Visionares war ihm fremd - sein Amt als Außenminister fullte Kinkel bedachtig und ruhig aus. Wichtig war ihm der enge Kontakt zu den USA, auch aus personlichen Grunden.
Von Horst Klauser, ARD-Hauptstadtstudio
Klaus Kinkel war kein lauter Mann, weder im Amt noch im Ruhestand. Dem Schwaben aus Metzingen, eigentlich ein Karrierebeamter, war gewiss nicht in die Wiege gelegt, dass er mal Außenminister werden sollte. Funf Jahre lang war er sogar Vizekanzler der Bundesrepublik.
Mitten in die Naziherrschaft wurde Kinkel geboren und erlebte so als Kind Teile der Zerstorung, das Kriegsende und die amerikanischen Besatzungstruppen, die seine spatere Haltung pragten.
"Ich bin 1936 geboren. Ich habe noch aus dem Blechnapf bei der Schulspeisung gegessen. Ich hab erlebt, was es bedeutet hat, dass sie uns den Marshall-Plan gebracht haben. Ich hab in meiner außenpolitischen Zeit mit Genscher und mit Kohl zusammen erlebt, was es bedeutet - da war die Zeit der Teilung Deutschlands -, dass die Amerikaner fur die Wiedervereinigung waren."
Und sie blieben auch spater pragend fur ihn, beispielsweise in Begegnungen mit Henry Kissinger, dem deutschstammigen fruheren US-Außenminister.
Stets an Genschers Seite
Kinkel, promovierter Volljurist, wurde nach verschiedenen Stationen im Bundesinnenministerium 1970 personlicher Referent von Hans-Dietrich Genscher, damals noch Innenminister. Genscher nahm ihn 1974 als Leiter von Leitungs- und Planungsstab mit ins Auswartige Amt.
Vor fast genau drei Jahren, im April 2016, erinnerte sich Kinkel an seinen fast legendaren Vorganger im Amt, an den beinahe ewigen Außenminister. Deutschland nahm im ehemaligen Bundestag zu Bonn Abschied von Genscher: "Das waren wahrlich große Schuhe, in die zu treten wahnsinnig schwierig war. Er hat mir dabei sehr geholfen."
Keine visionaren Etappen der deutschen Außenpolitik
Kinkel fullte diese Schuhe anders. Er war nicht der umarmende, joviale Typ wie sein Vorganger. Er war ruhig, bedachtig formulierend, abwagend. Mit Kinkels Amtsfuhrung wird man vermutlich keine visionaren Etappen der deutschen Außenpolitik verbinden.
Die Wiedervereinigung war politisch gestemmt, Deutschland gewohnte sich an seine international großer werdende Rolle als 80-Millionen-Nation im Herzen Europas. Die Anschlage von New York und Washington, als 9/11 in die Geschichte eingegangen, waren zu seiner Zeit noch nicht passiert. Die Welt war noch nicht so turbulent, wie Kinkel sie nach seiner Amtszeit mehrfach beschrieb.
Er schien sich an seinem Wohnsitz bei Bonn nicht nach seiner politischen Verantwortung zuruckzusehnen: "Dass ich in dieser sich in totaler Unordnung befindenden, quasi aus der Fugen geratenen Welt keine Verantwortung mehr tragen muss, das erleichtert mich eher. Ich sag das auch immer wieder, hab's auch kurzlich der Bundeskanzlerin gesagt."
Kritiker der FDP
Kinkel war in den letzten Jahren als gelegentlicher Gast in Talkshows oder als Redner gefragt, er schaute bisweilen sorgenvoll auf den Zustand Europas, die Zuwanderung und auch den Zustand der FDP, die er von 1993 bis 1995 eher glucklos gefuhrt hatte. Seiner Partei stand er kritisch gegenuber.
"Das Scheitern bei der letzten Bundestagswahl lag auch sehr sehr stark - glaube ich - an mangelnder Demut. Man war plotzlich - Entschuldigung - ein bisschen großkotzig unterwegs. Und das war leider Gottes gekoppelt mit mangelnder Soliditat."
Seinen Nach-Nachfolger Christian Lindner sieht er als den richtigen Mann an. Dieser wurdigte ihn heute mit den Worten, Kinkel sei ein aufrechter und bescheidener Politiker gewesen. EU-Kommissionsprasident Jean-Claude Juncker bezeichnete den gestern gestorbenen fruheren Außenminister als deutschen Patrioten und großen Europaer.
Uber dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. Marz 2019 um 12:00 Uhr.