Von Seiten der Fanbetreuung trafen wir uns im Juli 2015 mit Norbert Thines (1977-1984 Geschaftsfuhrer, 1985-1988 Vize-Prasident und 1988-1996 Prasident des FCK) zu einem Interview uber die Fanarbeit und Fans beim 1. FC Kaiserslautern. Bei der Beantwortung unserer Fragen gab Norbert Thines nicht nur stumpfe Antworten, sondern erganzte mit leuchtenden Augen auch die ein oder andere Anekdote.
Nun habt ihr nach einer langen Aufbereitungsphase die Moglichkeit Euch das Interview zu den Anfangen der Fanarbeit in Kaiserslautern durchzulesen. Viel Spaß!
Historie und Entstehung der Fanclubs und Organisationsstrukturen
Herr Thines, welche Erinnerungen haben Sie an die Anfange der Fanarbeit beim FCK, als Sie zum ersten Mal 1977 ein Amt im Verein ubernahmen?
Als ich mich damals beim FCK um die Stelle als Geschaftsfuhrer bewarb, war Willy Muller Prasident. Er pflegte einen eher autoritaren Stil. In einer unserer ersten Unterredungen meinte er zu mir: ?Wir haben da so ein paar Dummkopp und Ubergescheite, die wollen sich irgendwie ins Gesprach bringen und wollen uns andere Dinge aufzwingen, die uns nicht passen und so Fanclubs grunden“. Da ich dem damals schon positiv gesonnen war, habe ich immer, wenn ich Herr Muller sah gefragt: ?Haben Sie es sich nochmal uberlegt“? Alle vorhandene Korrespondenz sollte ungelesen weggeschmissen werden, was ich aber nicht tat. Das war der Anfang, denn wenn ich was im Kopf habe, will ich es auch durchsetzen. Das hat dann aber nicht lange gedauert und Muller sagte zu mir: ?Du machst ja doch was du willst, dann mach doch grad“. Das war die Stunde, in der sich zahlreiche Fanclubs nacheinander gegrundet haben. Wir haben dann festgestellt, dass wir gute Strukturen benotigen, um die Fanclubs zu unterstutzen, so dass dann die Fanregionen gegrundet wurden, die ihre Vorstande gewahlt haben.
Welche Motivation hatten Sie, Fans sich in Fanclubs organisieren zu lassen und eine Organisation voranzutreiben? Sahen Sie damals einen Mehrwert fur Fans und Verein?
Der Mehrwert einer organisierten Fanszene war fur Fans und Verein sehr groß. Eine gegenseitige Akzeptanz war da und Beruhrungsangste konnten minimiert werden. Ich habe damals auch immer wieder Kontakt mit den Vorsitzenden gesucht und geholfen verschiedene Dinge zu organisieren. Wo fruher ein Auto mit 4 Personen aus dem Westerwald zu den Spielen kam, kam als Ergebnis unserer Bemuhungen plotzlich ein ganzer Bus aus dem Westerwald.
In den 90er Jahren veranstalteten wir unter dem Motto ?FCK-Fans fur Europa“ ein großes Fanclubtreffen auf der Burg Lichtenberg bei Kusel, bei dem auch zahlreiche internationale Reporter anwesend waren. Spater wurde uns attestiert, dass der FCK hier viel fruher und schneller als andere Bundesliga-Vereine auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert hat. Wir hatten in unserer Fanarbeit eine echte Vorreiter-Rolle.
?Wenn die Westkurve uns von den Fahnen geht, dann wurde es ganz bose werden bei uns.“
Die erste Fanclub-Veranstaltung fand im Marz 1977 statt. 44 Fanclubs und rund 100 Teilnehmer waren damals anwesend. Anschließend gab es alle drei Monate solche Treffen. Wer hat diese organisiert, welche Themen wurden besprochen und wie viele Fans/Fanclubs nahmen an diesen Treffen teil?
Auswartsfahrten spielten damals eine große Rolle, da es dort eine wahnsinnige Entwicklung gab. Es fuhren ganze Busse mit FCK-Fans aus allen verschiedenen Ecken, wo anfangs nur einzelne Autos gefahren sind.
Ein Schwerpunkt war auch das Einberufen von Arbeitseinsatzen ? vor allem an Samstagen in der Sommer- oder Winterpause. Der FCK hatte zu dieser Zeit kaum Geld. Insbesondere Dinge rund ums Stadion haben wir dann selbst angepackt, wie zum Beispiel das Schneiden von Hecken und Baumen, das Streichen von Wanden oder Durchfuhren kleinerer Reparaturen.
Wie kam es dazu, dass mit Werner Suß der erste Fanbeauftragte eingestellt wurde? Welche Aufgaben ubte er insbesondere aus?
Als im Verein etwas mehr Professionalitat Einzug hielt, stellten wir fest, dass wir auch fur die Kontaktpflege mit den Fans, Fanclubs und dem Fanbeirat einen qualifizierten Mann benotigten. Werner Suß war einer, der genau diese Dinge gut und verlasslich machte. Daher wurde er damals als stellvertretender Geschaftsfuhrer eingestellt, was eine große Entlastung fur mich war. Er hat in seiner Zeit großartige Arbeit fur den Verein und die Fans geleistet.
In der heutigen Zeit ist die Inklusion von behinderten Menschen nicht mehr weg zu denken. Im Fritz-Walter-Stadion gibt es neben den 100 Platzen fur Rollstuhlfahrern auch separate Platze fur sehbehinderte Fans. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Entwicklung im Umgang mit Fans mit Handicap?
Ich bin froh und dankbar, dass Themen wir Barrierefreiheit und Inklusion heute selbstverstandlich sind. Als das Thema ?Barrierefreiheit“ losging, besagten die DFB-Auflagen, dass im Stadion zwischen 30 und 35 Rollstuhlfahrerplatze vorhanden sein mussen. Bei dem Bau der neuen Tribune wollte der Architekt zunachst komplett auf diese Platze verzichten, um die Tribune naher an das Spielfeld zu ziehen und mehr Einnahmen generieren zu konnen.
Ich sagte dann aber, dass wir gleich 100 Platze bauen mochten und diese auch menschenwurdig fur die Rollis und ihre Begleitpersonen sein sollen. Dies war genau der richtige Weg, da die Platze damals wie heute immer ausverkauft waren.
Werte und Besonderheiten
Durch welche Werte zeichneten sich die FCK-Fans schon immer besonders aus?
Damals waren auch ein paar ?bose Buben“ mit dabei. Aber genau um diese habe ich mich auch gekummert. Zwar haben wir zunachst auch einige rausgeworfen, diese aber spater auch wieder zuruckgeholt. Als Prasident und durch viele Kontakte konnte ich helfen, vielen jungen Leuten, die auf eine schiefe Bahn geraten waren, eine zweite Chance zu geben. Junge Leute konnten dadurch wieder eine Existenz aufbauen.
Welches sind die wichtigsten Werte, die die FCK-Fans und Fanclubs idealerweise auszeichnen?
Eine Fanszene und die Fanclubs eines Vereines bestehen aus den unterschiedlichsten Typen, Charakteren, Generationen mit unterschiedlichen sozialen und beruflichen Hintergrunden. Man wird zwar nie alle Fans ?unter einen Hut bekommen“, kann aber selbst immer mit einem guten Beispiel vorangehen. Man kann nicht von jedem Menschen Perfektion verlangen, aber man sollte sich immer Probleme anhoren und versuchen etwas fur die Gemeinschaft zu tun.
Wie wurden Sie die Diskussionskultur und den Austausch innerhalb der Fanclub-Gemeinde von fruher beschreiben?
Hier hat sich im Gegensatz zu fruher ganz viel verandert ? vor allem durch technische Neuerungen. Vor kurzem musste ich selbst neue Erfahrungen machen, als nach einem Engagement von mir fur Fluchtlinge zahlreiche Beleidigungen uber Facebook eingingen. Diese Art der Kommunikation gibt es bei mir nicht, daher habe ich alle eingeladen, sich personlich mit mir zu treffen, um die verschiedenen Meinungen zu diskutieren. Von den Schlechtrednern war dann keiner da. So, wie sich die technischen Moglichkeiten verandert haben, hat sich auch viel in der Fankurve geandert.
Welche Fanaktionen, Aktivitaten oder Ereignisse rund um die FCK-Fans sind Ihnen noch heute in besonderer Erinnerung?
Da konnte ich ganze Bucher schreiben. Bei einem Spiel zum Beispiel ist ein schottischer Fan in der Osttribune gesturzt und hat sich das Genick gebrochen. Er war nicht versichert, alleine unterwegs und hatte große Schmerzen. Ich war dann den ganzen Tag im Krankenhaus bei ihm, bis er wieder einigermaßen mobil war. Da niemand ihn in seinem Zustand zum Flughafen nach Frankfurt fahren wollte, habe ich das dann selbst ubernommen. Trotz der sprachlichen Barrieren bestand noch einige Jahre ein Briefkontakt.
Neben den in Deutschland ansassigen Fanclubs gibt es auch FCK-Fanclubs in Luxemburg, Osterreich, der Schweiz, Australien, Brasilien und Bulgarien. Welche besondere Beziehung pflegen Sie zu dem Fanclub aus Tarnovo, Bulgarien?
In Tarnovo hatten wir Anfang der 90er Jahre ein Europapokalspiel. In den Tagen, als wir dort vor Ort waren, sind erste Kontakte entstanden und auch die Idee einen Hilfskonvoi zu organisieren. Damals war es etwas Besonderes, dass sich vor Ort uber das Spiel hinaus engagiert wurde. So entstand eine Art Freundeskreis, der nach außen zeigte, wie sehr der Fußball verbindet. So fand damals die Grundung des Fanclubs statt, bei dem 25 Mann anwesend waren. Noch heute halte ich Kontakt zu diesem Fanclub.
Soziales Engagement
Waren die Fanclubs von Anfang an sozial engagiert oder gab es auch Anstoße vom Verein, dass die Fanclubs dies verstarkt tun?
Als sich immer mehr Fanclubs grundeten, uberlegten wir, positive Anstoße zu leisten, um die Krafte noch besser zu bundeln. Wir setzen also pro forma eine Art Vertrag mit allen Fanclubs auf. Im ersten Abschnitt war niedergefasst, dass die FCK-Fanclubs bestmoglich bei Heim- und Auswartsspielen sowie verschiedenen Aktionen unterstutzen. Im zweiten Abschnitt vereinbarten wir, dass Fanclubs auch auf den Dorfern und in ihrer Region schauen, wo Notstande herrschen und sich fur eine Besserung einsetzen. Dies brachte uns viele Sympathiepunkte bei der Gesamtbevolkerung.
Engagement gegen Rassismus, Diskriminierung etc.
Welche fanpolitischen Aktionen und Faninitiativen sind Ihnen noch aus den 90er Jahren bekannt?
Hier erinnere ich mich gerne an zwei Aktionen. Einmal dem Kampf gegen Rassismus im Stadion und in der Gesellschaft und eine Aktion fur den Erhalt von Stehplatzen. Ich war damals der einzige Prasident, der sich gegen Vorschlage vom DFB gewehrt hat. Vielen anderen Prasidenten war das vollig egal. Das haben die Fans gewusst und so entstanden Slogans wie ?Sitzen ist fur den Arsch….“.
Damals hatten wir gute Leute in der Vereinsfuhrung, die die Fanszene auch schutzen wollten, damit sich die Fanszene in der FCK-Gemeinschaft gut aufgenommen und integriert gefuhlt hat. Auch war es zu dieser Zeit immer wichtig die Fanszene zu informieren, da es die Moglichkeiten wie heute mit Handy nicht gab.
Sonstiges
Zahlreiche FCK-Fanclubs existieren bereits seit mehreren Jahrzehnten. Andere sind uber wenige Jahre sehr aktiv und prasent und losen sich dann auf. Wo schatzen Sie liegt die großte Herausforderung fur Fanclubs?
Diese Frage ist nicht so zu beantworten, dass man das allgemein uberall anwenden kann. Es ist regional sehr unterschiedlich und hangt auch immer an den handelnden Personen. Manchmal finden sich 30 junge Leute zusammen, die wunderbar funktionieren, bis eine gewisse Fuhrungsperson abspringt. Hier ist es oftmals schwer einen Nachfolger zu finden, so dass einige Personen immer weiter machen, obwohl sie schon langst kurzertreten wollen. Das ist aber auch wichtig. Wenn man eine gute Lokomotive hat, dann geht fast alles! Wichtig ist aber auch, nicht gleich alles zu verdammen, sondern auch mal Fehler zuzulassen.
Sie haben in Ihrem Leben viele Ehrungen und Lobpreisungen bekommen. Was bedeuten Ihnen diese?
Die tollste Ehrung und Anerkennung, die ich bekommen habe, war die Choreografie, die ich durch die Fanclubs erfahren habe. Ich habe im Vorfeld absolut nichts davon gewusst ? wohl als einziger im ganzen Stadion. Als Stefan Kuntz mich dann in den Innenraum gefuhrt hat, dann abgehauen ist und ich alleine dastand und die Choreografie gesehen habe, ist es mir eiskalt den Buckel runtergelaufen. ?Dir geht es nie ums Geld ? nur um die Menschen und den geilsten Club der Welt“. Das war die tollste und ehrlichste Auszeichnung, die ich jemals in meinem Leben bekommen habe.
Bei einem Ihrer zahlreichen Interviews haben Sie einmal folgenden Satz gesagt: ?Die Westkurve ist das A&O und somit die Seele des Vereins“. Konnen Sie diese Aussage bitte naher erlautern?
Das ist wirklich so. Aus der Westkurve kommt die Motivation. Die Westkurve erweckt das Stadion zum Leben. Die Stimmung und Leidenschaft der Kurve ist unbezahlbar. Eine sturmische Stimmung zu erzeugen muss man auch erst einmal konnen.
Wo sehen Sie die großten Moglichkeiten fur Fans und Fanclubs sich in ihren Verein mit einzubringen?
Die Stimmung hat fur den Verein und die Mannschaft eine große Bedeutung. Aber auch das soziale Engagement ist fur alle Beteiligten ein ganz großer Gewinn. In dieser Art sind wir auch unserer großen Tradition verpflichtet. Wenn wir Fritz Walter & Co. Vergessen, dann hatten wir unsere einmalige Tradition verspielt. Daher bin ich auch sehr stolz darauf, dass es nun ein brauchbares Museum gibt. Hier kann man fuhlen was der FCK ist, was es bedeutet FCKler zu sein.
Im Grunde ist diese FCK-Liebe das einzige was und zusammen halt ? und auch, wenn manche rummotzen oder rumkreischen ? auch die kommen irgendwann immer wieder zuruck zu ihrem FCK!