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Death March - Cannes Blog - kino-zeit.de - das Portal fur Film und Kino
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13 20/05

Death March

Um es kurz zu machen: Adolfo Boringa Alix Jr.'s Film Death March , der in der Reihe Un certain regard seine Premiere feierte, ist ein durchaus interessantes Experiment, aber eines jener Sorte, bei der man am Ende (oder eigentlich schon viel früher) feststellen muss, dass es auf ganzer Linie gescheitert ist. Statt auf eine realistische Ausgestaltung der Grausamkeit während eines Gewaltmarschs philippinischer und amerikanischer Kriegsgefangener während des Zweiten Weltkrieges zu setzen, hat sich der Regisseur dazu entschieden, die Schilderung der Ereignisse in ein theaterhaftes Setting mit gemalten Kulissen zu versetzen und zudem den Realismus durch hyperstilisierte Schwarzweißbilder, die häufig in extremer Verlangsamung das Geschehen einfangen auf ein Minimum zu reduzieren. Das Ergebnis dieses Versuchs einer gänzlich anderen Ästhetik ist verheerend und sorgte dafür, dass bereits nach einer Viertelstunde zunehmend Unruhe im Kino an der Croisette herrschte und bald schon ein regelrechte Saalflucht einsetzte.

Nach dem Ende der Schlacht um Bataan auf den Philippinen am 9. April 1942 zwang die siegreiche kaiserliche japanische Armee rund 75.000 amerikanische und philippinische Kriegsgefangene zu einem Todesmarsch in das rund 65 Meilen entfernte Camp O'Donnell, den mehr als 20.000 Kriegsgefangene nicht überlebten.

Dass das Grauen der Ereignisse nicht greifbar wird, liegt nicht nur an den grundsätzlichen künstlerischen Entscheidungen des Regisseurs, sondern auch an dem unkonzentrierten, schweifenden Fokus der Narration, der dem Zuschauer kaum eine Möglichkeit lässt, sich näher in einen der zahlreichen Charaktere einzufühlen und Anteil zu nehmen - im Gegenteil. Weil die Ästhetik zu störend ist und die Dialoge manchmal beinahe schon (vermutlich unfreiwillige) grotesk-komische Qualitäten entfalten, wenn beispielsweise immer Verdauungsprobleme, Obstipation und Blähungen thematisiert werden ("the smell is so much better than the smell of death", so heißt es an einer Stelle), wendet man sich bald schon mit Grausen ab von diesem Theater, das seinem Thema zu beinahe keinem Zeitpunkt auch nur annähernd gerecht werden kann. Auch das mehrmalige Auftauchen eines natürlich blonden Engels (des Todes, des Lebens oder der Hoffnung?) trägt nicht gerade dazu bei, andere Impulse als die eines Lachens über die Kitschigkeit und Unbeholfenheit der Szene hervorzurufen.

Statt der Absurdität des Krieges steht durch den Brechtschen Verfremdungseffekt vielmehr die Absurdität der Inszenierung im Fokus der Zuschauers, der so immerhin ein klein wenig Grauen verspürt - auch wenn das anders gemeint war. Für seinen Mut zu waghalsigen Entscheidungen und den Willen, Historie und das Grauen des Krieges einmal auf ganz andere Weise darzustellen, ist Adolfo Alix Jr. mit Sicherheit zu loben. Doch es wäre noch besser gewesen, wenn er auch die überdeutlichen Schwächen und das Scheitern der offensichtlich intendierten Verfremdungseffektes gesehen hätte. Denn auch das gehört zu einem guten Regisseur - zu erkennen, wann etwas nicht funktioniert.

In einem bislang überwiegend positiven Festival ist Death March mit Sicherheit einer der Tiefpunkte. Es werden - so viel ist sicher, noch weitere folgen.

(Joachim Kurz)

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