한국   대만   중국   일본 
Rez. NS: T. Wroblewska: Die Reichsuniversitaeten Posen, Prag und Strassburg - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bucher
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20090408111622/http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de:80/rezensionen/id=804&type=rezbuecher&sort=datum&order=down&search=Reichsuniversit%C3%A4ten
 
1 / 1  Rezension

Nationalsozialismus

T. Wroblewska: Die Reichsuniversitaeten Posen, Prag und Strassburg

 

Externe Angebote zu diesem Beitrag

Informationen zu diesem Beitrag

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Vera Ziegeldorf <ziegeldorfv geschichte.hu-berlin.de>
Autor(en): Wroblewska, Teresa
Titel: Die Reichsuniversitaten Posen, Prag und Strassburg als Modelle nationalsozialistischer Hochschulen in den von Deutschland besetzten Gebieten
Ort: Torun
Verlag: Wydawnictwo Adam Marszalek
Jahr: 2000
ISBN: 83-7174-674-1
Umfang/Preis: 308 S.; 50 PLN

Rezensiert fur H-Soz-u-Kult von:
M.A. Blazej Bialkowski, Europa-Universitat Viadrina
E-Mail: <biabla WEB.DE>

Am Montag, den 3. Sept. d. Js. erschien in H-Soz-u-Kult eine sehr anregende Rezension von Frank-Rutger Hausmann zum Buch Joachim Lerchenmullers uber die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheitsdienstes der SS. In der Anm. 12 verwies Hausmann auf die hier zu rezensierende Arbeit von T. Wroblewska. Beim Leser wurde damit der Eindruck erweckt, als ob man in diesem Buch neue Erkenntnisse im Hinblick auf den Nazifizierungsgrad der Wissenschaften an den Reichsuniversitaten Posen und Prag gewinnen konne. Nach der Lekture weiss man jedoch, dass das leider nicht der Fall ist.

Teresa Wroblewska - wie man im Vorspann des Buches nachlesen kann - ist "Historikerin des Bildungswesens und der wissenschaftlichen Institutionen, der Wissenschaftsgeschichte und der Padagogik". Zur Zeit lehrt sie an der Padagogischen Hochschule in Kielce (Sudostpolen) und an der Humanistisch-Padagogischen Hochschule in Lowicz (Mittelpolen).

W. trat Ende der 70er Jahre mit einer Reihe von kleineren Aufsatzen hervor, welche die Geschichte der "Reichsuniversitaten" behandelten [1] . Die hier anzuzeigende Arbeit - als Ergebnis der damaligen intensivierten Beschaftigung mit diesem Thema - ist bereits 1984 in ihrer Grundform in polnischer Sprache erschienen [2] . Im Gegensatz zu der im gleichen Jahr publizierten Monographie von Bernard Piotrowski zur Reichsuniversitat Posen [3] ist sie auf relativ positive Kritik in Polen gestoßen. Hervorgehoben wurde vor allem die vergleichende Perspektive bei der Betrachtung aller drei Reichsuniversitaten Posen, Prag und Straßburg. In der Tat betrat W. hier Neuland und unternahm einen ersten Versuch der komparativen Erforschung aller drei Reichsuniversitaten. Der Posener Rechtshistoriker H. Olszewski bescheinigte ihr am Rande seiner Besprechung der Arbeit von Piotrowski, "Benutzung einer breiten Quellenbasis, eine ziemlich geschickte Anwendung der vergleichenden Methode und einen stringent durchgefuhrten Aufbau der Arbeit" [4] .

Wenn man das im letzten Jahr herausgegebene Buch aufschlagt, erfahrt man zunachst an keiner Stelle, ob die Arbeit ein unveranderter Nachdruck oder eine veranderte Neuauflage sei. Ebenfalls bleibt unklar, ob der deutschen Fassung von 2000 eine polnische zugrunde liegt [5] . Dies verwundert sehr, wenn man bedenkt, dass sich der Adam Marszalek Verlag selbst als einen "der drei großten privaten wissenschaftlichen Verlage in Polen" [6] , feiert.

Die Arbeit selbst ist in 4 Kapitel untergliedert und klar strukturiert. W. schildert zunachst die Hochschulpolitik im Dritten Reich und in den besetzten Gebieten. Dann konzentriert sie sich auf "wissenschaftliche Fachkrafte, Funktionare [und] wissenschaftlichen Aktivitaten" an den Reichsuniversitaten, um sich schließlich ihrem Spezialgebiet zuzuwenden, d.h. den dortigen padagogischen Zielsetzungen und der didaktischen Tatigkeit. Aus der Einleitung erfahren wir, dass sie "einen Einblick in die Ziele, die Rolle sowie die Entstehungsgeschichte der sogenannten Reichsuniversitaten Posen, Prag und Straßburg (...) [zu] geben" beabsichtigt. Untersucht wird des weiteren "die Eigentumlichkeit dieser Hochschulen", die "sie zu Musterlehrstatten im Hochschulsystem des Dritten Reiches werden ließ" (S. 9). Schon die Grundannahme also, dass diese Universitaten eine singulare Erscheinung in der deutschen Geschichte darstellen, ist irrefuhrend. Denn gerade "die nationalsozialistische Sondergestalt" hatte zunachst hinterfragt werden mussen, um alsdann das Modellhafte an den Reichsuniversitaten zu analysieren. Der Gedankengang Wroblewskas ist jedoch nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass sie das Universitatsmodell "Reichsuniversitat" in der deutschen Wissenschaftsgeschichte seit dem Kaiserreich bis ins Dritte Reich nicht untersucht, obwohl man das gerade von dem Titel ihrer Arbeit hatte erwarten konnen.

Bei der Lekture des Buches verwundert die zunehmende Fixierung auf den außerst speziellen Bereich der nationalsozialistischen Erziehungspolitik. Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik laßt sich zwar noch im Hinblick auf die fur die Studierenden relevanten Lehrinhalte nachvollziehen. Wenn W. jedoch Forschungsliteratur zur Schulpolitik (S. 11) auswertet oder sogar im Literaturverzeichnis Publikationen auffuhrt, die sich mit dem Kindergartenwesen (S. 213) befassen, fragt sich der Leser wiederum, wo hier noch der Bezug zum Titel der Arbeit bestehen soll.

Das wahre Skandalon dieser Arbeit stellt jedoch der von Wroblewska prasentierte Forschungsstand dar. Die letzten 16 Jahre der deutschen und internationalen Untersuchungen bleiben hier vollig unberucksichtigt. Angefangen beim 'Historikerstreit' uber die Goldhagen-Debatte bis hin zu den Auseinandersetzungen uber das Engagement der deutschen Historiker im Nationalsozialismus hielt es W. nicht fur erforderlich, in ihrer Arbeit diese tiefgreifenden Erkenntnisfortschritte oder wenigstens einige der in dieser Zeit so zahlreich erschienenen Publikationen wissenschaftlich zu verwerten. Lediglich Helmut Heibers Werk "Universitat unterm Hakenkreuz" [7] wird im Literaturverzeichnis genannt, ohne jedoch in der Arbeit an irgendeiner Stelle darauf einzugehen. Auch die politischen und gesellschaftlichen Umbruche von 1989/1990 finden mit keinem Wort Erwahnung, bzw. werden diese implizit in der Form berucksichtigt, dass die Arbeit von politisch belasteten Formulierungen bereinigt wurde. Das zeigt der Vergleich mit der Fassung von 1984 (Vgl. nur S. 12-13 [2000] mit S. 11-12 [1984]).

Einen anderen schmerzhaften Punkt der Arbeit stellt die Ubersetzung dar. Ein Beispiel aus der Einleitung dazu: "Hitlers Polenpolitik behandelt eine Publikation von Martin Broszat, dessen Schlußfolgerungen, die zum Gluck nur selten erfolgen, man nicht in jedem Falle teilen kann" (S. 10). Nur durch einen Vergleich mit dem polnischen Originaltext von 1984 kann der Satz sprachlich wie inhaltlich entschlusselt werden: "Die nationalsozialistische Polenpolitik wurde objektiv und ohne nationale und politische Vorurteile (...) von Martin Broszat dargestellt, obwohl einigen seiner Schlußfolgerungen nicht zuzustimmen ist. Das ist aber zum Gluck nur selten der Fall." ([1984], S. 8, U. B.B.). Des weiteren ist vor allem auf die emporende Ubersetzung der Fachtermini hinzuweisen. Hier hatte die Autorin selbst das Korrekturlesen ubernehmen sollen. Hingegen qualt sich der Leser damit - um nur einige Beispiele zu nennen, dass Arthur Greiser "Prasident des Freistaates Danzig" [richtig: der Freien Stadt Danzig], Chef der Zivilbehorde in Posen [richtig: der Zivilverwaltung in Posen] oder "Stadthalter (...) im Warthegau" [richtig: Reichsstatthalter im Warthegau] (S. 81) gewesen sei.

Es soll jedoch auch auf die positiven Seiten der vergleichenden Studie W.s hingewiesen werden. In muhevoller Arbeit hat sie eine Reihe von Statistiken zusammengestellt, welche die Zahl der Studierenden (S. 158-163) und des Lehrkorpers (S. 106-108) an allen drei Reichsuniversitaten prasentieren. Uberdies wurden die Verfasser und die Themen der an den Reichsuniversitaten geschriebenen Dissertationen und Habilitationen, soweit entsprechende Archivmaterialien zur Verfugung standen, im Text aufgelistet (S. 124-127). Zusatzlich wurden z.B. fur Prag die Doktorarbeiten zahlenmaßig nach Disziplinen erfasst. Bedauerlicherweise haftet auch diesem Versuch einer statistischen Datenerfassung etwas Negatives an. So ware es, um dem Anspruch wissenschaftlichen Arbeitens gerecht zu werden, erforderlich gewesen, die Daten auch auszuwerten. So hatten sich sehr interessante Schlußfolgerungen ziehen lassen im Hinblick auf die großen zahlenmaßigen Unterscheide zwischen Prag einerseits sowie Posen und Strassburg andererseits. Bei den aufgezahlten Dissertationen ware eine tiefgreifende Beschaftigung mit dem Inhalt dieser Abhandlungen zu erwarten gewesen, um den Statistiken eine hohere Aussagekraft zu verleihen.

Bezuglich der "Aufgaben und Zielsetzungen der Wissenschaft aus der Sicht der Professoren der Reichsuniversitaten" (S. 109-124) werden entweder die im Volkspolen gangigen Stereotypen uber inhumane und vollstandig nazifizierte Wissenschaftler vor allem am Beispiel Posens neu aufgelegt und auf alle drei Reichsuniversitaten ubertragen oder lediglich das wiederholt, was bis 1984 wissenschaftlich auf diesem Gebiet geschriebenen wurde. Das Zusammentragen der west- und ostdeutschen sowie volkspolnischen, sehr zerstreuten wissenschaftlichen Produktion und die Auswertung der Akten vor allem in den Posener, Warschauer, Berliner und Potsdamer Archiven hat jedoch zum Teil Fruchte getragen. Um nur ein Beispiel zu nennen: W. geht an verschiedenen Stellen ihrer Arbeit auf den von Reinhard Wittram in Posen proklamierten 'neuen Wissenschaftlertypus' ein, den sog. "wissenschaftlichen Soldaten (S. 110, 192). Diesen projiziert sie zwar zu Recht auf alle drei Reichsuniversitaten, aber durch eine fehlende ortsgebundene Kontextualisierung nimmt sie keine personenbezogenen Differenzierungen vor.

Es seien schließlich einige Bemerkungen zum Anhang der Arbeit erlaubt. Ein Drittel des Gesamtwerkes einnehmend wurde er in der 2000er Fassung hinzugefugt. Zunachst stellt W. in einem "Biographischen Verzeichnis" bedeutende Professoren aller drei Reichsuniversitaten vor (S.235-248), allerdings unvollstandig, denn z.B. werden weder Werner Conze noch Hermann Voss erwahnt. Auch hier tritt wieder das Manko zutage, dass die Forschungsergebnisse der letzten 16 Jahre von W. nicht beachtet und die Mehrheit der aufgefuhrten Professoren pauschal als Nazis klassifiziert werden. W. bleibt in ihrer prasentistischen Auffassung der Epoche vor 1989 verhaftet, mit dem Ergebnis, dass sie z.B. Ernst Anrich, Reinhard Wittram und Herbert Ludat auf eine Stufe stellt.

Hiernach schließt sich, wie man auf den ersten Blick meinen mochte, eine hochst interessante Zusammenstellung unterschiedlicher Dokumente an. Nach einer genaueren Lekture stellt sich bedauerlicherweise heraus, dass die Aktenauszuge großtenteils unvollstandig, unleserlich und unubersichtlich abgebildet sind. Ein Fehler, der sich im Vorfeld hatte vermeiden lassen konnen, besteht darin, dass im Rahmen der Bibliographie die Aktenvermerke zum Universitatsarchiv in Posen nicht stimmen. Die hier angegebenen Aktennamen und Signaturen befinden sich im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde und teilweise noch im Bundesarchiv Koblenz. Tatsachlich im Universitatsarchiv Posen befindliche Akten werden uberhaupt nicht aufgefuhrt.

Insgesamt hat W. den an sich hervorragenden Gedenken, ihr 1984er Buch in deutscher und polnischer Fassung dem interessierten Leser zuganglich zu machen, schlecht umgesetzt. Ware es ihr allein darum gegangen, den damaligen polnischen Text unverandert neu zu publizieren, hatte sie dies in entsprechender Weise kenntlich machen mussen. Aufgrund der von ihr gewahlten Form der Neuauflage des Grundwerkes muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, vollig unzureichend recherchiert zu haben.

Wie so oft tragt aber auch der Verlag eine nicht unerhebliche Mitschuld. Man muß sich fragen, ob uberhaupt ein Korrekturlesen stattgefunden hat, wenn schon allein der Buchtitel 3 orthographische Fehler aufweist. Auch das Ubersetzungsteam hat außerst schlecht gearbeitet und ist dem Anspruch der Benutzung exakter wissenschaftlicher Termini in keinster Weise gerecht geworden, ganz abgesehen von den zahlreichen Tippfehlern, die das gesamte Werk durchziehen. Es bleibt zu wunschen ubrig, dass vor allem die Geldgeber - hier die Stiftung fur deutsch-polnische Zusammenarbeit - in Zukunft ein gescharftes Auge darauf richten, welche Projekte tatsachlich forderungswurdig sind.

In Anknupfung an die These von Frank-Rutger Hausmann, dass "die ehrwurdige Institution 'Universitat' [zwar] keineswegs mehr im 'Kern gesund', doch auch noch keine zum Schleifen reife Bastion" gewesen sei, steht nach wie vor die Frage offen, welchen Platz tatsachlich die drei Reichsuniversitaten Straßburg, Posen und Prag im gesamten Universitatssystem des Dritten Reiches eingenommen haben. Mit der Studie von W. ist dieses spannende Untersuchungsfeld jedenfalls noch lange nicht aufgearbeitet.

Anmerkungen:
[1] So z.B. T. Wroblewska: Die Rolle und Aufgaben einer nationalsozialistischen Universitat in den sogenannten ostlichen Reichsgebieten am Beispiel der Reichsuniversitat Posen 1941-1945, in: Padagogische Rundschau 1978, Nr. 3, S. 173-189. Dies: Panstwowy Uniwersytet w Poznaniu (1941-1945) w sluzbie imperializmu niemieckiego, Acta Universitatis Nicolai Copernici, Pedagogika VII, Torun 1978, S. 41-63.
[2] T. Wroblewska: Uniwersytety Rzeszy w Poznaniu, Pradze i Strassburgu jako model hitlerowskiej szkoly wyzszej na terytoriach okupowanych. Torun 1984.
[3] B. Piotrowski: W sluzbie rasizmu i bezprawia. Uniwersytet Rzeszy w Poznaniu 1941-1945. Poznan 1984.
[4] H. Olszewski, in: Kwartalnik Historyczny 44, Nr. 2, 1986 (1987), S. 586-592, hier S. 588 (Anm. 6).
[5] Dem Rezensenten ist nur durch eigene Recherche bekannt, dass es neben der deutschen Fassung auch eine polnische Fassung aus dem Jahre 2000 gibt.
[6] P. Gerlich, K. Glass [Hg.]: Bewaltigen oder Bewahren. Dilemmas des mitteleuropaischen Wandels. Wien-Torun 1994, S. 208.
[7] H. Heiber: Universitat unterm Hakenkreuz. 3 Bde. Munchen u a. 1991-1994.

Zitierweise Blazej Bialkowski: Rezension zu: Wroblewska, Teresa: Die Reichsuniversitaten Posen, Prag und Strassburg als Modelle nationalsozialistischer Hochschulen in den von Deutschland besetzten Gebieten. Torun 2000. In: H-Soz-u-Kult, 12.09.2001, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=804>.

Copyright (c) 2001 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT H-NET.MSU.EDU.

 
1 / 1  Rezension