Als er im Herbst 1935 gezwungenermaßen wieder in Budapest war, hoffte Istvan Kardos, dort mit einem neuen Quartett an seine Erfolge mit den Berliner Kardosch-Sangern anzuknupfen. Immerhin war es seinen fruheren Kollegen von den Five Songs gelungen, sich in Budapest mit einem neuen Arrangeur und Pianisten (Gyorgy Ger?) als die „Triumph Egyuttes“ eine neue Karriere aufzubauen. Er durfte optimistisch gewesen sein, dass dasselbe umgekehrt auch ihm gelingen konnte – gute Sanger gab es schließlich auch in Budapest, außerdem verfugte er noch uber gute Kontakte aus seinen Budapester Jahren.

Schon am 5. November 1935 berichtet die Zeitung  8 Orai Ujsag uber seine Ruckkehr:

? 400 Konzerte in zwei Jahren . Nur wenige wissen, dass der Grunder und Leiter des weltberuhmten Jazzquartetts Kardosch-Sanger, bekannt aus dem Rundfunk und unzahligen Aufnahmen, der bekannte ungarische Komponist und Dirigent Istvan Kardos ist, der Budapest vor vielen Jahren verlassen hat. Dieses Quartett, das von westeuropaischen Kritikern als das kultivierteste und klangschonste Vokalensemble bezeichnet wird, hat in der westlichen Welt einen wahren Triumphzug angetreten, in zwei Jahren gaben sie fast 400 Konzerte. Kardos halt sich derzeit in Pest auf, von wo aus er weitere Tourneen organisiert .“

„Das kultivierteste und klangschonste Vokalensemble“ (wer mag dieser Einschatzung widersprechen!) hatte noch am 3.11. einen Auftritt, vermutlich seinen letzten, bei einem Unterhaltungsabend in Breslau gehabt.

In Budapest stellte Kardos ein Quartett zusammen, dessen Karriere sich zunachst gut anließ: am 28. Februar 1936 wirkten die Sanger an der Auffuhrung der Operette „Marchen im Grand-Hotel“ des ebenfalls aus Berlin verjagten Paul Abraham mit. In der Ankundigung der vielbeachteten Auffuhrung im Kamaraszinhaz (Kammertheater) schreibt 8 Orai Ujsag am Tag der Premiere:

„Bei der Auffuhrung wird auch das Gesangsquartett von Istvan Kardos zu horen sein, das gerade von einem sehr erfolgreichen Aufenthalt im Ausland zuruckgekehrt ist. […] In Deutschland haben sie in den letzten zwei Jahren 400 Konzerte gegeben, und die nun zu horenden Einlagen […] wurden von Istvan Kardos auf der Grundlage der Abraham-Melodien textlich und musikalisch bearbeitet.“

Die Pressestimmen zu „Marchen im Grand Hotel“ finden durchweg lobende Worte fur das Gesangsquartett, das von Abraham kreativ eingesetzt wurde:

Und noch eine Sache: das Kardos-Gesangsquartett. Diese vier erstklassigen Sanger im Orchester: vier wunderbare Instrumente.“ (Pesti Naplo, 29.02.1936, S. 13)

„Ein besonderer Erfolg waren das Orchester und das Kardos-Vokalquartett.“ (Szinhazi Elet, Nr. 11 1936, S. 13)

Der Gesang des Kardos-Vokalquartetts im Orchester, die Regie von Istvan Brodu und die vielfaltigen Buhnenbilder von Gara tragen zum erwarteten Erfolg bei. “ (Az Est, 29.02.1936, S. 6)

„Wie die bunten Papierbander an einem Maibaum schweben die leichten Rhythmen von Paul Abraham uber dem Marchen im Grand Hotel. Der in ganz Europa beruhmte Komponist setzt hier mehr auf instrumentalen Einfallsreichtum als auf melodische Abwechslung, wobei die Klangfarben seines Orchesters von der Marimba bis zum Vokalquartett reichen. Sein Einsatz des Quartetts als eigenstandiges Instrument ist innovativ und wirkungsvoll. (Das Kardos-Vokalquartett macht seine Sache gut.)“ (Budapesti Hirlap, 29.02.1936, S. 11)

„Das Vokalquartett von Istvan Kardos verdient Lob fur seinen fein ausgearbeiteten Klang.“ (Nepszava, 29.02.1936, S. 4)

Nach dem Engagement am Kammertheater gab es Plattenaufnahmen in den Odeon-Studios. Die Budapester Presse berichtet:

„Nach dem Gastspiel des Kardos-Vokalquartetts im Budapester Kammertheater produzierte das Pester Odeon-Studio die ersten ungarischsprachigen Aufnahmen des weltberuhmten Ensembles. Der beliebte spanische Walzer „‚Barcelonaban‘ und der charmante Foxtrott aus ‚Budapest-Wien‘: ‚Keresek egy jo utitarsat‘, werden Ihnen von den europaweit bekannten ungarischen Kunstlern prasentiert, gespickt mit musikalischen und textlichen Spaßen. “ (8 Orai Ujsag, 27.03.1936, S. 12)

„Budapest-Wien“ war eine damals aktuelle Operette, die am 9. November 1935, ebenfalls am Kammertheater, Premiere gefeiert hatte.

In der Vorstellung der Aufnahmen schreibt „Tukor“ am 1. April 1936:

„Ein neues Vokalensemble konnen Sie kennenlernen, wenn Sie das Kardos Quartett auf der Odeon-Scheibe A 197.485 horen. Sie singen „‚Keresek egy jo utitarsat‘ aus der ungarischen Operette ‚Budapest-Wien‘. Sie wirken sehr amusant. Dieses Ensemble ist ausgezeichnet, aber die Mitglieder sind – leider – keine Schauspieler. Die Witze werden in einem ernsten, sogar dusteren Ton erzahlt. Auf Ungarisch sprechen sie mit einem auslandischen Akzent, die wenigen deutschen Worter werden auf Ungarisch ausgesprochen. Sie sollten sich bemuhen, nicht nur ihren Gesang, sondern auch ihre Sprache zu farben. Ansonsten ist die Platte frisch und lebendig, die Aufnahme ist hervorragend. Auf der anderen Seite horen wir ihr Lied ‚Barcelonaban‘, ein sehr fantasievolles und amusantes Arrangement. Es ist schade, dass es in einigen Teilen des Stuckes einige unnotige Verzogerungen gibt, wenn auch nur fur ein paar Momente. In dieser Nummer reihen die vier hervorragenden Sanger Motive aus bekannten Opern von Verdi bis Bizet auf humorvolle Weise aneinander. Vielleicht ist dies eine leichte Anspielung auf die Zitatsammlungen ungarischer Jazzkomponisten?“

Zu horen gibt es das Kardos-Quartett hier mit „Keresek egy jo utitarsat“ (Ich suche einen guten Reisegefahrten) und „Barcelonaban“ (In Barcelona):

In vielen Zeitungsartikeln wird der Eindruck erweckt, es handle sich bei den Sangern des Budapester Quartetts um dieselben Sanger, die in Berlin Erfolge gefeiert hatten. Jede personelle Uberschneidung lasst sich aber – abgesehen vom akustischen Eindruck – auch deshalb ausschließen, weil alle Original-Kardosch-Sanger, auch Coste und Nyiri, zumindest zunachst in Berlin blieben. Das andert nichts daran, dass man von dieser Gruppe gern mehr horen wurde.

Es gab allerdings gelegentliche Auftritte der Gruppe, so zum Beispiel im April 1936 bei einem Unterhaltungsabend im Feszek Klub. Hier wird das „Kardos vokalkvartett“ sogar mit der Erganzung: „Kardosch-Sanger“ angekundigt.

Im September 1936 nahm Kardos eine Stelle als Kapellmeister am Csokonai-Theater in seiner Heimatstadt Debrecen an. Im Februar 1937 war dort zur Eroffnung eines Galaabends die „Kardos-Vokalgruppe“ zu horen. Schon nach einer Saison kehrte Kardos nach Budapest zuruck, wo es in den folgenden Jahren, wenn auch nur sporadisch, immer wieder zu Auftritten des Kardos-Quartetts (manchmal auch als Terzett) kam. Mindestens zweimal gab es sogar Auftritte bei Veranstaltungen im Großen Saal der Musikakademie: am 28. November 1937 bei einem Kabarett-Abend, an dem unter anderem auch Rosy Barsony teilnahm, und am 1. April 1938 bei einem Jazz-Abend.

Vermutlich Anfang 1941 kam es zu erneuten Plattenaufnahmen, diesmal mit einem Trio als Refrainsanger mit dem Orchester Solymossy Lulu. Ob es sich hier um drei Sanger des Kardos-Quartetts handelte, oder um eine komplett neue Besetzung, lasst sich leider nicht feststellen.

Diese vier Aufnahmen gibt es ebenfalls auf Youtube zu horen:

Die Budapester Gesangsgruppen nahmen (nach bisherigen Erkenntnissen) die folgenden Schallplatten auf:

Kardos-Kvartett, Februar/Marz 1936:

  • Ho 1473 ? Keresek Egy Jo utitarsat ? Odeon A 197485
  • Ho 1474 ? Barcelonaban ? Odeon A 197485

Orchester Solymossy Lulu, Gesang: Kardos-Trio, Anfang 1941 :

  • ODK 39 ? Egyszer Talan Megerzi ? HMV HU 259
  • ODK 40 ? Lanc, Lanc, Eszterlanc ? HMV HU 260
  • ODK 41 ? Az Egesz Csak Egy Szivdobogas ? HMV HU 260
  • ODK 42 ? Nem Igaz Hogy Szeretem ? HMV HU 259

Die Namen der Sanger und ihre weiteren Schicksale sind leider nicht bekannt. Fur jeden noch so kleinen Hinweis zu ihrer Identitat ware ich dankbar.