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Kautsky, Karl
Kautsky, Karl ?(1854-1938), Politiker

Kautsky?Karl, Politiker. * Prag, 16. 10. 1854; † Amsterdam, 17. 10. 1938.  Sohn des Vorigen und der Folgenden, Bruder des Theatermalers Hans K. (s. d.). Aufgewachsen in einem Theater- und Kunstlermilieu zuerst in Prag, dann in Wien, wendete sich sein Interesse schon sehr fruh sozialen Problemen zu. Durch einen tschech. Hauslehrer hussit. Gedanken nahegebracht, wurde er radikaler Demokrat, bis die Commune von Paris im Jahre 1871 ihn zum Sozialisten machte. Noch als Student fand er Anschluß an die Sozialdemokrat. Partei Osterr. und begann in jungen Jahren eine umfangreiche schriftsteller. und Vortragstatigkeit fur seine Partei. Durch ein Buch uber die Bevolkerungsfragen wurde ein Mazen der Dt. Sozialdemokratie, Karl Hochberg, auf ihn aufmerksam und berief ihn nach Zurich zur Mitarbeit an wiss. Z., die unter dem 1878 erlassenen Sozialistengesetz das sozialist. Gedankengut in Deutschland verbreiten sollten. In dieser Tatigkeit kam K. nicht nur mit allen fuhrenden Sozialdemokraten Deutschlands, sondern sehr bald auch mit Marx und Engels in personliche Fuhlung. Er war in den achtziger Jahren zweimal langere Zeit in London, wo er mit Engels in standigem personlichen Kontakt lebte und reiche Anregung fur seine schriftsteller. Tatigkeit erhielt. 1883 begrundete er die in Stuttgart erscheinende ?Neue Zeit“ als wiss. Organ der dt. Sozialdemokratie, deren leitender Redakteur er bis 1917 blieb. Er betrachtete es als seine Lebensaufgabe, die Gedankenarbeit von Marx und Engels fortzusetzen und sie gleichzeitig zu vertiefen und zu popularisieren. Seine schriftsteller. Arbeit umfaßt neben Flugbll. und der Tagespolitik gewidmeten Artikeln auch wiss. Arbeiten von großem Umfang. Obwohl von Natur aus theoret. veranlagt, verlor er niemals die Fuhlung mit der prakt. Politik und es gab keine wichtige Entscheidung in der dt. Sozialdemokratie und in der sozialist. Internationale, zu der er nicht in maßgeblicher Weise Stellung nahm. Im sogenannten Revisionistenstreit, der ihn von seinem alten Freund E. Bernstein trennte, vertrat er die Sache des Marxismus gegen die Versuche, wesentliche Bestandteile dieser Lehre zu andern. Er blieb dieser Anschauung auch treu, als seine Bundesgenossin in diesem Kampf, R. Luxemburg, aus der russ. Revolution von 1915 Schlußfolgerungen zog, die K. als unmarxist. und als einen Ruckfall in hyperradikale primitive Methoden des Fruhsozialismus ablehnte. Dieser kurz vor dem Ersten Weltkrieg ausgebrochene Streit war nur ein Vorspiel zu den Kampfen, in die K. schon 1918 mit den Fuhrern der damals noch jungen kommunist. Bewegung, vor allem mit Lenin und Trotzkij geriet. Die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens hat er vor allem der Aufgabe gewidmet, den Marxismus vor dem zu bewahren, was er als kommunist. Entstellung und Verzerrung ansah. Gleichzeitig ist diese Epoche die Zeit einer Vertiefung seiner wiss. Leistung; seine großen Arbeiten uber die materialist. Geschichtsauffassung und die gesellschaftlichen Wirkungen des Krieges sind in ihr entstanden. K. war in den zwanziger Jahren nach Wien ubersiedelt, von hier ging er 1938 ins Exil nach Amsterdam. Seit 1890 war er verheiratet mit Luise, geb. Ronsperger (* Wien, 11. 8. 1864; † Auschwitz, 8.[?] 12. 1944). Sie erledigte einen großen Teil seiner umfangreichen Korrespondenz und war seine stilkrit. Beraterin bei allen seinen Arbeiten. Besonderen Einfluß auf ihr Leben hatte ihre Freundschaft mit R. Luxemburg, die auch den polit. Bruch zwischen K. und R. Luxemburg uberdauerte. Spater betatigte sich Luise K. auch selbstandig schriftsteller. Von bleibendem Wert sind ihre Ausgaben von Briefen R. Luxemburgs. Luise K., die ihren Mann 1938 ins Exil nach Amsterdam begleitete, wurde dort wenige Wochen nach ihrem 80. Geburtstag von der Gestapo verhaftet und ins KZ nach Auschwitz gebracht.

W.: Der Einfluß der Volksvermehrung auf den Fortschritt der Ges., 1880; Karl Marx’ okonom. Lehren, 1887; Friedrich Engels, 1887; Die Klassengegensatze im Zeitalter der franzos. Revolution, 1889; Das Erfurter Programm, 1892; Parlamentarismus und Demokratie, 1893; Die Vorlaufer des neueren Sozialismus, 1895; Die soziale Revolution, 1902; Ethik und materialist. Geschichtsauffassung, 1906; Der Ursprung des Christentums, 1908; Vermehrung und Entwicklung in Natur und Gesellschaft, 1910; Der polit. Massenstreik, 1914; Rasse und Judentum, 1914; Die Vereinigten Staaten Mitteleuropas, 1916; Kriegsmarxismus, 1918; Demokratie oder Diktatur, 1918; Terrorismus und Kommunismus, 1919; Die Internationale, 1920; Die proletar. Revolution und ihr Programm, 1922; Die materialist. Geschichtsauffassung, 2. Bde., 1927; Der Bolschewismus in der Sackgasse, 1930; Krieg der Demokratie, 1932; Aus der Fruhzeit des Marxismus (Engels Briefwechsel mit K.), 1935; Sozialisten und Krieg, 1937; etc.
L.: Autobiograph. Skizze, in: Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart, 1924; K. Korsch, K. und die materialist. Geschichtsauffassung, in: Archiv fur die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung 14, 1929, S. 179 ff.; W. Blumenberg, K. K.s literar. Werk. Eine bibliograph. Ubersicht, 1960; W. Kosch, Biograph. Staatshdb., Lfg. 7, 1960; Masaryk 3; Otto 14, 28, Erg. Bd. III/1; Wer ist’s? 1922.
PUBLIKATION: OBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 13, 1963), S. 274f.