Die Beziehungen des Reformators Martin Luther zu Halle

"Hall, du werte Stadt, der barmherzige Gott erhalte dich, dass du nicht gar versinkest, du hast je Gottes Wort geliebt, darum wird dich Gott erhalten" (Tischrede Luthers)

 

Halle als Residenz der Erzbischofe von Magdeburg, aber gelegen im unmittelbaren Wirkungsraum Luthers, zwischen Thuringen, Anhalt, und dem Brandenburgischen, war ein bedeutender Brennpunkt der reformatorischen Bewegung des 16. Jahrhunderts. Der spatere Kardinal Albrecht war fur Luther wegen der prunkvollen Zurschaustellung seines kostbaren Reliquienschatzes, der als “Hallisches Heiltum” nahezu unbegrenzt Ablass und Sundenfreisprechung versprach, ein Hauptgegner in seinem Kampf gegen den Ablasshandel. In Briefen und Schriften nannte Luther den Erzbischof nur den “Abgott von Halle” und seine Kathedrale (der hallesche Dom) das “Schandhaus zu Halle”. Albrecht bemuhte sich, Halle zu einem antireformatorischen Zentrum und durch Grundung einer Universitat zu einer Art "Gegenwittenberg" aufzubauen. Die starke romisch-katholische Prasenz behinderte lange die Einfuhrung der Reformation in Halle.

Luther verfolgte die Vorgange in Halle: Im September 1527 verfasste er die “Trostunge an die Christen zu Halle uber Herrn Georgen ihres Predigers Tod”, (jener wurde von Unbekannten ermordet), 1528 erscheint die “Trostschrift an die Christen zu Halle”, in der er die Einwohner ermutigte, sich vom ?Tyrannen“ nicht einschuchtern zu lassen, sondern fleißig zum Abendmahl zu gehen.

Prediger der Marienkirche, der neuen Hauptkirche der Stadt war 1541 Justus Jonas (1493-1555) geworden, Dekan der Theologischen Fakultat der Universitat Wittenberg, ein alter Mitstreiter Luthers, der ihn schon 1521 auf dem Reichstag zu Worms begleitet hatte. Nachdem auf dem Landtag in Calbe in einem Vergleich mit den Standen des Erzbistums Magdeburg der Abzug des Kardinals aus Halle erzwungen wurde, hielt Jonas am Karfreitag, dem 15. April 1541 die erste evangelische Predigt in Halle. Zur Erinnerung an diese Predigt schaffte Magistrat eine zweibandige Bibelausgabe (1541 durch Hans Lufft in Wittenberg gedruckt) an und lasst sie durch handschriftliche Eintragungen u. a. Luthers und Melanchthons schmucken. Diese Bibelausgabe wird heute im Stadtarchiv aufbewahrt.

Es wird angenommen, dass Luther des ofteren in Halle war, 1518 soll er sogar knapp dem Schuss eines Landsknechtes entgangen sein, verburgt jedoch sind seine Reisen nach Halle gegen Ende seines Lebens. Im Sommer 1545 weilte Luther in der Stadt und nahm Quartier im Haus ?Zum Goldenen Schlosschen“ in der Schmeerstraße 2, in dem auch Justus Jonas wohnte. (Eine Gedenktafel am Haus erinnert heute an diesen Besuch.) Am 5. August predigte er zum ersten Male in der noch im Bau befindlichen Marienkirche und wurde danach vom stadtischen Rat gastlich empfangen, bewirtet und mit einer Ehrengabe von 60 Talern ausgezeichnet, welche er fur den Bau der Marienkirche stiftete. Auch im Oktober sowie Weihnachten machte er auf der Durchreise bei seinem Freund Jonas Station. Auf der Ruckreise am 6. Januar 1546 sowie bei dem wetterbedingten Aufenthalt wahrend seiner letzten Reise ins Mansfeldische am 25. Januar predigte er wieder in der Marienkirche. Am 18. Februar 1546 starb Luther in Eisleben. Der Trauerzug, der Luthers Leichnam nach Wittenberg uberfuhrte erreichte am 20 Februar Halle und wurde uber Moritzbrucke, Alten Markt und Schmeerstraße von Geistlichkeit, dem stadtischen Rat und der rege Anteil nehmenden Bevolkerung zur Marienkirche geleitet. Hier wurde der Sarg uber Nacht in der Sakristei aufgebahrt.

Der im Dienste des halleschen Rates stehende Maler Lukas Furtenagel hatte noch in Eisleben eine Totenmaske des Verstorbenen abgenommen, welche durch Justus Jonas in den Besitz der Marienkirche gelangte. Die Maske sowie Abdrucke der Hande Luthers wurden 1663 durch den halleschen Kunstler Lucas Schone fur eine lebensgroße Lutherfigur zusammengefugt, welche zunachst in der Marienbibliothek und dann in einem Nebenraum der Marienbibliothek aufbewahrt wurde. Diese Figur gibt es heute nicht mehr, 1926 wurde die ursprungliche Totenmaske rekonstruiert. Die originalen Wachsabgusse der Totenmaske und der Totenhande werden heute in der Turmkammer der Marienkirche aufbewahrt.

Zum 400. Geburtstag Luthers 1883 wurde vom halleschen Steinmetz Emil Schober eine Reliefbuste aus Sandstein an der Ostseite der Marienkirche zwischen den Hausmannsturmen angebracht. Vier Jahre spater wurde eine Straße im Suden der Stadt zwischen Beesener und Merseburger Straße nach dem Reformator benannt, 1905 folgt der Lutherplatz am Schnittpunkt Lutherstraße, Liebenauer und Turmstraße.

Originalzeugnisse des Wirkens Luthers finden sich heute in der Marienbibliothek (deren Bestand mit einer Sammlung von Luthers Schriften begann), den Franckeschen Stiftungen, dem Stadtarchiv sowie der Universitatsbibliothek.

A. Stettner


Quellen:

Stadtarchiv, Signatur FA 11000

Reformationsdenkmaler des 19. und 20. Jahrhunderts, Otto Kammer, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig, 2004