
Viele Jahre hatten Ingenieure in den Forschungslabors der Industrie daran gearbeitet, bunte Bilder auf die Mattscheibe zu bringen. In den USA wird das Farbfernsehen bereits 1954 eingefuhrt - auf Basis des dort entwickelten NTSC-Standards. Dabei tauchen jedoch immer wieder deutliche Farbfehler auf. Gesichter laufen schon mal grun an, eine Wiese farbt sich plotzlich blaulich. Den Konzernen ist klar: Wer diese Mangel beheben kann, dem winkt ein großes Geschaft. So suchen die Techniker fieberhaft nach einer Losung - auch in Deutschland.
Tufteln im "Pantoffellabor"
Walter Bruch und seine Mitarbeiter wollen Anfang der 60er-Jahre ein qualitativ uberzeugendes System zur Farbubertragung im Fernsehen entwickeln.
Bei Telefunken in Hannover arbeitet ein Team um den Ingenieur Walter Bruch an dieser Aufgabe. Das Unternehmen richtet Bruch sogar ein eigenes Forschungslabor unterhalb seines Privathauses ein, das sogenannte Pantoffellabor. Dort tuftelt er auch nach Feierabend und am Wochenende, verfolgt die Entwicklung in den USA und die Fortschritte des konkurrierenden franzosischen
SECAM-System
s. Schließlich gelingt ihm der Durchbruch: Er optimiert das Verfahren der bereits bekannten NTSC-Technik.
PAL wird Standard in (fast) ganz Europa
Am 31. Dezember 1962 meldet Telefunken es als
"Farbfernsehempfanger fur ein farbgetreues NTSC-System"
beim Deutschen Patentamt an.
Im Januar 1963 prasentiert Bruch
Experten der Europaischen Rundfunkunion sein Farbfernsehen nach dem PAL-System. Zweieinhalb Jahre danach entscheidet die Bundesregierung, PAL zur Ubertragung von Farbfernsehen zu nutzen. Die meisten westeuropaischen Lander schließen sich an - mit Ausnahme von Frankreich, das die eigene SECAM-Technik einfuhrt.
Bis zur Einfuhrung des Farbfernsehens in Deutschland vergehen aber noch einige Jahre. Dafur gibt es mehrere Grunde: Zum einen gibt es einen
Streit wegen des Patents
, zum anderen sind etliche technische Anpassungen notwendig. Die gesamten Studio-, Sende- und Empfangsanlagen mussen auf Dreikanal-Farbtechnik umgestellt werden. Und die Techniker mussen sicherstellen, dass PAL von Schwarz-Weiß-Geraten weiter in gewohnter Qualitat empfangen werden kann.
Phase Alternating Line (PAL)
Das Kurzel PAL steht fur "Phase Alternating Line" oder auf deutsch Phasenumkehr je Zeile. Das Verfahren verhindert Farbfehler bei der Ubertragung von Fernsehsignalen. Dabei wird jede zweite Bildzeile zur vorhergehenden um 180 Grad verschoben.
PAL kommt in vielen Landern Westeuropas, Asiens und Afrikas zum Einsatz. In Frankreich und Osteuropa wird mit der franzosischen SECAM-Technik (Sequentiel couleur a memoire) gesendet, in Nord- und Mittelamerika sowie in Japan mit NTSC (National Television Systems Committee).
Ehrungen und Auszeichnungen fur Walter Bruch
Walter Bruch ging als Mr. PAL in die Geschichte des Fernsehens ein.
Walter Bruch wird fur seine Entwicklung vielfach ausgezeichnet. 1964 verleiht ihm die Universitat Hannover die Ehrendoktorwurde, 1968 eine Hochschule im Saarland eine Ehrenprofessur. Im selben Jahr bekommt Bruch das Große Bundesverdienstkreuz und in Hannover ist eine Straße nach ihm benannt. Kritiker werfen Bruch und dem Telefunken-Konzern jedoch vor, sie hatten sich eine bereits bekannte Technik patentieren lassen und erfolgreich vermarktet. Erfolgreich ist PAL in der Tat - es verkauft sich in viele Staaten und wird die weltweit am haufigsten verwendete Technik. Beim digitalen Fernsehen spielt PAL heute allerdings keine Rolle mehr.
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