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Daniel Vischer ist tot | Tages-Anzeiger
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Daniel Vischer ist tot

Der ehemalige Nationalrat der Grunen wurde fur seine klare Meinung und offene Haltung geschatzt. Er erlag einen Tag nach seinem 67. Geburtstag einer schweren Krankheit.

Daniel Vischer politisierte als Zürcher Nationalrat von 2003 bis 2015 im Bundeshaus.
Daniel Vischer politisierte als Zurcher Nationalrat von 2003 bis 2015 im Bundeshaus.
Peter Klaunzer, Keystone
1979 war Daniel Vischer noch Sekretär der Poch (Progressive Organisationen der Schweiz). 1990 wechselte er zu den Grünen des Kantons Zürich.
1979 war Daniel Vischer noch Sekretar der Poch (Progressive Organisationen der Schweiz). 1990 wechselte er zu den Grunen des Kantons Zurich.
Keystone
Daniel Vischer ist am 16. Januar 1950 in Basel geboren. Er starb einen Tag nach seinem 67-jährigen Geburtstag an Krebs.
Daniel Vischer ist am 16. Januar 1950 in Basel geboren. Er starb einen Tag nach seinem 67-jahrigen Geburtstag an Krebs.
Dominique Meienberg
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Er war interessant, denn er war interessiert. Was der FCB gegen Bayern verhauen hatte, konnte er bis auf einzelne Fehlpasse hinunter analysieren. Man sah ihn regelmassig im Schauspielhaus, er liebte das Theater, hatte in Basel bei Werner Duggelin als Komparse und Regieassistent dilettiert. Was seine beste Rolle gewesen sei, fragte man ihn. ≪Eine Leiche≫, sagte er. Wenn man mit ihm abmachte und auf ihn wartete und er beim Eintreten sah, was fur ein Buch man las, dann kannte er Monika Maron auch; nicht nur, weil sie aus der DDR stammte.

Und kaum war er abgesessen und hatte man bestellt, ging es los, das Gesprach mit ihm, und man hatte am Ende des Abends verschlungene Wege auf der Karte der Gedanken, Ideen, Vorschlage und Absurditaten zeichnen mussen, um all dem gerecht zu werden, was er sagte, was ihm einfiel, was er diskutieren wollte, was er gelesen, gehort, erfahren und gelernt hatte, womit er uberhaupt nicht einverstanden war, und das war eine Menge, gerade auch bei denen, die ihm politisch nahestanden.

Er fragte auch viel, unublich fur einen Politiker, denn er wollte die andere Meinung horen. Daniel Vischer liebte die Politik, den Fussball und die Debatte, und da er auch den Klatsch uber alles schatzte, war man am Ende eines Abends mit ihm weitergebildet und bestens unterhalten. In seinem Buro standen ein Billardtisch, eine Jukebox und eine Bar mit Kuhlschrank. Er lachte viel und laut, sein Haar stoppelte in alle Richtungen. Er war ein spielerischer Mensch.

Der Protestant

Dabei begann sein Leben protestantisch ernst. Er war doppelt gezeichnet, wenn man so will, sein Vater war ein Vischer und seine Mutter eine Sarasin, also wuchs er, am 16. Januar 1950 als Altester von drei Kindern geboren, in einer burgerlichen Familie auf. Sein Vater war ein hoch angesehener liberaler Jurist und Rektor der Basler Uni, seine Mutter Krankenschwester. Die Familie scheint den Sohn weniger gepragt zu haben als die Religion. Vischer empfand den Protestantismus seiner Heimatstadt, diese strenge Kombination aus sudbadischem Pietismus und Calvinismus, als ≪unheilvolle Ecke≫, wie er der ≪Basler Zeitung≫ einmal sagte, das Leben kam ihm vor ≪wie ein ewiger Karfreitag≫. Haufig redete er von seinem Vater, der erst vor kurzem mit 92 Jahren verstarb. Bis zuletzt fragte sich der Sohn, ob er den vaterlichen Anspruchen genugt hatte. Auch in den unveroffentlichten Memoiren, an denen Vischer arbeitete, kommt diese Frage immer wieder: Mache ich es gut genug?

Dazu passt, dass er ein fauler Schuler war, der sich mehr fur Madchen als fur Mathematik interessierte und am liebsten in den Spielsalon ging, um zu flippern. Dazu passt nicht, dass er die Matur trotzdem schaffte, Jus studierte, das Anwaltspatent machte und sich auf Strafrecht, Arbeitsrecht und Scheidungsrecht spezialisierte. Dabei half er auch Klienten, deren Absicht er nicht teilte.

Der Rhetoriker

Dass er es gut genug machte, zeigt auch seine politische Laufbahn, der Aufstieg eines Renitenten von einer linksradikalen Lokalpartei zu einem landesweit bekannten, auch von seinen politischen Gegnern geschatzten Politiker. In seiner Jugend las Vischer Marcuse, Marx, Brecht und andere Linke und half mit, die Progressive Organisation Schweiz (Poch) zu grunden. Im Kampfjahr 1968 wurde er zu ihrem Sekretar. Die Poch expandierte von Basel in andere Stadte, Vischer expandierte mit. Obwohl er sein Leben lang ein kompletter Basler blieb, ging ihm der ≪Bebbiismus≫ auf die Nerven, wie er den Chauvinismus seiner Stadt bezeichnete.

Er selber wohnte mit seiner Frau und zwei Kindern in Zurich, wurde 1983 in den Kantonsrat gewahlt, dem er bis 2003 angehorte. 1990 wechselte er zu den Grunen, obwohl ihm Gerechtigkeit wichtiger war als Energiebilanz. Mit seiner brillanten Rhetorik, seiner Kompetenz und seinem Humor fiel er im Rat schnell auf. Der linke Sturmer war auch bei Journalisten beliebt, weil er sich immer Zeit nahm zum Erklaren, sogar wenn man ihn gar nicht zitierte. Am meisten zitiert wurde er als Prasident der VPOD Luftverkehr, das war nach dem Grounding der Swissair im Herbst 2001, und die ganze Schweiz lernte den hartnackig kritischen Daniel Vischer kennen. Zwei Jahre spater wahlten ihn die Zurcherinnen und Zurcher zum Nationalrat, wo er bis Ende 2015 aktiv war, unter anderem als Prasident der Rechtskommission.

Der Linke

Wie kritisch sah er sich selber? Dass er in seiner Jugend palastinensische Terroristen und Diktatoren aller Gattung toll fand, von Castro uber Ghadhafi und Kim Il-sung bis Tito, dass er sich auf einen DDR-Spion eingelassen hatte: Er hat es nie geleugnet. Er hat sich auch mit Leidenschaft fur Palastina engagiert. Vischer reiste nach Kuba, Libyen und sogar Nordkorea, Amerika hat er nie gesehen. Seine Haltung sei eine libertare gewesen, rechtfertigte er sich in der NZZ. So hat man ihn selber erlebt: als Linken, der die Linken kritisch sah, gerade weil er zu ihnen gehorte. Protestantische Selbstprufung auch hier, durch Selbstironie gemildert.

Am Dienstag ist Daniel Vischer im Zurcher Universitatsspital gestorben. Tags zuvor konnte er daheim mit seiner Frau Bettina und den beiden Kindern den 67. Geburtstag feiern. ≪Wir haben schon gespurt, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt≫, sagt seine Frau. Ihr Mann litt seit Jahren an Krebs, ausgerechnet jener Krankheit, vor der er sich hypochondrisch sein ganzes Leben lang gefurchtet hatte. Er musste sich operieren lassen und sich einer standigen Chemotherapie unterziehen, nahm es aber mit Gleichmut und Humor. Beklagt hat er sich nie, hochstens geredet daruber und das nicht mit jedem. Wo er denn gesteckt habe, fragte man ihn beim letzten Znacht, das war vor ein paar Monaten. ≪Ich bin fast gestorben≫, sagte er. Lachte laut. Und bestellte.

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