Anfang Marz fanden im Okumenischen Patriarchat sowie im Kloster Balıklı Gottesdienste mit hoher Symbolkraft statt. Die sterblichen Uberreste von Patriarch Konstantin VI., der nach eineinhalb Monaten auf dem Patriarchenstuhl von der neuen turkischen Regierung im Janner 1925 nach Griechenland ausgewiesen worden war, konnten nun feierlich in Istanbul beigesetzt werden. Dieses Ereignis ruft eine Zeit voller Umbruche im Okumenischen Patriarchat wieder ins Gedachtnis, an die vielleicht aus diesem Anlass erinnert werden kann.
Es gab ja nicht nur die politischen Neuaufbruche in der heutigen Turkei, sondern auch massive Umwalzungen in Griechenland. Der revolutionare Politiker Eleftherios Venizelos, der aus der Enosis-Bewegung auf Kreta kam, verfocht massiv die Idee eines Groß-Griechenlands unter Einschluss Konstantinopels und vertrieb Konig Konstantin I. aus Griechenland. Er stand dann auch maßgeblich hinter dem Vertrag von Sevres, der die totale Zerstuckelung des Osmanischen Reiches gebracht hatte. Auf ihn geht auch der Krieg gegen die Turken 1919 zuruck, der dann zur kleinasiatischen Katastrophe der anatolischen Griechen fuhrte. Er selbst verlor allerdings 1920 in Griechenland die Wahlen, ging bis 1928 ins Pariser Exil, wahrend der Konig wieder zuruckkehren konnte. Als Antwort auf den griechischen Einmarsch in Smyrna (heute Izmir) entstand die nationale Bewegung unter Fuhrung Mustafa Kemal Pa?as, spater Ataturk genannt, die nach dem gewonnenen Befreiungskrieg zur Grundung der Republik, aber auch zu einem neuen Friedensvertrag, den von Lausanne (24.7.1923), fuhrte.
Das Okumenische Patriarchat lebte mitten in diesen Spannungen. Da Patriarch Germanos V. (1913 - 1918) als zu turkenfreundlich galt, musste er sein Amt am Ende des 1. Weltkrieges 1918 abgeben. Es blieb bis 1921 vakant. Eine wichtige Person im Patriarchat war damals schon Metropolit Konstantin, der allerdings im Schatten eines anderen Amtstragers, des Metropoliten Meletios, stand.
Konstantin (Arabo?lu) wurde um 1860 bei Bursa geboren. Er absolvierte 1885 das Seminar von Heybeli/Halki und wurde 1896 zum Bischof geweiht. Nach Tatigkeiten als Auxiliarbischof von Edirne fuhrte ihn sein Amt nach Belgrad und Trabzon, bis er 1913 Metropolit von Erdek wurde. Da er fur Griechenland als "konigstreuer" Bischof galt, geriet er innerkirchlich in Gegensatz zu Metropolit Meletios, der als Anhanger seines kretischen Landsmannes Venizelos galt, insbesondere als jener 1916 eine Gegenregierung gegen Konig Konstantin in Saloniki bildete.
Meletios wurde nach dem Sieg Venizelos` uber den Konig 1918 zum Erzbischof von Athen und Primas von Griechenland gewahlt. Nach der politischen Niederlage der Venizelisten ging Meletios 1920 nach Amerika, von wo er 1921 auf den Stuhl des Okumenischen Patriarchen gewahlt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings der griechische Vorstoß nach Kleinasien bereits zum Stehen gekommen. Nach dem Sieg der Truppen Mustafa Kemal Pa?as dachte Meletios an eine Verlegung des Patriarchats auf den Berg Athos oder nach Saloniki. Die Athener Regierung und auch die griechische Kirche sprachen sich allerdings strikt dagegen aus. Der Juni 1923 brachte viele spannende Entwicklungen und Herausforderungen: Die innerturkischen Forderungen Papa Eftims mit seiner neuen turkisch-orthodoxen Kirche ebenso wie eine von Meletios einberufene panorthodoxe Konferenz, die die Annahme des gregorianischen Kalenders behandelte. Bis heute interessant bleibt auch die Tatsache, dass das Okumenische Patriarchat damals auf Grund enger Beziehungen mit der anglikanischen Kirche 1922 offiziell die Anerkennung der anglikanischen Weihen, also der apostolischen Sukzession aussprach, was von Rom missbilligt wurde. Auch die bis heute fur das Patriarchat hochst bedeutsame Beziehung mit der amerikanischen Orthodoxie geht stark auf Meletios zuruck.
Im Juli 1923 wurde allerdings auf Grund der politischen Entwicklung die Position von Meletios unhaltbar. Nach zahen Verhandlungen konnte zwar in Lausanne noch ein Verbleib des Patriarchen in seiner Stadt erreicht werden. Mustafa Kemal Pa?a hatte gerne den Patriarchen ahnlich wie bald darauf den Kalifen außer Landes gesehen, nahm aber dann ein jeder politischen Funktion ("Ethnarch") entkleidetes Patriarchat als rein geistlichen Dienst fur die verbleibende griechische Bevolkerung an.
Meletios als Person musste allerdings auch auf griechischen Wunsch im Juli 1923 Istanbul verlassen und konnte schließlich im September 1923 zur Abdankung bewegt werde. Er wurde allerdings spater Patriarch von Alexandrien, wo er 1935 starb. Er ist auch in Kairo bestattet.
Im Dezember gab die Turkei die Genehmigung zur Wahl eines turkischen Staatsburgers nach den neuen gesetzlichen Regelungen. Der Heilige Synod wahlte daraufhin Gregorios von Chalcedon, der unglucklicherweise schon nach 11 Monaten verstarb.
Metropolit Konstantin Arabo?lu, dessen Gebeine nun im Marz wieder in die Turkei uberfuhrt wurden, hatte 1921 aus Protest gegen die Kandidatur von Meletios nicht an der Patriarchenwahl teilgenommen. Er wurde deshalb 1922 als Metropolit nach Bursa gesandt, nahm allerdings diese Aufgabe nicht an. Nach dem Rucktritt von Meletios wurde er im Mai 1924 zum Metropoliten von Terkos (Derkoi) ernannt. Diese Metropolie besteht ubrigens bis heute als eine der vier Metropolien des Okumenischen Patriarchats in der Turkei (die anderen drei Metropolien sind Chalzedon, Imbros und Tenedos sowie die der Prinzeninseln) und umfasst das Gebiet des Bosporus, Thrakiens und Cyanea mit Bischofssitz in Tarabya.