Berliner Taxifahrer sagen mitunter noch heute: "Ach, zum RIAS wollen Sie!"
RIAS, Rundfunk im Amerikanischen Sektor ? diese Abkurzung stand fur den unkonventionellsten aller westdeutschen Sender. Auch wenn der RIAS ein Kind des Kalten Krieges war, lebte das Programm nicht zuletzt von seiner Unterhaltsamkeit.
Berlin war nach 1945 in vier Sektoren geteilt. Aber eine der vier Besatzungsmachte, die Sowjetunion, versuchte, die Lufthoheit uber den Rundfunk in ganz Berlin zu erringen. Als Antwort darauf grundeten die US-Amerikaner eine eigene Rundfunkstation - den RIAS. Sendestart auf Mittelwelle war der 5. September 1946.
"Eine freie Stimme der freien Welt" - so lautete der Anspruch.
Verstarkung der Sendeleistung mit Nebenwirkungen
Der Sender wuchs verhaltnismaßig schnell mit seiner Strahlungsleistung und es gab teilweise groteske Nebenwirkungen, erzahlt Walter Kober, Leiter der Senderanlage in Berlin-Britz:
"Man horte dann also zum Beispiel in der Gegend aus der Dachrinne das RIAS-Programm. Oder ein Beispiel ist mir besonders noch in Erinnerung: dass in der nachsten Nachbarschaft in einem kleinen Hauschen der Elektroherd in dem Moment, wo er eingeschaltet wurde, plotzlich zu sprechen anfing."
Egon Bahr (1922-2015) war vor seiner Politikerkarriere auch Leiter des Bonner Buros des RIAS.
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Deutsche Journalisten, inspiriert vom amerikanischen Freiheitsversprechen, machten Programm nicht nur fur Berlin, sondern auch fur die sowjetische Zone, ab 1949 die DDR. Sie entwickelten Informations- und Unterhaltungsformate, die wegweisend waren fur die bundesdeutsche Rundfunklandschaft.
Egon Bahr, damaliger Leiter des Bonner Buros des RIAS, sagte spater uber die Vorgange der Programmgestaltung:
"Die Menschen kamen ungehindert aus der DDR - es gab ja noch keine Mauer - und haben uns mit interessanten Informationen versehen. Es war eben nicht in dem Sinne eine Agentenzentrale, dass wir ein Agentennetz aufgebaut hatten. Wir hatten unsere regelmaßigen, aber nicht unsere systematischen, uber die ganze DDR verstreuten Mitarbeiter. Wir hatten IMs, aber wir hatten keine Stasi-Organisation."
Gewaltiges Entsetzen uber Einmauerung West-Berlins
Als im August 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, berichtete der RIAS nicht nur im Tagesprogramm. Der Mauerbau wurde auch in den Unterhaltungssendungen thematisiert.
Wann auch immer man in jenen Tagen den RIAS einschaltete: Das Entsetzen uber die Einmauerung West-Berlins war gewaltig.
Eine Institution war damals schon Friedrich Luft, der Theaterkritiker. Jeden Sonntag prasentierte er auf unnachahmlich atemlose Weise seine Theaterkritik. Nach dem Mauerbau konnte auch er nicht einfach uber das Theaterleben sprechen:
"Dass sie die eigene Bevolkerung einzingeln muss, damit ihr die nicht davonlauft. Dass sie sie nur mit einer Ulbricht’schen chinesischen Mauer in der Brutmaßigkeit halten kann und mit durchgeladenen Karabinern: Ein schlimmeres, ein vollstandigeres Eingestandnis der Unfahigkeit und der Verlassenheit, der Angst und Einsamkeit einer Regierung gab es nie."
Der beliebte Quizmaster Hans Rosenthal (1925-1987) war beim RIAS fur Unterhaltung zustandig.
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"Der RIAS sendet bis zur Wiedervereinigung!" So hatte Programmdirektor Heinz Adolf von Heintze im Mai 1959 den Programmauftrag definiert. Und so ging nach Maueroffnung und Wiedervereinigung die Geschichte der wohl ungewohnlichsten Rundfunkstation auf deutschem Boden, die immer auch eine amerikanische war, zu Ende.
RIAS fusionierte zum 1. Januar 1994 mit dem ostdeutschen DS Kultur und wurde Teil des Deutschlandradios. Der RIAS-Schriftzug auf dem Haus am Hans-Rosenthal-Platz steht heute unter Denkmalschutz. Und so ist aus dem "Rundfunk im Amerikanischen Sektor" heute ein "Rundfunk in allen Sechzehn" geworden ? in 16 Bundeslandern.
Autor:
Ralf Bei der Kellen
Es sprechen:
Haino Rindler und der Autor
Ton:
Hermann Leppich
Regie:
Karena Lutge
Redaktion:
Winfried Strater
Die Erstausstrahlung des Features "Geschichten vom RIAS" war am 7. September 2016.