Prof. Dr. Kurt Schetelig: Aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht….

Aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht….

 

Die Aussohnung zwischen Frankreich und Deutschland und die Grundung der Europaischen Union nach dem verheerenden 2. Weltkrieg sind die wichtigsten Ereignisse der letzten 60 Jahre. Diese Entwicklung wurde nicht nur von den Staatsmannern der betroffenen Nationen getragen,?sondern von Tausenden, vor allem junger Menschen, die sich fur die Sprache, die Kultur und Geschichte des jeweiligen Nachbarlandes interessierten und dies in Handeln umsetzten. Besondere Verdienste kommen hier den Bewohnern der grenznahen Stadte zu Frankreich zu, vor allem den Universitatsstadten Freiburg, Heidelberg, Saarbrucken, Trier und Aachen.

Aachen hat sich dabei durch die jahrliche Verleihung des Karlspreises einen besonderen Rang erworben.

Die Attentate in Paris in der vergangenen Woche und die Anteilnahme gerade auch von deutscher Seite haben das Zusammengehorigkeitsgefuhl gestarkt. Dies verlangt aber anhaltendes Bemuhen und Pflege der Kontakte. Vor diesem Hintergrund wirken die Uberlegungen zur Schließung der Romanistik an der RWTH Aachen besonders befremdlich.

Der Ruckzug auf Englisch als Sprache der Verstandigung mag im Rahmen der Wissenschaft und im oberen Technik-Segment eine akzeptable Losung sein. Diese versagt aber, sobald Kontakte mit den Menschen an der Basis oder gar mit Behorden aufgebaut werden sollen. Ich habe sogar den Eindruck, dass die Notwendigkeit einer Verstandigung mit Hilfe der Nationalsprachen in den letzten 20 Jahren wieder zugenommen hat. Dies gilt nach eigenem Eindruck nicht nur fur die großeren Nachbarlander wie Frankreich, sondern gerade auch fur die „kleineren“ wie die Niederlande oder Norwegen.

Meine personlichen Erfahrungen vor rund 60 Jahren gelten vielfach auch heute noch. Schon damals war auf dem Balkan oder im Vorderen Orient ohne die ortliche Sprache ein Durchkommen in geschaftlichen und vertraglichen Angelegenheiten praktisch nicht moglich. Englisch war Vertragssprache, war aber sonst nur fur Berichte fur Dritte, wie die Weltbank, von Bedeutung.

Die sprachliche Vielfalt wird sich noch vergroßern, da fur die Zukunft der Entwicklung auf der Erde die Geschehnisse in Asien, Lateinamerika und Afrika immer bedeutsamer werden. Nach statistischen Erhebungen lernen heute in Afrika schon mehr Menschen Chinesisch als Englisch. In Lateinamerika sind Spanisch oder Portugiesisch unerlasslich. Ein wichtiges Teilergebnis eines Sonderforschungsbereiches an der RWTH Aachen war, dass in Ubersee vor allem solche Vorhaben erfolgreich waren, bei denen Ingenieur-, Natur- und Geisteswissenschaften zusammen wirkten und so einen interkulturellen Dialog ermoglichten. Zum Abschluss ein Aspekt, der auf langere Zeit leider sehr wirksam werden konnte. Durch die nun schon langere Zeit andauernde Unsicherheit um die Romanistik werden bei Professoren, gegenwartigen und moglichen, kunftigen Studierenden sowie die interessierte Offentlichkeit Zweifel gesat, ob die RWTH auf Dauer eine breit angelegte Universitat bleiben will und soll. Diese Zweifel konnen fur das Ansehen der Hochschule wesentlich schwerwiegender sein als die Frage, ob der eine oder andere Lehrstuhl geschlossen werden soll oder nicht.

 

Prof. Dr. Kurt Schetelig

Vormaliger Inhaber des Lehrstuhls fur Ingenieurgeologie und Hydrogeologie

Ehemaliger Dekan der Fakultat 5 Georessourcen und Materialtechnik

Langjahriger Koordinator des Dialoges Nord-Sud an der RWTH Aachen

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