한국   대만   중국   일본 
Die Gegenwart
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20030417075038/http://www.nitrogen.de:80/bub/faz.htm

                                                     

        

  Blut und Bohnen - FAZ, Die Gegenwart, 13.03.2002, Nr. 61, S. 12   

 


FAZ, Die Gegenwart, 13.03.2002, Nr. 61, S. 12 

BLUT UND BOHNEN
Der Paradigmenwechsel im K?nast-Ministerium ersetzt Wissenschaft durch 
Okkultismus / Von Peter Treue

"Der tierische Organismus lebt im ganzen Haushalt der Natur darin. Von vorne nach hinten im Tier: Von der Schnauze gegen das Herz zu hat es die Saturn-, Jupiter-, Marswirkungen, in dem Herz die Sonnenwirkung, dahinter gegen den Schwanz zu die Venus-, Merkur- und Mondwirkung . . . Das vom Mond zur?ckgestrahlte Sonnenlicht ist ganz unwirksam, wenn es auf den Kopf eines Tieres scheint. Aber diese Dinge gelten namentlich f?r das Embryonalleben. Das Mondlicht entfaltet seine gr??te Wirkung, wenn es auf den Hinterteil eines Tieres scheint." 

Das sind Einsichten Rudolf Steiners. Er tat sie 1924 in Koberwitz bei Graf Keyserling kund, in acht Vortr?gen ?ber "geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft". Steiner, der Gr?ndervater Anthroposophie, legte mit diesem Vortragszyklus den Grundstein f?r die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die radikalste Spielart des heutigen ?kolandbaus. Die Anthroposophie ist eine Geheimwissenschaft. Sie ist zwar in den Schriften Steiners ?ffentlich zug?nglich, erschlie?t sich jedoch angeblich nur "Eingeweihten". Die h?chste Stufe der Einsicht bef?higt zur Lekt?re der imagin?ren "Akasha"-Chronik, die nur seherisch erfa?t werden kann. Allerdings hat das seit Steiner, soweit bekannt, kein Anthroposoph mehr erreicht. Die Anthroposophen glauben an Reinkarnation und Karma, an ?ther-, Astral- und andere Leiber und leiten die Entwicklung der Menschheit von "Planetenzeitaltern" ab. Der anthroposophische Okkultismus erf?hrt heute einen bemerkenswerten Aufschwung.

Das aktuelle Schlagwort "Agrarwende" der gr?nen Ministerin K?nast umfa?t auch die Erhebung dieses sektierischen Kultes in die Reihen der ernstzunehmenden Wissenschaften. Denn der ?kologische Landbau, dessen massive Ausdehnung Frau K?nast ununterbrochen fordert, ist in seinen Grundfesten ein Kind des Rudolf Steiner und einer Zeit, in der es vor allem darauf ankam, gesund, nat?rlich und rassisch rein zu sein. 

Blondheit, Gescheitheit und terrestrische Kr?fte.  

"Aber mit der Zeit verliert sich die Blondheit, weil das Menschengeschlecht schw?cher wird. Und die Erdenmenschheit w?rde vor der Gefahr stehen, da? die ganze Erdenmenschheit eigentlich dumm w?rde, wenn nicht das kommen w?rde, da? man eine Geisteswissenschaft haben wird, eine Anthroposophie, die nicht mehr auf den K?rper R?cksicht nimmt, sondern aus der geistigen Untersuchung selbst heraus die Gescheitheit wieder holt, wenn ich so sagen darf . . . Die blonden Haare geben eigentlich Gescheitheit. Geradeso wie sie wenig in das Auge hineinschicken, so bleiben sie im Gehirn mit ihren Nahrungss?ften, geben sie ihrem Gehirn die Gescheitheit. Die Braunhaarigen und Braun?ugigen, und die Schwarzhaarigen und Schwarz?ugigen, die treiben das, was die Blonden ins Gehirn treiben, in die Haare und Augen hinein." So Rudolf Steiner in seiner Schrift "?ber Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre". Dergleichen w?rde heute, ?ffentlich vorgetragen, entr?stete Reaktionen hervorrufen. Statt dessen wird der Geist Rudolf Steiners vielfach beschworen, wenn es um die Dringlichkeit einer "Agrarwende" geht.

Rudolf Steiner wurde 1861 in Kraljevica (Kroatien) als Sohn eines ?sterreichischen Eisenbahnbeamten geboren. Er besuchte die Schule in Wien und studierte dort Mathematik. 1897 ging er nach Berlin, wo er literarische Zeitschriften herausgab. Von 1899 bis 1905 war er Lehrer an einer "Arbeiter-Bildungsschule", dort entwickelte er sein anthroposophisches Weltbild. Das f?hrte zum Bruch mit der "theosophischen Gesellschaft", deren Generalsekret?r Steiner seit 1902 war. Jene Gesellschaft, gegr?ndet von der russischen Wahrsagerin Helene Blavatsky, hing "altindischen" Erl?sungslehren an. Pr?sidentin der "theosophischen Gesellschaft" war zu Steiners Zeit Annie Besant. Nach dem Bruch hie? es in Mitteilungen der Theosophen, Steiner habe Prophet, okkulter Lehrer und Beamter zugleich sein und die Leitung an sich rei?en wollen. Dieses Muster - Abfall von F?hrungspers?nlichkeiten und Neugr?ndung einer auf sie zugeschnittenen Gemeinschaft - ist typisch f?r die vielen Sekten- und Zirkelgr?ndungen jener Zeit. Um seinerseits den Bruch deutlich zu machen, nannte Steiner fortan seine Lehre "Anthroposophie" und seine 1913 begr?ndete Gemeinde "Anthroposophische Gesellschaft". Den Begriff der "Anthroposophie" hatte er von Ignaz Troxler ?bernommen, einem Arzt und romantischen Naturphilosophen. Heute wird Steiner gelegentlich als Begr?nder der "Anthroposophischen Wissenschaft" bezeichnet. 

Er selbst nannte seine Lehre, im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, "die Geisteswissenschaft" schlechthin. Der eigent?mliche Sprachgebrauch - den W?rtern wird eine andere als die gemeinverst?ndliche Bedeutung unterlegt - ist ein weiteres Merkmal esoterischer Sekten. Denn in Wahrheit ist die Anthroposophie sowenig Wissenschaft, wie Astrologie und Wahrsagerei es sind. Das weltanschauliche Kernst?ck von Steiners Ideen bildet eine evolutionistische Reinkarnationslehre. Sie verdankt sich nach Auffassung der Anthroposophen nicht metaphysischer Spekulation, sondern Steiners pers?nlicher Einsicht in h?here Welten. Seine Anh?nger w?hnen ihn im Besitz seherischer Gaben, er selbst beanspruchte die F?higkeit zur "Hellsicht". Untersuchungen ?ber den Ursprung seiner komplexen Religionssch?pfung lassen aber eher vermuten, da? er auf Ideen von Annie Besant und Helene Blavatsky zur?ckgriff. 

"Das hellseherische Eindringen in h?here Bewu?tseinssph?ren durch eine okkultistische Trainierung, die siebengliedrige Natur des Menschen, die drei Welten mit den sieben Regionen der Seelenwelt und des Geisteslandes, die sieben planetarischen Zust?nde, die sieben Kulturstufen und die sieben Wurzelrassen, die ganze Akasha-Chronik, vor allem die Lehre vom Karma und der Wiederverk?rperung, alles so ziemlich in der gleichen Weise begr?ndet und beschrieben", schrieb Johannes Frohmeyer schon 1920 ?ber Steiners Anthroposophie. Die vollst?ndige Erleuchtung kann man in dem weit ?ber dreihundert B?nde m?chtigen Lebenswerk Steiners nachlesen. Vielfach handelt es sich dabei um stenographische Aufzeichnungen m?ndlicher ?u?erungen. Es gibt fast keinen Lebensbereich, den Steiner nicht mit seinen Einsichten bestrichen hat. Aber einflu?reich wurden seine Auffassungen vor allem in der P?dagogik (Waldorf-Schulen), der "alternativen" Heilkunde und in der "biologisch-dynamischen" Landwirtschaft. Dank dieser drei S?ulen wurden die Anthroposophen zur erfolgreichsten okkulten Bewegung Europas. 

"Wenn wir Kosmos wirken lassen wollen, dann ist es n?tig, das Irdische m?glichst stark in das Chaos hineinzutreiben . . . Das noch nicht zum Chaos Gekommene, das weist in gewisser Weise das Kosmische zur?ck. Verwenden wir das beim Pflanzenwachstum, so halten wir das eigentlich Irdische in der Pflanze drinnen fest und es wirkt das Kosmische nur in dem Strom, der dann wiederum hinaufgeht bis zur Samenbildung. Dagegen wirkt das Irdische in der Blatt- und Bl?tenentfaltung usw. In das alles strahlt nur das Kosmische seine Wirkungen hinein." So Steiner in seinem landwirtschaftlichen Vortragszyklus. 

Sein Werk gilt unter Anthroposophen bis heute als unantastbar, es stellt die ideologische Basis dieser esoterischen Weltanschauung dar. Und es ist die Basis der biologisch- dynamischen oder "organischen" Landwirtschaft, die in Deutschland heute vor allem durch den Anbauverband "Demeter" vertreten wird. Bald nach Steiners Vortragszyklus 1924 erprobte ein "Versuchsring anthroposophischer Landwirte" seine "Angaben" (so die anthroposophische Vokabel). Drei Jahre sp?ter wurde eine "Verwertungsgenossenschaft f?r Produkte der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsmethode" gegr?ndet und 1928 das Markenzeichen "Demeter" eingef?hrt. Auf dem Fundament der Lehre Rudolf Steiners folgen die Verfechter dieser Wirtschaftsweise bis heute seinen Anweisungen. So vergraben die spirituellen Landwirte zum Beispiel Kuhh?rner, gef?llt mit "D?ngehilfsmitteln", bei Vollmond auf dem Acker. Horn sei durchl?ssiger f?r kosmische Energie als andere Materialien. Zermahlene Kiesel und Kuhmist, in denen sich die kosmische Energie besonders anreichern soll, werden in den Boden eingearbeitet. Mist von "gesundem Weidevieh" wird deshalb verwendet, weil er sich zum "Aufsammeln terrestrischer Kr?fte" am besten eigne. Zus?tzlich wird der Boden mit speziellen "Heilpflanzen"-Extrakten bespr?ht, um deren "urw?chsige Kraftquellen" nutzbar zu machen. Besonders empfahl Steiner den "stark kieselhaltigen" Ackerschachtelhalmtee. 

Steiner wies in Koberwitz ausdr?cklich darauf hin, da? seine Pr?parate in geringsten Mengen wirksam seien, "was f?r den Landwirt von gro?em wirtschaftlichem Vorteil" sei. Unter Anlehnung an die Hom?opathie erhob er die Wirkung "kleinster Entit?ten" zu einem Hauptprinzip der biologisch-dynamischen D?ngung. Sogenannte "Portionen" von ein bis zwei Gramm sollen ausreichen, um ein Viertel bis ein Drittel Hektar "abzud?ngen", also etwa 3000 Quadratmeter. Diese Praxis erscheint schon angesichts der Menge nat?rlich vorkommender Pflanzenbestandteile und sonstiger organischer Substanz im Boden geradezu aberwitzig.

Vorreiter dieser landwirtschaftlichen Praktiken waren der "Reichsverband f?r biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Landwirtschaft und Gartenbau e.V." und der Anbauverband "Demeter". Einer der Reichsverband- Vorsitzenden, der ehemalige Reichskanzler Michaelis, unterst?tzte die Demeter-Gr?ndung tatkr?ftig. Gegr?ndet als "Versorgungs-Genossenschaft Demeter e.G.m.b.H." in Bad Saarow, wurde die Genossenschaft 1931 in den "Demeter-Wirtschaftsbund" umgewandelt. Der Reichsverband f?r biologisch- dynamische Wirtschaftsweise ging am 20. Februar 1935 in ein Verh?ltnis "gegenseitiger F?rderung und enger Zusammenarbeit" mit der "Deutschen Gesellschaft f?r Lebensreform e.V." in M?nchen, die wiederum Mitglied des "Sachverst?ndigen Beirates f?r Volksgesundheit" in der Reichsleitung der NSDAP war. Dieser Sachverhalt k?nnte ein Grund daf?r sein, da? trotz der Aufl?sung der Anthroposophischen Gesellschaft am 15. November 1935 durch eine Verordnung der Gestapo zum "Schutz von Volk und Staat" eine Weiterf?hrung der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise nach Rudolf Steiner durch den nationalsozialistischen Staat geduldet und gef?rdert wurde.

Dabei gingen Verfechter des biologisch-dynamischen Landbaus einst wesentlich freundlicher mit der Ideologie des "Dritten Reiches" um, als sie heute wahrhaben wollen. Das Organ f?r biologische Wirtschaftsweise "Bebauet die Erde" zeigte sich 1940 erfreut dar?ber, da? der Reichsminister f?r Ern?hrung und Landwirtschaft, Darr?, sich f?r eine "vern?nftige und undogmatische Auswertung" der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise aussprach. Enthusiastisch schrieb der Anthroposoph Ewald K?nemann: 

"Dazu kommt, da? auch von einer anderen Seite die biologische Frage sowohl im allgemeinen als auch im besonderen reif geworden ist. Zun?chst ist im neuen Deutschland die Biologie politisch von Bedeutung geworden durch die Erkenntnis der Rassenfrage, die Darr? ausgeweitet hat in dem Begriff ,Blut und Boden', das hei?t er sieht die Erhaltung der Rasse unmittelbar mit dem Boden verbunden. Gleichzeitig aber machte sich eine Bewegung geltend, die die biologischen Fragen der Lebensweise vertiefte und eine Wissenschaft der Naturmedizin schuf. Genau genommen bedeutet dies nichts anderes als Rassehygiene."

 Magische Landwirtschaft. Das Streben nach "Gesundheit des Bodens" und die vom Nationalsozialismus propagierte "Volksgesundheit" gingen eine unheilige Allianz ein. Rudolf Steiner war bestimmt kein Nationalsozialist, zumal da er bereits am 30. M?rz 1925 in Dornach bei Basel gestorben ist. Doch das metaphysische Konglomerat, das ihn hervorgebracht hat, geh?rt auch zu den Quellen der nationalsozialistischen Bewegung. Und seine unverh?llt rassistischen Auslassungen mu? man dem Strom zurechnen, der schlie?lich in die Verbrechen der Nazionalsozialisten m?ndete. Insgesamt wurden die Anthroposophen schlie?lich von den Nationalsozialisten als weltanschauliche Konkurrenten wahrgenommen, wie auch das Verbot der "Demeter"-Organisation von 1941 erweist. Das ?ndert aber nichts daran, da? Versatzst?cke der anthroposophischen Lehren bei Nationalsozialisten auf fruchtbaren Boden fielen. 

Die Vorg?nge verdienen also eine sensible Betrachtungsweise. Davon ist Bundesministerin K?nast weit entfernt. Sie hat inzwischen gen?gend Nachhilfe in Sachen Landwirtschaft genommen, um selbstbewu?t im Sinne der Anthroposophen argumentieren zu k?nnen. In den BSE- und MKS-F?llen, die sie an die Spitze des Ministeriums gesp?lt haben, sah sie eine historische Chance: "Es hat sich eine T?r aufgetan. Wenn man auf Rudolf Steiner zur?ckgeht, dann haben sich die Menschen seit den zwanziger Jahren f?r einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur eingesetzt. Es war immer eine kleine radikale Minderheit." 

Diese kleine radikale Minderheit h?lt jetzt - ?ber die Gr?nen - die F?den der Landwirtschaftspolitik in der Hand. Das Feindbild, "Profitbauern" und "Agrarfabriken", ist klar definiert, der gemeine Landwirt produziert "Masse statt Klasse". Dem stellt die Ministerin das elys?ische Panorama ?kologischer Landwirtschaft gegen?ber. Da erwies sich der Beirat des Ministeriums allerdings als Hindernis. Den dort vertretenen Agrarwissenschaftlern leuchten Einsichten wie die folgende einfach nicht ein: 

"Im Apfel i?t man den Jupiter, in der Pflaume den Saturn . . . Das Minderwertiger-Werden der Produkte . . . h?ngt zusammen ebenso wie die Umwandlung der menschlichen Seelenbildung mit dem Ablauf des Kali-Yuga im Weltall" (aus Steiners Vortragszyklus von 1924). 

Nachdem die Unabh?ngigkeit des wissenschaftlichen Beirats durch eine Satzungs?nderung zerst?rt wurde, trat er geschlossen zur?ck. Jetzt kann sich Frau K?nast ihre Berater danach aussuchen, welchen Rat sie w?nscht. K?nasts Staatssekret?r M?ller, auch ein Gr?ner, sah damit nur ein Hindernis f?r die Neuausrichtung der Agrarpolitik zum ?kologischen Landbau beseitigt. Und das stimmt wohl auch. Wissenschaftliche Argumente z?hlen nicht, das Sagen haben Ideologen. Auf der Homepage des Verbraucherministeriums wird, im Zusammenhang mit dem ?kologischen Landbau, der anthroposophischen Methode das Wort geredet: 

"Der ?kologische Landbau ist keine Modeerscheinung. Schon 1924 wurde die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise eingef?hrt. Auch andere Formen des ?kologischen Anbaus, wie der organisch-biologische oder der naturgem??e Landbau, haben eine lange Tradition." 

Der schleichende Paradigmenwechsel fand schon vor Jahrzehnten statt. Mit Beginn der siebziger Jahre wurden an deutschen Agrarfakult?ten die ersten Lehrst?hle f?r ?kologischen Landbau eingerichtet, zum Teil unter erheblichen universit?tsinternen Protesten - wie in Kassel, wo der damalige Pr?sident der Gesamthochschule, Ernst Ulrich von Weizs?cker, die Initiative ergriff. Ein Erfolgsrezept war und ist die undurchsichtige Verquickung von anthroposophischer Lehre und vorgeblich naturwissenschaftlicher Methodik. 

Da? einer "auf h?heren Einsichten" basierenden Weltsicht mit Naturwissenschaften nicht beizukommen ist, wissen auch die Anthroposophen. Steiner behauptete ohnehin, da? die Naturwissenschaften gar nicht anders k?nnten, als nachtr?glich Erkenntnisse zu gewinnen, die er dank seiner "Geisteswissenschaft" schon vorher schaute. Schon in den drei?iger Jahren gelangten Agrarwissenschaftler durch vergleichende Forschungen zu dem Ergebnis, da? es keine me?baren Qualit?tsunterschiede zwischen landwirtschaftlichen Produkten aus biologisch-dynamischer und konventioneller Wirtschaftsweise gibt. Daher mu?ten eigene Pr?fverfahren eingef?hrt werden. Jedoch k?nnen nur Anthroposophen sie anwenden. Beispiele daf?r sind die 1930 vorgestellten sogenannten "bildschaffenden Methoden", die die "innere Qualit?t, das Charaktervoll-Arttypische" von Lebensmitteln sichtbar machen sollen, indem man das Wachstum und die Ausbildungsform von Kristallen aus S?ften und Pflanzenextrakten frei interpretiert.

Die ideologisierte Richtung des ?kolandbaus ist eben untrennbar mit der esoterisch vernebelten Welt- und Natursicht verbunden. Attribute wie "nat?rlich, biologisch, organisch, gesund" und "ganzheitlich" - mit ihrer f?r die Gl?ubigen spezifischen Bedeutung - geh?ren ebenso dazu wie der Glaube an die Kraft der Steine und Gestirne. Steiner: 

"Das Wasser ist nicht nur aus H und O zusammengesetzt, das Wasser weist die Wege im Erdenbereich denjenigen Kr?ften, die zum Beispiel vom Mond kommen, so da? das Wasser die Verteilung der Mondkr?fte im Erdbereich bewirkt" (landwirtschaftlicher Vortragszyklus).

"Mondkr?fte" spielen in der anthroposophischen Landwirtschaft eine besondere Rolle. Obwohl schon Untersuchungen in den drei?iger Jahren einen wie auch immer gearteten Einflu? des Mondes auf das Pflanzenwachstum f?r unwesentlich befunden haben, wird bis heute an einigen Instituten dahin gehend geforscht. 1995 fand die Dritte Wissenschaftstagung zum ?kologischen Landbau statt. Tagungsort war die Christian-Albrechts-Universit?t in Kiel. Den ersten Plenarvortrag hielt Dr. Wolfgang Schaumann aus Bad Vilbel. Schaumann f?hrte aus, da? Steiner mit seinem landwirtschaftlichen Vortragszyklus zu Menschen gesprochen habe, "die sich mit seinem bisherigen Werk, der Anthroposophie, schon besch?ftigt hatten. Diese Voraussetzung mu? daher eigentlich auch heute noch erf?llt werden, was aber nur selten der Fall ist". 

Steiners "Kurs", wie Schaumann die Vortr?ge nennt, sei "eine geistig au?erordentlich anspruchsvolle Kost. Es setzt eine sehr starke geistige Bem?hung voraus, eine Besch?ftigung mit den Grundlagen der Anthroposophie und gewisserma?en ein Leben mit den Inhalten." Statt dessen w?rden die Studenten mit "Spezialwissen vollgestopft". Die "Wurzel des Problems" sei die "Art der Bildung" in Deutschland. " Die Ausf?hrungen endeten mit der Feststellung: 

"Sie sehen, es ist ganz ungeheuer viel zu tun und das nicht deshalb, weil wir irgendwelche Sonderlinge sind, die sich seltsame Fragen einfallen lassen, sondern weil die Geschichte des Abendlandes dorthin strebt und weil die Welt, wo man hinblickt, gewissermassen laut danach ruft, da? es endlich mit gen?gender Intensit?t geschehe."

Das war der einleitende Beitrag einer wissenschaftlichen Tagung an einer staatlichen Universit?t! Schaumann forderte nichts anderes als eine Abkehr von wissenschaftlicher Bildung. Unverh?llt tritt hier der Anspruch einer okkulten Lehre zutage, durchgreifenden Einflu? auf das Bildungswesen in unserem Staat zu gewinnen. Was an anthroposophischen Waldorf-Schulen mit Kindern begonnen wird, die Vermittlung einer esoterischen Mythologie, die Runenlehre, das Rechnen mit Pentagrammen, die Erziehung zu heiliger Ehrfurcht und Scheu - wie Steiner es ausdr?ckte -, das soll an den Hochschulen fortgesetzt werden.

Die anthroposophische Medizin nach Rudolf Steiner wird heute allein in Deutschland in etwa 1000 Krankenh?usern und von 6000 ?rzten praktiziert. Trotz enormer Widerspr?che der Anthroposophie zu den Naturwissenschaften f?hlen sich Anwender dieser Methode nicht daran gehindert, eine Arzneimittellehre zu entwickeln, die auf dem Denkraster der Viergliederung des Menschen in physischen, ?ther-, Astral- und Lichtleib beruht. Metalle (prim?r Gold-, Kupfer-, Eisen-, Quecksilber-, Zinn-, Silber- und Bleiverbindungen) dienen zur "Behandlung" des "unbelebten Leibes", wobei angebliche Zusammenh?nge frei behauptet werden. So steht das Metall Blei den Anthroposophen f?r die Wirkung des Planeten Saturn und hat als "Zielorgan" die Milz, Gold hingegen steht f?r die Sonnenwirkung und zielt auf das Herz, Silber sei mit dem Mond verbunden und wirke auf das Gehirn. Diese Denkweisen und Praktiken sind nicht wissenschaftlich, sondern magisch, wie die biologisch-dynamische Landwirtschaft. 

Solchen Ans?tzen hat sich jedoch beispielsweise das im Jahr 2000 gegr?ndete Versuchsgut f?r den ?kologischen Landbau in Trenthorst bei L?beck verschrieben. Es wird von Gerold Rahmann geleitet, dessen anthroposophische Ausrichtung erst jetzt zutage trat. Am Institut f?r organischen Landbau der Universit?t Bonn wird zur Zeit eine pr?fungsrelevante Vorlesung abgehalten mit Inhalten wie geisteswissenschaftliche Grundlagen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise, goethanistisches Naturverst?ndnis und Erkenntnisweg, Nutzung chronobiologischer Rhythmen, bildschaffende Methoden und Ph?nomenologie. 

Wie nicht erst diese Beispiele zeigen, steht der wissenschaftliche Ansatz in Forschungseinrichtungen des ?kologischen Landbaus zur Disposition. Gleichwohl sind nicht alle Institute, an denen zum ?kolandbau geforscht wird, Horte ideologischer Hardliner. Integrierende Ans?tze zur ?kologisierung der Landwirtschaft, wie sie am Kieler Lehrstuhl f?r Gr?nland und Futterbau/?kologischer Landbau oder in D?nemark erarbeitet werden, k?nnen wichtige Impulse auch f?r die konventionelle Landwirtschaft liefern. Ein erg?nzendes Miteinander statt ideologischer Grabenk?mpfe ist vonn?ten. Aber das erfordert auch eine harte und deutliche Auseinandersetzung der Wissenschaftler mit den radikalen pseudowissenschaftlichen Ans?tzen der Anthroposophie. 

Esoterik, Astrologie und Okkultismus haben an staatlich unterst?tzten Forschungseinrichtungen nichts zu suchen. Ein wissenschaftlicher und vor allem ?ffentlicher Diskurs ?ber die historischen Grundpfeiler des ?kolandbau-Geb?udes und bestimmte gegenw?rtige Ausrichtungen sind unerl??lich. Doch auch die konventionelle Landwirtschaft tr?gt einen gro?en Teil Mitschuld an dieser Entwicklung. Unfreiwillige Sch?tzenhilfe erhielt die ideologische und radikale ?kofraktion n?mlich zuhauf: Es war der oft zielund gedankenlose Einsatz von Herbiziden und Insektiziden, heute noch als Pestizide verrufen, der immer noch grassierende Einsatz von Hormonen und Antibiotika in der Tierzucht und eine oftmals ignorante Haltung der Funktion?re, welche eine zunehmend kritische Verbrauchergeneration in die Biol?den trieb. Da? die SPD das Landwirtschaftsministerium komplett den Gr?nen ?berlie? - Ministerin und Staatssekret?r -, es also praktisch aus dem Bereich eigener Interessen gestrichen hat, ist eine Folge der BSE-Aff?re.

Heute rennen zahlreiche, ehemals konventionell ausgerichtete Bauern dem Zeitgeist hinterher und spielen mit dem Gedanken, ihren Betrieb auf "?ko" umzustellen. Das Ganze ist, und damit wirbt auch "Demeter", ein gro?es Gesch?ft. F?r viele Landwirte d?rfte der Umweltgedanke nicht das wichtigste Argument sein. Doch wird die Rechnung unter Umst?nden nicht aufgehen. Die von Frau K?nast geforderten zehn Prozent "?kologisch" produzierter Produkte w?rden zu einem starken Preisverfall f?hren. Und nur durch zum Teil sehr hohe Preise k?nnen ?kobetriebe und -produzenten ?berleben. 

Chemie nie! Natur pur! 

Man sollte auch die Nachteile der "?kologischen" Produktionsweise nicht aus dem Auge verlieren - etwa die hohen Ertragseinbr?che und Qualit?tsverluste bei Getreide. Es ist ohne mineralische Stickstoffd?ngung so gut wie unm?glich, backf?higen Qualit?tsweizen zu produzieren, der sich durch einen besonders hohen Proteingehalt und gute Klebereigenschaften auszeichnet. Doch gerade die mineralische Stickstoffd?ngung ist in das Fadenkreuz der Agrarwende geraten. Basierend auf dem strikten Minerald?ngerverbot durch die Richtlinien der ?ko-Anbauverb?nde wird das in unseren Breiten effizienteste Werkzeug zur Ertrags- und Qualit?tsbildung von Getreide verteufelt. 

Auch diese Beschr?nkung geht direkt auf Rudolf Steiner zur?ck, der forderte, da? keinerlei Kunstd?nger mehr zur Anwendung kommen d?rfe. "Das Streben nach H?chstqualit?t w?re dann vergeblich." Minerald?nger sei "tot" und w?rde deshalb mit den Ma?nahmen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise, "die ?berall das Leben f?rdern sollen", nicht harmonieren. Berechtigte ?kologische Fragestellungen, zum Beispiel zur Nitratauswaschung ins Grundwasser, waren in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Aber auch die heute aktuellen ?kologischen Zielsetzungen werden auf "biologisch-dynamischem Wege" nicht zwangsl?ufig erreicht. Das ist nicht etwa eine Anspielung auf den Fund des Wachstumsregulators Chlormequat in den Babygl?schen des "Demeter"-Herstellers Sunval.

Einige Agrar?konomen sind der Ansicht, da? die Anbaurichtlinien des ?kologischen Landbaus nie darauf ?berpr?ft wurden, ob sie tats?chlich auf effiziente Weise die Umweltziele erreichen. M?glicherweise gibt es Landbaumethoden, die nachhaltiger als der ?kolandbau sind. Selbst beim unbestreitbar wichtigen Thema Tierschutz mu? die ?kolandwirtschaft Probleme einr?umen, so bei Fragen der Milchviehhaltung. 

"Chemie nie! Natur pur!" steht auf den Br?tchent?ten einer Bioland- Vertragsb?ckerei. Bioland gilt als einer unter den zum Teil zerstrittenen Anbauverb?nden, der ideologische Ans?tze nicht unterst?tzen will und sich von diesen absetzte. Ist diese etwas schlichte Werbung nicht Sinnbild f?r die gesellschaftliche Entwicklung? So harmlos sich die Worte auf der T?te auch ausnehmen: Sie sind Beleg f?r die Abkehr von einer wissenschaftlichen und realistischen Weltsicht hin zum Irrealen und ?bernat?rlichen. Dieser Proze? hat sich in die Schulen und Universit?ten eingeschlichen, er spielt sich tagt?glich auf allen Fernsehkan?len ab - und auch in einigen K?pfen von Entscheidungstr?gern. W?hrend weltweit an der Entschl?sselung des menschlichen Erbgutes geforscht wird und Teilchenphysiker der Kraft auf der Spur sind, die "die Welt im Innersten zusammenh?lt", lassen wohlmeinende deutsche Eltern ihre Kinder nicht mehr impfen. Der Staat selbst finanziert direkt und indirekt die Verbreitung pseudowissenschaftlicher Lehren. Die Pisa-Studie bescheinigte unserem Land niederschmetternde Bildungsergebnisse. Gerade in den naturwissenschaftlichen F?chern gibt es einen gro?en Mangel an Lehrkr?ften. Hat Steiner auch das vorhergesehen? "Unser Denken h?rt auf, und unser Kopf wird der Schauplatz des Wirkens der h?heren Hierarchien." 


* Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Christian-Albrechts-Universit?t Kiel.

-----------------------------------------------------------------------------------------
Bildunterschrift: Der Mensch als Mikrokosmos im Makrokosmos. 
Wandtafelzeichnung von Rudolf Steiner, 1923. 

Es entstehen die Sinne, es werden Augen und Ohr. Pastell von Rudolf 
Steiner, 1914. 

? Rudolf Steiner Nachla?verwaltung, Dornach


Alle Rechte vorbehalten. (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main