한국   대만   중국   일본 
DKenB - News 15.10.03
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20071217225911/http://www.dkenb.de/news/2003/REP_031015.html


Bericht von der Trauerfeier für Ando Sensei
Bericht: Rainer Jättkowski, 7. Dan Kendo Kyoshi, Präsident des Deutschen Kendobundes

Kochi, 15. Oktober 2003
bei Familie Hosoki

Am 8.10. kam Ando Sensei von Kendo-Lehrgängen aus Hamburg, Polen und dem Baltikum zurueck (einige von Euch wissen das sicher genauer). Ich kam am selben Tag aus Frankfurt nachmittags um 15.30 Uhr in Tokyo an. Ando Sensei muss einen Flug nach mir genommen haben. Einer seiner Termine in Tokyo war sicherlich die Alljapanische Studenten-Meisterschaft im Nihon Budokan am darauffolgenden Sonntag, wo ich vormittags fuer 2,5 Stunden mit Sekiyama Sensei war. Ando Sensei ist mitten aus einem engen Termin-Kalender gerissen worden.

Am 9.10. verlasse ich morgens nach einer unruhigen Nacht um 5.30 Uhr mein Hotel fuer das Asageiko im Keishicho Budokan. Ich war privat hier, um mein Kendo kontrollieren zu lassen. Da reicht mir der Mann an der Rezeption ein Fax von Detlef mit der Nachricht, Ando Sensei sei am Abend vorher gestorben. Ihr kennt Eure eigene Reaktion: "Unglaublich, aber erschreckend wahr!". Im Keishicho Budokan wusste man schon davon - das Büro der ZNKR rief vormittags an, um mir Bescheid zu geben. Es war, als spräche man mir das Beileid für den Verlust eines großen Lehrers aus, der in Deutschland jahrzehntelang gewirkt hat. Solange ich die Kontakte als Präsident des DKenB mit Japan pflege, ist Deutschland immer mit Ando Sensei verknüpft worden.

Dank der hervorragenden Telefon- und Faxkette - Angela, Detlef, Kazuko - wusste ich schnell, wie meine nächsten Tage aussahen. Ishii Sensei begleitete mich am Freitagabend zur Totenwache zum Trauertempel. Hanns-Peter Herr war an beiden Tagen zutiefst betroffen mit dabei. Ozawa jr. erkannte mich und bat uns sofort in den Tempel, wo wir der Familie gegenüber saßen. Im Raum waren Nariaki Sato, Fukumoto, Kakehashi, Sumino. Ando Sensei hat viele Vertreter verschiedener Kendoansichten an seinem Sarg vereint. Am Sonnabend wurden Hanns-Peter und ich wieder in den Tempel gebeten. Diesmal waren Kotaro Oshima und Chiba da. Draussen traf ich Yokoyama mit Frau, Ajiro, Masago, Kurihara. Von drinnen hatten wir keinen Überblick, wer noch alles mit Rang und Namen da war. Für jeden Tag schätze ich mindestens 600 Trauernde nach einer einfachen Rechnung: Es dauerte an jedem Tag jeweils eine Stunde. An der Freitreppe zum Trauerraum befand sich eine Balustrade mit Bambusschalen. In denen war Räucherwerk, wovon man dreimal ein paar Krümel nahm, sie an Herz und Stirn führte und auf einen heißen Block legte. Das ergab einen weißlichen würzigen Rauch. Der Strom an der Balustrade riss während der beiden Stunden nicht ab. Nehme ich nur 10 Trauernde pro Minute an, sind das in einer Stunde mindestens 600 Menschen. Einer Zahl von insgesamt 2000 würde ich sofort zustimmen. Die Trauergemeinde war unüberblickbar. In der Ferne sah ich u.a. Ishiyama vom Keishicho Budokan.

Es gab jeweils eine kurze Ansprache, wen man hier ehrte. Dann wurden ca. 40 Minuten von zwei Priestern religiöse Texte in getragenem Sprechgesang vorgetragen. Danach gab es eine Viertelstunde Schweigen. Am Sonnabend hielt Hasegawa, mit dem Ando Sensei das Hasegawa Shinai entwickelte, eine Ehrenansprache mit allen Rängen, Verdiensten, Aktivitäten von Ando Sensei. Auch die "German Kendo Federation" wurde namentlich genannt.

Abends zuvor auf der Sensei-Party hieß es noch, ein Samurai weint nicht. Alle Senseis, die mit uns im Tempel waren, gaben sich die Hand. Jeder von uns kämpfte mit den Tänen, holte tief Luft, um sich nicht in Tränen aufzulösen. Man hätte sich ruhig im gemeinsamen Schmerz umarmen sollen. Die Frauen weinten ihren Schmerz heraus, die kleinen Kinder wussten noch nicht recht, was hier vor sich ging und ließen ihren Lebensäußerungen freien Lauf. Es war wie auf einer Trauerfeier bei uns.

Die Längsseite des Raumes war zu zwei Dritteln mit Blumen lückenlos besteckt - weiss, rosa, lila, violett, gelb dazwischen. In der Mitte auf dem Boden der Sarg. Neben dem Sarg am Kopfende Ando Senseis Rüstung mit Shinai und Bokuto. Über dem Sarg erhöht, vergrößert ein Porträtfoto von Ando Sensei, das ihn unter allen seinen vielen Möglichkeiten von seiner besten Seite zeigt. Ich habe dieses Bild zwei Stunden lang betrachtet. Es zeigt auf den ersten Blick seine unbedingte Standpunktfestigkeit mit einem Blick, der den Betrachter prüft, ob er dem Blick standhält. Im Laufe der Zeit kam aus dem Bild ein feines Lächeln, ähnlich dem, wie wir es von der Mona Lisa kennen. Nicht so amüsiert, belustigt, sondern warm und väterlich. Wo dieser Mann auftrat, war er in dieser Form sofort ein unübersehbarer Mittelpunkt. Erschreckend der Kontrast zu seinem Gesicht im Sarg - die Augen geschlossen, der etwas verkrampft geöffnete Mund gab die Zähne frei, wie wir sie von seinem Lachen kennen. Am zweiten Tag wurden die Blumen in kleinen Sträußen abgeschnitten und die Trauernden im Tempel wie auch Außenstehende, wenn sie näher traten, legten sie in den offenen Sarg. Ando Sensei wurde völlig mit Blumen bedeckt heraus getragen. Ein Hupsignal ließ uns ein letztes Mal in Verbeugung von ihm Abschied nehmen, dann fuhr der Wagen weg und öffnete noch einmal alle Schleusen der Tränen. Da war keiner, dessen Auge trocken blieb.

So eine Trauerfeier innerhalb von 48 Stunden zu organisieren, ist in Japan sicher Routine, aber eine teure. Daher erhält die Familie diskrete Geldzuwendungen. So habe ich - neben privaten Beiträgen von Wolfgang W. Demski und mir - auch im Namen des DKenB von Okayama aus in einem Beileidbrief einen angemessenen Betrag an die Familie geschickt. Es standen kostenlos Taxis bereit, die viele Trauergäste zur nächsten Station brachten. Fuer längere Gespräche blieb keine Zeit. Oshima Sensei kam trotz einer bedenklichen Herzschwäche.

Man hat mich oft gefragt, wie ich da so zeitgerecht hinkomme. Ich wollte nur privat Kendo machen, Kontakte zur ZNKR pflegen, in Okayama Freunde besuchen und zu Nishino Senseis 80. Geburtstag fahren, der heute am 15. Oktober ist. Deshalb muss ich jetzt schließen, weil es gleich zum Empfang geht. Ich komme nicht mehr zum Korrekturlesen.

Ich schrieb hier bei Hosokis, in der Hoffnung, Euch den Bericht via E-Mail schicken zu können.

Mit herzlichem Gruß
Euer Rainer