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Eine Ehrenrettung der Demokraten der Weimarer Republik: Deutsche Tage

Eine Ehrenrettung der Demokraten der Weimarer Republik: Deutsche Tage

Aus der Geschichte lernen, den Anfangen wehren, sich der historischen Wurzeln bewußt werden nicht mude werden die Vertreter des Staates, den Glauben an die Lehren aus der Vergangenheit zu formulieren. Oft steckt hinter dem Erinnern einer bedruckenden Epoche jedoch auch der Wunsch nach Differenzierung, nach Richtigstellung, Lauterung. So ist es auch bei der SPD. Deren ehemaliger Vorsitzender Hans-Jochen Vogel und der Historiker Klaus Schonhoven sind unter die Erinnerer und Denkmal-Errichter gegangen. Sie sind Herausgeber einer Publikation, die sich "auch als eine Ehrenrettung fur das demokratische Deutschland in der Zwischenkriegszeit" verstanden wissen will. Ihr Buch "Fruhe Warnungen vor dem Nationalsozialismus" wurde angeregt und unterstutzt vom Verein "Gegen Vergessen Fur Demokratie", dessen Vorsitzender Vogel ist. Nach einem Vorwort der beiden Herausgeber und einer historischen Einfuhrung von Schonhoven, finden sich in zehn Kapiteln Reden von uberwiegend sozialdemokratischen Landtags- und Reichstagsabgeordneten, aber auch von Vertretern des Linksliberalismus und politischen Katholizismus, die zwischen 1922 und 1933 vehement auf die Gefahren des Nationalsozialismus hinwiesen. Den Abschluss bilden Kurzbiografien der Redner sowie eine tabellarischen Darstellung der Verfolgungsschicksale von Reichstagsabgeordneten in der NS-Zeit. Fruhe DiagnosenEindrucksvoll an dieser Quellenkompilation ist, mit welcher Klarheit und Scharfe republiktreue Parlamentarier schon fruh die Ideologie der Nationalsozialisten einschatzten und benannten; wie prazise etwa der SPD-Abgeordnete Franz Klingler im Bayerischen Landtag bereits im November 1922 die Gewaltaktionen der Nazis beim sogenannten "Deutschen Tag" in Coburg, beschrieb. Er prangerte die "schrankenloseste Vergewaltigung der sich zur Republik bekennenden Kreise" durch die "nationalsozialistische Arbeiterpartei" an und forderte abschließend von der Bayerischen Regierung ein scharfes Vorgehen gegen Hitlers "zugellose Demagogie". Erhard Auer, ebenfalls Sozialdemokrat, ekelte sich, ebenfalls 1922 schon, vor "den Rezepten des wildesten Antisemitismus", wie sie die NSDAP propagiere.Ob es im Weiteren um Hitlers Munchner Putschversuch geht oder um die Berufung des spateren Reichsinnenministers Wilhelm Frick zum thuringischen Innen- und Volksbildungsministers im Jahr 1930: Das Bemuhen der Parlamentarier um eine differenzierte und argumentativ vorgetragene Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten beeindruckt. Es fuhrte auch vordergrundig zur gewollten Ehrenrettung demokratischer Politiker dieser ersten deutschen Republik wenn nicht dieses "historisches Lesebuch" mehr Fragen stellte als Antworten zu geben. Weimarer Selbstaufgabe?Der Anlass, dem angeblich weit verbreiteten Urteil uber die Weimarer Republik, sie sei "eine Demokratie ohne Demokraten, eine Republik ohne Republikaner" (Ernst Troeltsch), entgegenzutreten, ist ehrbar, auch wenn die Unterstellung zumindest fur die historische Forschung kaum mehr zutrifft. So hat etwa Heinrich August Winkler in seiner Geschichte der Weimarer Republik (1993) die These von der "Selbstaufgabe der Weimarer Demokratie" verworfen jedoch nicht, ohne der SPD eine Mitschuld am Scheitern zu geben. Ja selbst Klaus Schonhoven schreibt in seiner historischen Einfuhrung, dass das Bild der durchweg "wehrlosen Demokratie" mittlerweile revidiert sei. Dies andert jedoch nichts daran, dass die demokratischen Krafte unfahig waren, die Weimarer Republik zu retten.Warum aber dann dieses Buch, das der Forschung keine neuen Erkenntnisse bringt und fur Laien kaum geeignet ist, die komplexen politischen Zusammenhange zu verstehen? Denn die angeblich "exemplarischen Reden", die nur von kurzen Einleitungen begleitet werden, geben kein annahernd vollstandiges Bild der politischen Einschatzungen der Zeit. So kann auch Henry A. Turners Vorwurf der "fatalen Fehldeutung von Hitlers Partei" durch die SPD nur in Maßen revidiert werden denn schließlich finden sich auch hier immer wieder Zitate, die die Verharmlosung der Nazis als bloße "Schildknappen und Schleppentrager des kapitalistischen Unternehmertums" (Rudolf Breitscheid, SPD, Februar 1932) belegen.Klaus Schonhoven/ Hans-Jochen Vogel: Fruhe Warnungen vor dem Nationalsozialismus. Ein historisches Lesebuch. Mit einem Geleitwort von Rita Sussmuth. Dietz Verlag, Bonn 1998. 400 S., 39,80 Mark.