Biographie
Menno
Simonis
oder
Simons
(Symons), der bekannte Wiedertaufer, wurde nach dem Resultate der neuesten Forschungen im J. 1492 geboren und starb am Freitage, den 13. Januar 1559. Als sein Geburtsjahr wurde sonst auch das Jahr 1505 angegeben; als Todestag und Jahr zumeist Freitag, der 13. Januar 1561 (so noch Roosen), oder Freitag, der 23. Januar 1559 (so Frau Brons), was beides unmogliche Angaben sind, da die genannten Monatstage in den betreffenden Jahren nicht auf einen Freitag fielen. Sein Geburtsort ist Witmarsum, ein in der Nahe von Franeker in Friesland gelegenes Dorf; andere nennen das benachbarte Pingjum. Sein Vater, der Simon hieß, soll ein Bauer gewesen sein. Auf Klosterschulen soweit vorbereitet, daß er auch nicht ganz geringe Kenntnisse im Lateinischen und Griechischen hatte, wurde er im J. 1515 oder 1516 zum Priester geweiht und alsbald (nach anderer Angabe freilich erst 1524 oder 1528) Vicar in dem schon genannten Pingjum. Zweifel an der Lehre von der Transsubstantiation ließen ihn sich zur Bibel wenden, die er bisher absichtlich, um nicht verfuhrt zu werden, gemieden hatte. Esgeschah das am Ende des zweiten Jahres seiner Amtsfuhrung; also wol 1517 oder 1518. Er merkte bald, daß die Lehre von der Brotverwandlung sich nicht im Neuen Testamente finde. Aus Luthers Schriften lernte er dann auch nicht lange nachher, daß Menschensatzungen in Glaubenssachen nicht verbindlich seien. Das Schriftstudium trieb er jetzt so ernst, daß er sich bald den Namen eines ?evangelischen Predigers“ erwarb; doch ?mit Unrecht“, setzt er selbst hinzu, wo er davon spricht, weil er trotz seiner gewonnenen Erkenntniß noch die Welt liebte und in Eitelkeit wandelte. Als
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gelegentlich der am 20. Marz 1531 in Leeuwarden geschehenen Hinrichtung eines Wiedertaufers Sicke Freerks (Freericks oder Freerik, auch nach seinem Gewerbe Sicke Snijder genannt) davon zum ersten Male horte, daß es Zweifel an der Berechtigung der Kindertaufe gabe, untersuchte er auch diese Lehre; und da er weder in der heiligen Schrift, noch in den Schriften von Luther, Butzer und Bullinger einen ihn befriedigenden Grund fur die Kindertaufe fand, vielmehr zu entdecken glaubte, daß die Vertheidiger derselben in ihren Ansichten weit auseinander gingen, so ward er auch betreffs ihrer unsicher. Spater berief er sich gerade fur seine Lehre von der Taufe der Erwachsenen auf Otto Brunfels (vgl. Bd. III, S. 441); ob er die Schriften desselben aber schon in dieser Periode seines Lebens kennen gelernt hat, muß dahingestellt bleiben. Um diese Zeit (etwa 1531) ward er als Pastor nach Witmarsum, seinem Geburtsorte, versetzt; ?aus Gewinnsucht und Begierde eines großen Namens“ habe er diese Beforderung gewunscht, so sagt er spater selbst; jedenfalls
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blieb er noch im Dienste der Kirche, obschon er schon innerlich mit wichtigen Lehren derselben zerfallen war. In der Meinung von der Taufe bestarkten ihn nun einige Wiedertaufer, mit denen er (etwa 1532) zusammenkam. Mit den Ausschreitungen der schwarmerischen Wiedertaufer, die hernach in den Munsterschen Graueln ihren Hohepunkt erreichten, wollte er jedoch nichts zu thun haben; er hat ernstlich jede Gemeinschaft mit ihnen abgelehnt. Als im December 1533 Schuler Jan Mathyszoon's (vgl. Bd. XX, S. 600 ff.) nach Friesland kamen und dann im folgende Jahre Jan Beukelszoon (vgl. Bd. III, S. 91 ff.) ebenda zu offenem Auftreten gegen die Obrigkeit aufforderte unter Hinweis auf die nahe bevorstehende Wiederkunft des Herrn, warnte
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vor solchen schwarmerischen und aufruhrerischen Lehren. Doch umsonst; es kam zum Kampfe, in welchem die Wiedertaufer im April 1535 besiegt wurden; ein Bruder Menno's verlor dabei sein Leben. Nun bereute
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, nicht noch entschiedener gegen diese fanatischen Irrlehrer ausgetreten zu sein, um sie vielleicht fur den von ihm damals schon in der Stille als den rechten erkannten Weg zu gewinnen; er gab jetzt (1535) gegen das Buch ?Von der Rache“, das den bewaffneten Widerstand gegen die Obrigkeit forderte, eine eigene Schrift heraus, legte am 12. Januar 1536 sein bisheriges Amt nieder und schloß sich nun vollig den milder gesinnten Wiedertaufern an. Wahrscheinlich empfing er um diese Zeit auch vie Taufe. Er verlor damit zunachst alle Existenzmittel und trat in ein Leben voll Unruhe und Entbehrung. Anfanglich hielt er sich verborgen und beschaftigte sich vorwiegend mit Lesen und Schreiben. An der Versammlung der Abgeordneten der wiedertauferischen Gemeinden, die im August 1536 in der Nahe von Bockholt in Westfalen stattfand, nahm er nicht Theil. Es zeigte sich hier, wie weit die Ansichten selbst unter den Wiedertaufern der mehr besonneneren Richtungen auseinandergingen; eine vollige Vereinbarung war nicht mehr moglich; nur gegen die aufruhrerischen Wiedertaufer, die Munsterschen sowol als die sogenannten Batenburger, wurde ein Zusammenhalten der ubrigen verabredet. Unser
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stand in seinen Ueberzeugungen, die er um diese Zeit fester ausbildete, den sogenannten Obbeniten am nachsten, d. h. derjenigen Richtung, die von Obbe Philipszoon ihren Namen hat; es waren das ohne Zweifel die gemaßigtsten unter allen. Anfanglich standen diese wol den Anhangern des David Joriszoon (vgl. Bd. XIV, S. 552 ff.) nicht feindlich gegenuber; als dieser aber selbst eine Art Vorrang unter seinen Glaubensgenossen beanspruchte (December 1536), sagten sich die Obbeniten von ihm los. Auch mit den Melchioriten, den Anhangern des Melchior Hofmann (vgl. Bd. XII, S. 636) stimmten sie nicht uberein, da auch die Lehren dieser uber eine neu zu erwartende Ausgießung des heiligen Geistes ihnen nicht einfach und schriftgemaß genug erschienen. Als die Obbeniten nun, um eine festere Ordnung in ihre Gemeinschaft zu bringen und sich diesen anderen Parteien gegenuber zu befestigen, eine Anzahl Aelteste oder Bischofe anstellten, welche unter ihnen der Lehre warten und die Sacramente verwalten sollten, wandten sie sich durch ?sechs, sieben oder acht“ Personen an
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mit der Bitte, ein solches Aeltestenamt bei ihnen anzunehmen; das war im December 1536 oder im Januar 1537. Nach langerem Strauben ging
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auf ihre Bitte ein. Er wurde dann durch Obbe Philipszoon zu Groningen in dieses Amt eingefuhrt. Er hat fortan bis an sein Lebensende (von 1537 bis 1559) mit großer Gewissenhaftigkeit und Strenge seines Amtes gewartet; und obschon er in keiner Weise durch seine Stellung dazu berufen war, und auch selbst nicht ein besonderes Ansehen unter ihnen beanspruchte, so hat er doch durch seinen sittlichen Ernst und seine aufrichtige Frommigkeit einen solchen Einfluß unter ihnen gewonnen, daß diese Gemeinden sich spater zuerst in Holland und dann uberall am liebsten nach ihm ?Mennoniten“ nannten. In den Jahren 1537
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bis 1541 stand er in Groningen; hier hat er sich auch verheirathet. Von hier aus besuchte er dann die Gemeinden in Friesland. Als sodann auf Befehl des Kaisers Karl V. vom Hofe in Friesland im December 1542 ein scharfes Edict wider ihn erlassen und ein Preis von hundert goldnen Carolusgulden auf seine Verhaftung gesetzt ward, begab er sich nach Amsterdam. Aber auch in Holland war er bald nicht mehr sicher, und so siedelte er gegen Ende des Jahres 1543 nach Emden uber, wohin ihn Johannes a Lasko (vgl. Bd. XVII, S. 736 ff.) zu einer Disputation uber die Menschwerdung Christi eingeladen hatte. Doch auch in Ostfriesland konnte er nicht bleiben, weil die Verfolgungen der Wiedertaufer auch hier wieder heftiger wurden, und so entwich er in das Erzbisthum Koln, wo er unter dem Schutze des Erzbischof Hermann von Wied (vgl. Bd. XII, S. 135) in der Stadt Koln wirkte (1545). Ob er damals auch in Bonn und Wesel thatig war, ist nicht sicher; das Gesuch um freies Geleit nach diesen Orten, da er sich erboten hatte, mit den Gelehrten in Bonn und den Predigern in Wesel zu disputiren, ward ihm wenigstens abgeschlagen. Nach der Entsetzung des Erzbischofs im J. 1546 begab er sich nach Holstein, wo er dann bis an sein Ende verweilte, abgesehen von den mehrfachen Reisen, die ihn von hier aus wieder nach Friesland, Holland und an den Rhein fuhrten. Im J. 1554 war er einige Monate in Wismar, wo er im Februar mit Micronius aus Emden wieder uber die Menschwerdung Christi disputirte. Wahrend dieser Jahre unternahm er auch vielfach Visitationsreisen in die wiedertauferischen (mennonitischen) Gemeinden an der Ostsee, die ihn vielleicht bis nach Konigsberg und in die Ostseeprovinzen fuhrten; es wird angenommen, daß in diesen Gemeinden damals kaum jemand anders als durch ihn die Taufe erhielt. Er mußte es dann noch erleben, daß in den Gemeinden seines Bekenntnisses ein heftiger Streit uber die Bedeutung und Ausubung des Bannes entstand; er selbst hatte sich anfanglich fur eine mildere Handhabung dieses außersten Mittels der kirchlichen Disciplin entschieden, ging dann aber, von andern Aeltesten gedrangt, zu der strengeren Ansicht uber. Als er in Folge eines Beschlusses der Stadte Hamburg, Lubeck, Wismar, Stralsund, Rostock und Luneburg gegen die Wiedertaufer im J. 1555 sich nach einem sicheren Aufenthalt umsehen mußte, fand er einen solchen auf dem ?Wustenfeld“, einer zum Gute Fresenburg bei Oldesloe gehorigen Ortschaft. Dieses Gut war seit dem Jahre 1543 im Besitz des Grafen Bartholomaus von Ahlefeldt. Es befand sich hier schon eine kleine Gemeinde seines Bekenntnisses, die wahrend der Verfolgungen in Holland dort Aufnahme gefunden hatte, und die sich jetzt, da Mennos Anwesenheit dort viele hinzog, sehr vergroßerte.
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richtete sich hier eine eigene Druckerei ein; hier ist er auch gestorben und begraben. ? Eine große Wirksamkeit hat
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zu seiner Zeit und bis heute durch seine vielen Schriften ausgeubt. Es sind das zum Theil kleinere Tractate erbaulichen Inhalts, theils aber auch großere polemische Schriften, in welchen er seine Ansichten gegen David Joriszoon, a Lasko, Micronius, Gellius Faber und andere vertheidigte. Er zeichnete sich nicht gerade durch neue, originelle Gedanken aus, vielmehr schließt er sich in seinen Ansichten und Gedankenreihen meist an andere an; aber die Art seiner Ausfuhrungen, seine Treue und sein Eifer, und dann nicht zum mindesten seine bedingungslose Hingabe an die heilige Schrift, wie er sie verstand, verschafften seinen Schriften in den betreffenden Kreisen einen bedeutenden Erfolg. Die ersten Drucke derselben sind jetzt außerst selten; und die Sammlungen, deren letzte und vollstandigste Amsterdam 1681 in Folio erschien, lassen sehr viel zu wunschen ubrig; aus ihnen kann man, weil seine Werke in ihnen nur in einer schlechten Uebersetzung ins Hollandische vorliegen, nicht einmal uber seinen Stil urtheilen; dabei sind sie theilweise auch verstummelt. ? Man hat ihm mitunter einen Vorwurf daraus
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gemacht, daß er sich immer geschickt den Nachstellungen seiner Feinde entzogen und so nicht, wie so viele begeisterte Fuhrer der Wiedertaufer, sein Leben fur seine Ueberzeugung gelassen habe. Aber an Aufopferungsfahigkeit und Leidenswilligkeit hat es ihm nicht gefehlt; wie er denn, seitdem er sich einmal entschieden den Wiedertaufern zugewandt, fur seinen Glauben Verfolgungen und Armuth erduldet hat. Und gerade seine großere Besonnenheit hat doch andererseits es zu Wege gebracht, daß diejenige Richtung unter den Wiedertaufern, der er angehorte, sich weiter ausgebreitet und in der alten und zumal auch in der neuen Welt erhalten hat.