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Deutsche Biographie - Mach, Ernst
Lebensdaten
1838 ? 1916
Geburtsort
Chirlitz-Turas bei Brunn
Sterbeort
Vaterstetten bei Munchen
Beruf/Funktion
Philosoph ; Physiker ; Hochschullehrer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118575767 | OGND | VIAF: 12324232
Namensvarianten
  • Mach, Ernst Waldfried Josef Wenzel
  • Mach, Ernst
  • Mach, Ernst Waldfried Josef Wenzel
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Zitierweise

Mach, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575767.html [14.06.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann (1805?79), Gutsbes. in Sladenegg (Krain), zeitweilig Pflanzenzuchter, S d. Webers u. Musikers Joseph in Liebenau b. Reichenberg u. d. Johanna Horbe;
    M Josepha (1813?69) T d. erzbischofl. Rentmeisters Wenzel Lanhauß in Ch. u. d. Theresia Merkl;
    ? Graz 1867 Luise (1845?1919), T d. Kajetan Marußig, Rechnungsrat d. Staatsbuchhaltung in Graz, u. d. Carolina Walcher;
    4 S , 1 T u. a. Ludwig (1868?1951), Physiker, Felix (1879?1933), Maler, Viktor (1881?1940), Fabr. v. mechan.- math. Instrumenten.

  • Biographie

    M. wuchs auf dem Gut seiner Eltern in Untersiebenbrunn bei Wien auf. Bis zum Alter von 10 Jahren wurde er ausschließlich durch seine Eltern geschult. Gemeinsame Naturbeobachtungen mit dem Vater und die Lekture klassischer Texte beeinflußten seine intellektuelle Entwicklung maßgeblich. 1848 trat er in das Benediktiner-Gymnasium in Seitenstetten ein. Nach einem Jahr wurde die dortige Ausbildung des als ?sehr talentlos“ eingestuften Knaben jedoch wieder abgebrochen, worauf ihn sein freidenkerischer Vater weiterbildete. Außerdem absolvierte M. eine Lehre als Kunsttischler. Nach einer Aufnahmeprufung kam er 1853 in die 6. Klasse des Piaristen-Gymnasiums in Kremsier (Mahren), wo er zwei Jahre spater die Matura ablegte. Im Herbst 1855 nahm er an der Univ. Wien das Studium der Physik, Philosophie und Mathematik auf, das er 1859/60 mit einer Promotion ?Uber elektrische Entladung und Induktion“ abschloß. 1861 ernannte die Wiener Universitat M. zum Privatdozenten ohne Besoldung. Seine Bewerbung um die vakante Professur des erkrankten Doktorvaters, A. v. Ettinghausen, blieb jedoch erfolglos, so daß er 1864 einen Ruf auf den Lehrstuhl fur Mathematik in Graz annahm, der 1866 in eine Professur fur Physik umgewandelt wurde. 1867 ubernahm M. an der Univ. Prag die Professur fur Physik. Dort hatte er die Funktionen des Dekans der Philosophischen Fakultat (1872/73) und, nach seiner Ernennung zum Regierungsrat (1876), das Amt des Rektors (1879/80) inne. Nach der Teilung der Prager Universitat war M. 1883/84 erster Rektor der Deutschen Universitat. 1895 trat er in Wien eine Professur fur ?Philosophie, insbes. Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften“ an ? seinen Lehrverpflichtungen konnte er allerdings seit 1898 nicht mehr nachkommen, da er nach einem Schlaganfall halbseitig gelahmt war; 1901 trat er offiziell von seiner Professur zuruck. Bis 1913 lebte M. in Wien und zog dann zu seinem altesten Sohn Ludwig nach Vaterstetten bei Munchen, wo er die letzten Lebensjahre verbrachte.

    Bereits kurz nach Abschluß seiner Promotion widmete sich M. Untersuchungen zur Kontroverse zwischen einem seiner akademischen Lehrer, J. Petzval, und dessen Vorganger, Chr. Doppler. Durch genaue Bestimmung des Einflusses der Bewegung von Sender und Empfanger akustischer Signale relativ zueinander auf die gemessene Frequenz kam M. zu einem strengen experimentellen Nachweis des damals noch heftig umstrittenen Dopplerschen Gesetzes (?Uber die Anderung des Tones und der Farbe durch Bewegung“, 1860/62). Gleichzeitig lieferte er eine brillante Analyse der bis dahin vorhandenen Mißverstandnisse und Unklarheiten und wies auf die Anwendbarkeit des Dopplerschen Gesetzes zur Bestimmung der Relativgeschwindigkeit von Fixsternen hin. In Graz studierte der junge Privatdozent u. a. Funkenwellen, Gas- und Flussigkeitsdynamik sowie Effekte der Akustik und Spektroskopie. Seine wichtigsten experimentellen Untersuchungen fuhrten zu den ersten Photographien schnell fliegender Projektile, deren Verdichtungskegel in der Luft er mit der Toeplerschen Schlierenmethode sichtbar machen konnte. Seine Beobachtungen ergaben, daß der Sinus des Offnungswinkels des Kegels dem reziproken Verhaltnis der Projektilgeschwindigkeit (v) zur Schallgeschwindigkeit (v c ) gleich ist. Dieser Sachverhalt wurde als ?Machsches Gesetz“, das den ?Mach-Winkel“ und die ?Mach-Zahl“ v/v c verknupft, bekannt. Die Mach-Zahl wurde im Flugwesen ferner zur Einheit von Geschwindigkeitsangaben fur schnellfliegende Objekte.

    Studien zur Momentphotographie fuhrten M. auch zu anderen optischen Experimenten (Beugung von Licht, Newtonsche Ringe, sowie seit 1904, zusammen mit seinem Sohn Ludwig, Interferenzerscheinungen des polarisierten Lichtes und Phasenanderung durch Reflexion). Inwiefern M. noch an den von Ludwig Mach geplanten Untersuchungen uber den Einfluß von Masseverteilungen auf die Lichtausbreitung und -geschwindigkeit teilnahm, ist bislang ungeklart, da eventuell erhaltene Resultate nicht bekannt wurden. Mit dem 1872 erschienenen Buch ?Die Geschichte und die Wurzel des Satzes von der Erhaltung der Arbeit“ legte M. seine erste ?historisch-kritische“ Studie vor, in der er (ebenso wie spater in seiner ?Mechanik“, der ?Warmelehre“ und der ?Optik“) wissenschaftliche Sachverhalte (wie hier den der Energieerhaltung) durch die zu ihrer Entdeckung fuhrende Geschichte entwickelte und verstandlich machte. Im Gegensatz zu zeitgenossischen Lehrbuchern, die den referierten Stand der Forschung als endgultig und unumstoßlich interpretierten, verband M. mit seiner Darstellungsform die Vorstellung unaufhorlicher Modifizierbarkeit und Optimierbarkeit des erreichten Forschungsstandes. Dies gab ihm auch die gedankliche Freiheit, die von seinen Zeitgenossen fur unkritisierbar gehaltenen Bestimmungen Newtons anzugreifen. Schon in seiner 1868 veroffentlichten, aber damals nicht beachteten Schrift ?Uber die Definition der Masse“, ausfuhrlicher dann in seiner ?Mechanik“ (1883), kritisierte M. die Newtonsche Massendefinition (?Die Große der Materie wird durch ihre Dichtigkeit und ihr Volumen vereint gemessen“) als zirkular, da die Dichte nichts anderes sei als Masse geteilt durch Volumen, und schlug statt dessen vor, das Massenverhaltnis zweier Korper durch die wechselseitig hervorgerufenen Beschleunigungen zu definieren, also nur auf funktionale Zusammenhange zwischen beobachtbaren Großen (Kraft und Beschleunigung) zu rekurrieren. Ferner kritisierte M. im Abschnitt ?Zur Kritik der Newtonschen Aufstellungen“ dessen Hypothese, daß beschleunigte Bewegungen relativ zum absoluten Raum sich durch das Auftreten von Kraften von unbeschleunigten Bewegungen unterscheiden ließen. Wiederum fuhrte ihn sein phanomenalistischer Ausgangspunkt zu der Forderung, Kraftefreiheit von Massen nur auf andere beobachtbare Phanomene zuruckzufuhren, namlich auf die Abwesenheit von Beschleunigungen gegenuber den Massen der Fixsterne und nicht auf die Wirkung eines unbeobachtbaren und deshalb ?metaphysischen“ absoluten Raumes. Dieses Postulat, daß das Tragheitsverhalten von Massen auf die Massenverteilung des umgebenden Universums zuruckzufuhren ist, wurde spater von Einstein als das ?Machsche Prinzip“ bezeichnet. Es war von großer heuristischer Bedeutung bei der Formulierung der Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitatstheorie Einsteins. Wie dieser 1916 in seinem Nachruf auf M. ausfuhrte, war M. , der in seiner ?Mechanik“ die durchgangige Relativitat aller Bewegung aus sensualistischen Pramissen heraus bereits klar erkannt hatte, nur deswegen nicht selbst zu einer ?Allgemeinen Relativitatstheorie“ gekommen, weil es ihm nicht gluckte, die dem Tragheitsverhalten von Korpern zugrundeliegende Struktur der Raum-Zeit geradlinige, gleichformige Ausbreitung) in einen expliziten Zusammenhang mit der Massenverteilung zu bringen. Dies gelang erst Einstein durch die Heranziehung des Tensorkalkuls (Ricci, Levi-Civita) und der nichteuklidischen Geometrie (Riemann), deren Bedeutung M. nicht erkannt hatte.

    Die in M. s Werk ?Principien der Warmelehre“ (1896) vorkommenden kritischen Bemerkungen zum Atomismus entsprangen ebenso wie die Kritik an Newton seinem phanomenalistischen Ausgangspunkt. Fur M. war die atomare Konstitution der Materie angesichts der damals noch nicht ausreichend vorhandenen direkten experimentellen Belege nicht mehr als eine Arbeitshypothese, deren Nutzlichkeit fur die Chemie und Physik er niemals bestritt. Die Interpretation der Atome als reale Struktur der Materie, wie sie von den Wiener Physikern J. Stefan und L. Boltzmann vertreten wurde, lehnte er hingegen als unuberprufbar ab.

    Nach M. s Tod veroffentlichte Ludwig Mach 1921 den 1. Band der ?Prinzipien der physikalischen Optik, historisch und erkenntnispsychologisch entwickelt“, in dessen Vorwort sich M. , der von seinen Anhangern zu dieser Zeit als Vorlaufer der Relativitatstheorie gefeiert wurde, uberraschend von einer ?immer dogmatischer anmutenden Relativitatslehre“ distanzierte. Jungste Forschungen zeigen jedoch, daß dieses Vorwort mit großer Wahrscheinlichkeit von seinem Sohn verfaßt worden ist.

    Unter dem Einfluß E. Du Bois-Reymonds und G. Fechners sowie insbesondere des Wiener Physiologen Ernst Wilhelm v. Brucke konzentrierte sich M. in seinen Wiener und Grazer Dozentenjahren auf sinnesphysiologische Studien (Uber das Sehen von Lagen und Winkeln durch die Bewegung des Auges, 1861) sowie Untersuchungen zur physiologischen Akustik (1863?65). Seine Forschungen zur Wahrnehmung von Zeitverlaufen anhand schwingender Pendelpaare (1863) erbrachten Abweichungen vom Fechnerschen Gesetz, das eine Proportionalitat der Empfindungsintensitat zum Logarithmus der physikalischen Reizstarke behauptet. Mit diesem Ergebnis gab M. nicht nur den Glauben an die Allgemeingultigkeit des Fechnerschen Gesetzes auf; er verband mit dem nur fur mittlere Reizstarken gultigen Gesetz in der Folgezeit auch eine andere Interpretation: ?Die Fechnersche psychophysische Fundamentalformel erscheint demnach nicht als etwas Fundamentales, sondern als erklarbares Ergebnis organischer Einrichtungen“. Studien zu raumlich verteilten Lichtreizen (1865 f.) fuhrten ihn zur Verwerfung des seit Helmholtz in der Psychophysik geltenden Prinzips der eindeutigen Zuordnung von lokal definierten Reizen zu entsprechenden Empfindungen. Eine wichtige, spater mit dem Terminus ?Mach-Bander“ bezeichnete Beobachtung betraf die Hemmung bzw. Verstarkung der Wahrnehmung von Lokalreizen durch Umgebungsreize: bei schnell rotierenden weißen Scheiben, auf denen zum Zentrum hin sich verjungende, aber mit Knickstellen versehene schwarze Keile aufgemalt waren, traten fur den Beobachter statt der zu erwartenden stetigen Abstufung von Grautonen diskontinuierliche kreisformige Streifen auf. In Prag durchgefuhrte Studien M. s zum Gleichgewichtssinn und zu den Bewegungsempfindungen, ergaben, daß Testpersonen mit verbundenen Augen bei einer Drehbewegung lediglich die Zu- oder Abnahme der Rotationsgeschwindigkeit als Bewegung registrierten, wahrend gleichformige Rotation fur sie vom Zustand der Ruhe nicht zu unterscheiden war. Das hierfur verantwortliche Organ lokalisierte M. in den Bogengangen des Innenohres (diese Entdeckung machten, unabhangig von ihm, auch J. Breuer und C. Brown).

    Die 1886 erschienene Schrift ?Beitrage zur Analyse der Empfindungen“ ( Neudr. mit Vorwort von G. Wolters, 1985) bildete den Abschluß seiner physiologischen Studien. Die dabei gewonnene Einsicht, daß nur wahrnehmbaren Entitaten Existenz zuzuschreiben ist (?Phanomenalismus“) fuhrte M. zu seinem, in Abgrenzung von Idealismus und Realismus sich behauptenden, ?neutralen Monismus“. Dessen Grundlage sind nicht subjektive Wahrnehmungen oder objektive Gegenstande, sondern zunachst ?neutrale Elemente“, die in den verschiedenen Wissenschaften nur in jeweils andere funktionale Zusammenhange gebracht werden. Die Aufgabe von Erkenntnis im allgemeinen und von Wissenschaft als systematisierter Prazisierung des Alltagswissens erschopfte sich fur M. in dieser durch sie geschaffenen Orientierungsmoglichkeit und verbesserten Voraussagefahigkeit durch komplexitatsreduzierende Beschreibungen und Angabe funktionaler Relationen zwischen Elementenkomplexen (?Pragmatismus“). Eine weitergehende Interpretation von Naturgesetzen als Aufweis real bestehender Kausalzusammenhange zwischen Objekten lehnte M. ebenso ab wie jeden Versuch, in wissenschaftlichen Theorien mehr als nur provisorisch bleibende Beschreibungsversuche sehen zu wollen (?Theorieninstrumentalismus“).

    Bereits 1882 war M. s These von der ?okonomischen Natur der physikalischen Forschung“ publiziert worden, die er in Graz unter dem Einfluß des Nationalokonomen E. Herrmann entwickelt hatte und derzufolge wissenschaftliche Begriffe ihre Rechtfertigung nur durch die jeweils erreichte Einheitlichkeit und Okonomie der Beschreibung des Tatsachlichen erhalten (?Denkokonomie“).

    Aus seinen einzelwissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Studien entwickelte M. eine oft als ?Positivismus“ bezeichnete philosophische Position, in der

    ? empiristische Grundhaltung

    ? Orientierung an den Ergebnissen und Problemen naturwissenschaftlicher Forschung

    ? Konzentration auf Fragen der Meßbarkeit und der operationalen Definition

    ? Bestreben nach Eliminierung ?uberflussiger, metaphysischer“ Konzepte und Scheinprobleme aus der von diesen ?Ruckstanden“ zu reinigenden Naturwissenschaft

    ? Zweifel an einer von den Ergebnissen der Einzelwissenschaften unabhangigen oder gar aprioristisch diesen Vorschreibungen machenden Philosophie

    zusammengefuhrt wurden, ohne daß damit der traditionelle Systemanspruch der Philosophie erhoben wurde.

    Von M. s fruhem ?Compendium der Physik fur Mediziner“ (1863) uber seine ?Einleitung in die Helmholtzsche Musiktheorie, Popular fur Musiker dargestellt“ (1866) bis zu seinen ?Popularwissenschaftlichen Vorlesungen“ (1896 gesammelt erschienen), durchziehen M. s Werk Veroffentlichungen, in denen Ergebnisse neuerer Forschung allgemeinverstandlich einem großeren Publikum nahegebracht wurden. Bevorzugte Darstellungsmittel hierbei waren zum einen die ?Versinnlichung“ durch Demonstrationsapparate, welche oft von ihm selbst, zusammen mit seinem Mechaniker Franz Hajek, konstruiert wurden; zum anderen die historische Darlegung der Entwicklung des Wissensstandes. Anfangs waren M. s populare Vortrage seine Haupt-Einnahmequelle, spater verselbstandigte sich das darin investierte padagogische Engagement und wurde zum Vorbild fur volksbildende, wissenschaftsvermittelnde Aktivitaten in Wien wie z. B. im ?Verein Ernst Mach“ oder in den Anfangen der Volkshochschulbewegung.

    Wichtiger als einzelne, heuristisch fur die spatere wissenschaftliche Entwicklung fruchtbare oder unfruchtbare Thesen M. s war die durch seine Schriften eingeleitete Begriffs- und Grundlagenkritik in den Naturwissenschaften um die Jahrhundertwende, die ?Befreiung aus einem dogmatischen Schlummer“ (Einstein, 1916). Eine positivistische Grundhaltung war charakteristisch fur die Wissenschaftstheorie des fruhen 20. Jh. M. s Wiener Lehrstuhl, den nach ihm u. a. A. Stohr und M. Schlick innehatten, wurde zum institutionellen Angelpunkt fur den ?logischen Empirismus“ des ?Wiener Kreises“ (Schlick, Neurath, Carnap, Waismann), der sich ebenso wie der verwandte ?Berliner Kreis“ (Reichenbach, Petzoldt) und der ?Operationalismus“ (Dingler, Bridgman) vom alteren Positivismus durch starkere Berucksichtigung der Mittel formaler Logik und moderner Mathematik absetzte (?Neopositivismus“). Mit seinem Streben nach methodologischer Einheit der Wissenschaft trotz disziplinarer Vielfalt pragte M. ein Fernziel, das bis zu den Bemuhungen des logischen Empirismus um die Einheitswissenschaft weiterwirkte. Der weite Blickwinkel, unter dem M. in ?Erkenntnis und Irrtum, Skizzen zu einer Psychologie der Forschung“ (1905) das faktische Vorgehen des Wissenschaftlers beim Erschließen neuer Gesetzmaßigkeiten beschrieb, verengte sich im Ubergang von seiner Forschungspsychologie zur Forschungslogik Carnaps und Poppers und wurde in seiner Tragweite immer wieder gewurdigt.

    Die Reaktionen auf M. s philosophische Thesen reichten allein im Rahmen des Materialismus von polemischer Kritik des ?Empiriokritizismus“ durch Lenin (1909) bis zu emphatischer Zustimmung seitens Friedrich Adlers (1918). Zu Lebzeiten M. s war sein scharfster Kritiker der Physiker Max Planck, der ihm 1910 Unterschatzung der Bedeutung des theoretischen Teils der Wissenschaft, Uberschatzung und Ambiguitat der ?Denkokonomie“ sowie grundsatzliche Verkennung des Zieles naturwissenschaftlicher Forschung vorwarf, das Planck als die Beschreibung ?realer, von den menschlichen Sinnen unabhangiger“ Naturvorgange umschrieb. Spatere Diskussionen um die Ubertragbarkeit der M. schen Grundhaltung auf andere Wissenszweige ( u. a. Soziologie, Psychologie) fuhrten zu einer Verflachung des Terminus ?Positivismus“ zum pejorativen Schlagwort. Plancks Kritik zum Trotz hat sich in der | durch Bohr und Heisenberg begrundeten Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik die Konzeption M. s durchgesetzt, wonach die Aufgabe physikalischer Theorien in der Voraussage von Beobachtungen und in der Herstellung funktionaler Relationen zwischen diesen besteht.

    M. s Kritik des Ichbegriffs, der sich fur ihn in einen Knotenpunkt im Netz der Elemente aufloste, war von großem Einfluß auf den Wiener Impressionismus ( Hermann Bahr, Robert Musil) und rief auch große Resonanz im buddhistischen Kulturkreis hervor. |

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Tubingen);
    Mitgl. d. Leopoldina u. d. Ak. d. Wiss. Wien, Munchen u. Gottingen;
    Mitgl. d. osterr. Herrenhauses (1901);
    Maximilians-Orden f. Wiss. u. Kunst (1905).

  • Werke

    Weitere W u. a. Compendium d. Physik f. Mediciner, 1863;
    Btrr. z. Doppler’schen Theorie d. Ton- u. Farbenanderung durch Bewegung, 1874;
    Grundlinien d. Lehre v. d. Bewegungsempfindungen, 1875;
    Die Mechanik in ihrer Entwicklung hist. -krit. dargest. , 1883, ?1933;
    Erkenntnis u. Irrtum. Skizzen z. Psychol. d. Forschung, 1905;
    Die Leitgedanken meiner naturwiss. Erkenntnislehre u. ihre Aufnahme durch d. Zeitgenossen, in: Physikal. Zs. 11, 1910, S. 599-606, u. Scientia 7, 1910, S. 225-40. - Bibliogrr. :
    J. Thiele, E. M. Bibliogr. , in: Centaurus 8, 1963, S. 189-237 ( W-Verz. , Verz. d. Rezensionen, L ), wieder in: O. Bluh u. W. F. Merzkirch, E. M. Bibliogr. , in: Boston Studies in the Philosophy of Science 6, 1966, S. 274-90 (auch engl. L );
    O. Bluh, List of M. s educational publications, ebd. , S. 20 f.;
    J. Blackmore, A select bibliogr. , in: ders. , E. M. , 1972, S. 361-75 (auch Ztg.art., Vorworte u. entlegenere L );
    A. d'Elia, Recente bibliografia Machiana, in: Rivista Critica di Storia della Filosofia 3, 1975, S. 189-203.

  • Literatur

    H. Dingler, Die Grundgedanken d. M. schen Philos. , Mit Erstveroff. aus s. wiss. Tagebuchern, 1924;
    F. Herneck, Uber e. unveroff. Selbstbiogr. E. M. s, in: Wiss. Zs. d. Humboldt-Univ. Berlin, Math. - naturwiss. R., 6, 1956/57, S. 209-20;
    J. Thiele, Wiss. Kommunikation, Die Korr. E. M. s, 1978;
    J. Blackmore u. K. Hentschel, E. M. als Außenseiter, M. s Briefwechsel ub. Philos. u. Relativitatstheorie mit Personlichkeiten s. Zeit, Auszug aus d. letzten Notizbuch ( Faks. ) v. E. M. , 1985 ( P ). - R. Musil, Btr. z. Beurteilung d. Lehren M. s, Diss. Berlin 1908 ( Neudr. 1980);
    M. Planck, Zur M. schen Theorie d. physikal. Erkenntnis, Eine Erwiderung, in: Vj.schr. f. wiss. Philos. u. Soziol. 34, 1910, S. 497-507, u. in: Physikal. Zs. 11, 1910, S. 1186-90;
    A. Einstein, ebd. 17, 1916, S. 101-04;
    K. D. Heller, E. M. , Wegbereiter d. modernen Physik, Mit ausgew. Kapiteln aus s. Werk, 1964;
    O. Bluh, E. M. as teacher and thinker, in: Physics today, June 1967, S. 32-42 ( P ) ;
    A. d'Elia, E. M. , 1971;
    J. T. Blackmore, E. M. , His life, work, and influence, 1972 ( P ) ;
    F. Stadler, Vom Positivismus z. ? wiss. Weltauffassung“, Am Beispiel d. Wirkungsgesch. v. E. M. in Osterreich v. 1895-1934, 1982 ( W-Verz. ;
    S. 289-300: Namensliste z. Korr. M. s, erstellt v. Freiburger Ernst-Mach- Inst. ). B. d'Espagnat, Conceptual Foundations of Quantum Mechanics, 1971, Kap. 17 f.;
    Wiener Moderne, hrsg. v. G. Wunberg, 1984. - Aufsatzslgg.:
    Boston Studies in the Philosophy of Science 6, 1966;
    Symposium Freiburg, 1966;
    Synthese 18, 1968, S. 132-301;
    R. Haller u. F. Stadler ( Hrsg. ), E. M. , Btrr. z. Leben, Werk, Wirkung, 1986;
    DBJ I (u. Tl. );
    DSB VIII;
    Pogg. III-VI, VII a Suppl. ;
    OBL . -
    K. Kuhn, E. M. s Herkunft u. Abstammung, in: Heimatbildung, Reichenberg, 19, 1938, S. 268 f.

  • Portrats

    Zeichnung v. O. Pragor, 1912 (R. v. Mises Collection, Archives of the Center of History and Philosophy of Physics, American Institute of Physics), Abb. in: Physics today, June 1967, S. 33;
    Denkmal v. H. H. Peter, 1926 (Wien, Rathauspark).

  • Autor/in

    Klaus Hentschel
  • Zitierweise

    Hentschel, Klaus, "Mach, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 605-609 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575767.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA