-
Genealogie
V
Johann Jacob (um 1662?1754), Lautenist in Mannheim;
M
vermutl.
Anna Margaretha
N. N.
(um 1667?1723);
B
Johann Sigismund (um 1695?1737), aus Mannheim, Concert-
Dir.
ebd.
, Instrumentalist,
Schw
→
Juliana Margaretha (1690?1765), Lautenistin;
?
?
Elisabeth Maria Josepha N. N. (um 1700?59);
11
K
u. a.
S
→
Johann Adolph Faustinus (1741?1814), Lautenist in
D.
,
T
Maria Theresia (Therese) Francisca (1730?75,
?
→
Christian Gottlob Heyne, 1729?1812,
klass. Philol.
,
Bibl.
in Gottingen, s.
NDB
IX);
E
→
Therese Huber (1764?1829,
?
1]
→
Georg Forster, 1754?94, Forsch.reisender,
Naturwiss.
,
Schriftst.
, s.
NDB
V, 2]
→
Ludwig Ferdinand Huber, 1764?1804,
Schriftst.
, s.
NDB
IX),
Schriftst.
(s.
NDB
IX).
-
Biographie
W.
, uber dessen fruhe Lebensjahre fast nichts bekannt ist, erhielt sicher ersten
Lautenunterricht von seinem Vater. Er galt als Wunder-
|
kind und trat im Alter
von sieben Jahren vor
Ks.
→
Leopold I.
(1640?1705) auf. Vor 1706 wurde
W.
bei
Pfalzgf.
→
Karl Philipp von
Pfalz-Neuburg (1661?1742), der in Breslau und Brieg residierte,
angestellt. In der ersten Jahreshalfte 1706 unternahm er eine Gastspielreise nach Berlin, Kassel und Dusseldorf. Seine fruheste
datierte Komposition entstand im selben Jahr am Dusseldorfer Hof von
Kf.
→
Johann Wilhelm von der Pfalz (1658?1716).
Weshalb
W.
in der Folgezeit seine Anstellung bei
Pfalzgf.
→
Karl Philipp aufgab und sich zwischen 1708 und 1710 in die
Dienste des
poln.
Prinzen
→
Alexander
Sobieski nach Rom
begab, ist unbekannt. Nach dem Tod Sobieskis 1714 kehrte er wahrscheinlich direkt zu
seinem ehemaligen Dienstherrn
→
Karl
Philipp zuruck, der inzwischen
ksl.
Statthalter in Innsbruck war und 1716 seinem Bruder als Kurfurst von der
Pfalz nachfolgte. Bei
→
Karl Philipp
blieb
W.
offiziell bis in die erste Jahreshalfte 1718 angestellt. Von der alteren
Forschung behauptete Engagements in Kassel 1715
und in Dusseldorf 1716 sind nicht zu belegen.
Eine angebliche Gastspielreise im Fruhjahr 1718 nach London hat nicht er, sondern wahrscheinlich sein Bruder Johann Sigismund unternommen.
1717 laßt sich ein Aufenthalt von
W.
in Prag nachweisen; wohl seit Ende dieses Jahres befand er sich am Dresdner Hof
→
Augusts des Starken (1670?1733). Hier seit dem 1. 8. 1718 fest angestellt, steigerte sich sein Jahresgehalt von 1000 Reichstalern im Laufe der Zeit auf 1400 Reichstaler, was fur einen Instrumentalmusiker dieser Zeit ein außerst hohes Gehalt darstellte. Die Dresdner Stellung behielt er, trotz eines noch lukrativeren Angebots von 2000 Talern des Wiener Kaiserhofs 1736, auch unter
→
Augusts Nachfolger
→
Friedrich August II. von Sachsen (1696?1763) bis zu seinem Lebensende bei.
Barocker Herrschaftsreprasentation entsprechend, wurde
W.
unmittelbar nach seinem Dienstantritt in Dresden von
→
August dem Starken mit anderen Musikern
nach Wien geschickt, um der
Brautwerbung des
sachs.
Kurprinzen am Kaiserhof mehr Glanz zu verleihen; danach hatte
W.
mit ausgewahlten Musikern die
habsburg.
Braut bei ihrer Ankunft in Pirna zu empfangen. Ebenfalls aus
Reprasentationsgrunden wurde
W.
mit einer kleinen Gruppe von Musikern im Zusammenhang mit
→
Augusts Besuch beim
preuß.
Konig 1728 fur mehrere Monate nach Berlin
abgeordnet.
Gegen Ende 1722 weilte
W.
anlaßlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des
bayer.
Kurprinzen
→
Karl Albrecht (1697?1745) mit der
habsburg.
Kaisertochter
→
Maria Amalia (1701?56) zu einem Gastspiel in Munchen. Im Sommer 1723 reiste er mit
→
Johann Joachim Quantz (1697?1773) und
→
Carl Heinrich Graun (1704?59) nach Prag zur Kronung
Ks.
→
Karls VI. (1685?1740) zum Konig von Bohmen, um sich die von
→
Johann Joseph Fux (1660?1741) komponierte monumentale Festoper ?Costanza e fortezza“ anzuhoren. Die Zusammenarbeit der Musiker am Dresdner Hof war nicht immer konfliktfrei. 1738 geriet
W.
wegen eines Streits mit seinem Vorgesetzten kurzzeitig in Arrest.
Als Musiker genoß
W.
bereits zu Lebzeiten in ganz Europa große Wertschatzung. Zu seinen Bewunderern zahlten Konige, Fursten, Musiker und bedeutende Intellektuelle der Aufklarung. Neben Angehorigen des Hochadels unterrichtete er spater fuhrende Lautenisten der Nachfolgegeneration und den nachmaligen
kgl.
preuß.
Kapellmeister
→
Carl Heinrich Graun. Daruber hinaus unterhielt
W.
Beziehungen zu
→
Johann Sebastian Bach (1685?1750), mit dem er 1739 in Leipzig zusammentraf. Eine Lautensonate
W.
s bearbeitete Bach fur Violine und Cembalo (BWV 1025).
W.
hinterließ ein gewaltiges Werk an Kompositionen fur die Laute, das bis auf eine Ausnahme nur handschriftlich uberliefert ist. Die Kompositionen weisen sowohl
ital.
als auch
franz.
Einflusse auf.
W.
entwickelte jedoch einen ganzlich eigenen Stil, der nicht nur seine Ausnahmestellung in der zeitgenossischen Lautenmusik belegt, sondern ihn als herausragenden Komponisten in der 1. Halfte des 18.
Jh.
ausweist. Seine Werke zeichnen sich durch thematischen Einfallsreichtum, harmonische und chromatische Kuhnheit aus, die zusammen mit dem Uberwinden der barocken Suitenform weit in die Zukunft weisen. Zudem hatte
W.
mit maßgeblichen Modifikationen auch an der Weiterentwicklung seines Instruments Anteil.
-
Werke
|
uber 100 meist sechssatzige
Sonaten
u.
ca.
90 Einzelwerke
bzw.
keinen Sonaten zuordenbare Satze, dazu meist
unvollst.
uberlieferte
Kammermusikwerke
u.
ca.
25 heute verschollene
Sonaten
;
G. Ph. Telemann, Der Getreue Music-Meister, Hamburg 1728, S. 45 (mit e. Presto
v.
W.
);
The Breitkopf Thematic
Cat.
, The Six Parts and Sixteen Supplements 1762?1787,
hg.
v.
B. S. Brook, 1966;
34 Suiten f. Laute solo, Faks.druck
n.
d.
Hss.
Tabulatur
Mus.
2841-V-1 d.
Sachs.
Landesbibl.
Dresden, mit quellenkundl. Bemm.
v.
W.
Reich, 1977;
Samtl. Werke f. Laute/ Complete Works for Lute,
hg.
v.
D. A. Smith
u. a.
, 10
Bde.
in 12
Bdn.
, 1983?2013 (ab
Bd.
5 in d. Sonderreihe
v.
: Das Erbe
dt.
Musik);
The Moscow ?Weiss‘ Manuscript, M. I. Glinka State Central
Mus.
of Musical Culture, MS 282 / 8,
hg.
v.
T.
|
Crawford, 1995;
Lautenmusik aus Schloß Rohrau, Werke
v.
S. L. Weiss
u. a.
, Zwei
Mss.
f. Barocklaute aus d.
Gf.
Harrach’schen Fam.slg., als
Faks.
hg.
v.
M. Freimuth, F. Legl u. M. Lutz, 2010.
-
Quellen
|
Dresden,
Sachs.
HStA
; Karlsruhe, Landeskirchl. Archiv; Marburg, Hess.
StA
; Munchen,
Bayer.
HStA
; ? E. G. Baron,
Hist.
-Theoret. u. Pract.
Unters.
d. Instruments d. Lauten, Nurnberg 1727; J. G. Walther, Musikal.
Lex.
oder musikal.
Bibl.
,
Nachdr.
d.
Ausg.
Leipzig 1732, ⁴1986; J. Chr. Gottsched (
Hg.
), Handlex. oder Kurzgefaßtes
Wb.
d. schonen
Wiss.
u. freyen Kunste, Leipzig 1760.
-
Literatur
|
ADB
41;
M. Furstenau, Zur
Gesch.
d. Musik u. d. Theaters am Hofe d.
Kf.
v.
Sachsen u. Konige
v.
Polen Friedrich August I. (August II.) u. Friedrich August II. (August III.), 1862;
H. Volkmann, S. L.
W.
, d. letzte grosse Lautenist,
Biogr.
Skizze, in: Die Musik 6, 1906 / 07, H. 17, S. 273?89;
H. Neemann, Die Lautenistenfam. Weiß, in: Archiv f. Musikforsch., 4.
Jg.
, 1939, S. 157?89;
D. A. Smith, The Late Sonatas of S. L.
W.
,
Diss.
masch.
Stanford
Univ.
1977;
ders.
, Sylvius L.
W.
, in: Early Music, 8,
Nr.
1,
Jan.
1980, S. 47?58;
ders.
, A
Biogr. of
S. L.
W.
, in:
Journ.
of the Lute
Soc.
of America, XXXI, 1998 (
ersch.
2003), S. 1?48;
ders.
,
W.
and the 1719 Saxon-Hapsburg Wedding Festival in Dresden,
ebd.
, XXXIII, 2000 (
ersch.
2004), S. 87?97;
U. Neu, Harmonik u. Affektgestaltung in d. Lautenkompositionen
v.
S. L. Weiß, 1995;
F. Legl, Zw. Grottkau u. Neuburg, Neues
z.
Biogr.
v.
S. L.
W.
, in: Die Laute,
Jb.
d.
Dt.
Lautenges., IV, 2000, (
ersch.
2002), S. 1?40
(P)
,
engl.
in:
Journ.
of the Lute
Soc.
of America, XXXI, 1998 (
ersch.
2003), S. 49?77;
ders.
, Die S. L.
W.
betreffenden Eintrage im
kath.
Taufreg. d. Dresdner Hofes, in: Die Laute, VII, 2003, 2007, S. 23?59;
ders.
, Kleinere neue Funde
z.
Biogr.
v.
S. L.
W.
,
ebd.
, VIII, 2009, S. 76?92;
ders.
, Neue Quellen
z.
Lautenistenfam.
W.
, Paul Charl Durant u. Wolff Jacob Lauffensteiner,
ebd.
, IX?X, 2011, S. 11?40;
ders.
, Grottkau oder Breslau? Neues zu Geb.ort u. Geb.
j.
v.
S. L.
W.
,
ebd.
, XII, 2017, S. 120?32;
R. Lundberg, W’s Lutes, The Origin of the 13-Course German Baroque Lutes, in:
Journ.
of the Lute
Soc.
of America, XXXII, 1999 (
ersch.
2004), S. 35?66;
J. ?ak, The Sobieskis in Silesia and in Rome,
W.
’s First Royal Patrons,
ebd.
, XXXIII, 2000 (
ersch.
2004), S. 1?12;
F. Vacca,
W.
in Rome (1712?1713), First Archival Findings,
ebd.
, S. 13?31;
V. Kapsa u. C. Madl,
W.
, the Hartigs and the Prague Music Academy, Research into the ?profound silence“ left by a ?pope of music“,
ebd.
, S. 47?86;
K. Martius, Sebastian Schelle and the Swan-Necked Lute,
ebd.
, XXXV, 2002 (
ersch.
2006), S. 23?50;
T. Stone, Italy and the Transformation of
W.
’s Solo Lute Style,
ebd.
, XXXIX, 2006 (
ersch.
2009), S. 65?74;
T. Crawford, The Harrach Lute Manuscripts and the Complete Works of S. L.
W.
,
ebd.
, XL, 2007 (
ersch.
2010), S. 1?43;
M. Lutz, Es lebe August d. Dritte, S. L.
W.
als treuer Untertan, in: Die Laute, XI, 2013, S. 107?27;
New Grove
;
Art.
zu
Fam.
in:
MGG
;
MGG
²
(L)
.
-
Portrats
|
Kupf.
v.
B. Folin (
n.
e. verlorenen
Gem.
v.
B. Denner) als Frontispiz zu: Neue
Bibl.
d. schonen
Wiss.
u. d. freyen Kunste,
Bd.
1, H. 1, Leipzig 1765,
Abb.
u. a.
in: Die Laute, IV, 2000 (
ersch.
2002),
v.
S. 1.
-
Autor/in
Frank Legl
-
Zitierweise
Legl, Frank, "Weiss, Silvius" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 696-698 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119263475.html#ndbcontent