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Der Sender schickte mich in den Nahen Osten. Gute Ratschlage gab er mir nicht mit, ich musste mich selbst durchbeißen, und das war nicht leicht, denn ich gehorte einem Jahrgang an, der belastet war durch die unselige Geschichte des Ditten Reiches mit dem entsetzlichen Holocaust. Die Israelis hatten mich kritisch gepruft am Frankfurter Flughafen, wo am Flugfelde die Panzer drohten, und ich hatte Angst vor der Begegnung mit Menschen, die meine Regierung einst mit dem Tode bedrohte. Hier in Israel spurte ich uber all den bitteren Krieg, den 6-Tage-Krieg des Jahres 1967, in dem Israel unter hohen Verlusten seine starken arabischen Nachbarn schlug und die Sinaihalbinsel bis zum Suezkanal besetzte und die Altstadt von Jerusalem. Das kleine Land war dabei, sich von diesem Krieg zu erholen, die Wunden zu lecken. Ich saß im Taxi vom Flugplatz nach Tel-Aviv, da erzahlte mir der Driver in allen Farben berlinischer Beredsamkeit, wie er bei Ausbruch des Krieges, und als das Radio das Geheimsignal Orange sendete, an den Ort des Einsatzes geeilt sei und die Taxe voller Soldaten, kostenlos versteht sich, an die Front gefahren hatte. Der Driver ließ mich nicht spuren, dass ich der Feind sei. An den Straßenrandern standen zerfetzte LKW und Tanks und Geschutze, uberall die Fahnen Israels und neue Denkmale. Das Land schien im Rausch zu liegen und ich fuhlte mich angesteckt. Die Menschen auf den Straßen strahlten und waren freundlich zu mir und hilfsbereit wie der Friseur aus Breslau, der mir die Haare schnitt und alles noch einmal erzahlte. Ich fand ein kleines Vorstadthotel. Den Nachtdienst versah ein freundlicher junger Student, der damit seine Semestergebuhren bezahlte. Wir kamen ins Gesprach, uber die Vergangenheit, uber den nachsten Krieg, an dem er vielleicht teilnehmen wurde.
Orange
Am nachsten Morgen eine Vorstadtstraße in Tel-Aviv. Das Schild mit der hebraischen Bezeichnung Keren Kayemet . Herr Glucklich begann zu erzahlen: Wenn wir als Kinder fruher mit dem Bus nach Jerusalem fuhren, dann zahlten wir die Baume an der Landstraße. Jeder Baum war eine Uberraschung, so wenige gab es , sagte der Chef der Wiederaufforstung Israels. Seit vielen tausend Jahren ist Israel ein Durchgangsland fur ungezahlte Volkerscharen. Heute ist es Heimat. Wir mussen an Landschaft retten, was noch zu retten ist. Wir haben Eukalyptusbaume in Australien gekauft und Pinien. Seit 1948 haben wir 100 Millionen Baume gepflanzt und schon haben wir Probleme mit Waldbranden. Das wollte ich genauer betrachten und fuhr durchs Land. Und sah, warum Herr Glucklich so stolz ist. Der Unterschied zwischen den grauen Steinhugeln jenseits der Grenze in Jordanien und dem bunten Mischwald diesseits uberzeugte nicht nur den Naturfreund. Pinien hatten der Erosion Einhalt geboten. Zwischen nacktem Gestein bildete sich eine dunne Humusschicht. Schon jetzt sollte hier stellenweise das Klima feuchter sein. Israel hatte ? wie wir in Norddeutschland, einen Tag des Baumes Rashut Schmuroth Hateva, und an einem solchen ging ich mit dem Forstwirt Chaim Blass in die gut eingerichtete Forstschule Esthahol und ließ mir die Beete mit den Fichten- und Eichensetzlingen zeigen, die hubsch gekleidete Madchen gebracht hatten.
Keren Kayemet
Wenn wir als Kinder fruher mit dem Bus nach Jerusalem fuhren, dann zahlten wir die Baume an der Landstraße. Jeder Baum war eine Uberraschung, so wenige gab es
Seit vielen tausend Jahren ist Israel ein Durchgangsland fur ungezahlte Volkerscharen. Heute ist es Heimat. Wir mussen an Landschaft retten, was noch zu retten ist. Wir haben Eukalyptusbaume in Australien gekauft und Pinien. Seit 1948 haben wir 100 Millionen Baume gepflanzt und schon haben wir Probleme mit Waldbranden.
Tag des Baumes
Weiter zu einem Haus in Tel-Aviv. Es offnete Abram Joffe, Armeegeneral außer Diensten, kam eben aus dem Feld, herrisch, kurz angebunden. Ich sagte mein Spruchlein auf, von wegen Naturschutz im Lande. Das Kriegerauge wurde mild. Naturschutz war der neue, noch ungewohnte Beruf des Generals, eben ernannt zum obersten Naturschutzer Israels. Aus dem Saulus war ein Paulus geworden, denn Joffe galt vor kurzem noch als großer Nimrod vor dem Herrn, der nur zu gern Bocke im Negev geschossen hatte. Die ließ er nun zufrieden und fuhr mit mir weit gen Norden ins Tal von Huleh und mit dem Kahn ubers Wasser, wo man weit hinten versteckt die schwarzen Herden der Buffel sah. Er zeigte mir den hohen Papyrus, der in diesem milden Klima sein nordlichstes Vorkommen hat und das Gewusel der Zugvogel auf den kleinen Wellen des Huleh-Sees, weil hier ein wichtiger Rastplatz ist. Friedlich glitten wir ubers Wasser, ich staunte uber braunerdige Schildkroten und hungrige Welse. Fuhlte Bewunderung fur ein Land, das sich neben den teuren Kriegen noch den gewiss nicht billigen Naturschutz leistet. Auch die Probleme der modernen Agrarchemie standen im Licht. Im Zoo von Tel-Aviv, das waren nur ein paar Kafige, sehr bescheiden noch ? zeigte mir der quirlige Professor Heinrich Mendelssohn Raubvogel mit dick geschwollenen Beinen. Sie hatten Mause geschlagen, die vollgepumpt waren mit dem DDT, das die Kibbutzbauern bei Nablus auf ihre Orangenhaine spritzten, wohl wissend, dass DDT international langst gebannt war. Ich sah Nablus, und ich war entsetzt. Uberall an den Randern der Orangenhaine standen Schilder mit Totenkopfen als Warnung vor dem Gift.
Forschung und Wissenschaft im Lande wurden schon zu Beginn des Staates dominiert von den Jeckes , von Europaern, vorwiegend Deutschen, die nach 1933 eingewandert waren auf der Flucht vor den Nazis und nun auf den Lehrstuhlen der Universitaten und in den Instituten saßen und arbeiteten, wie sie es aus Europa gewohnt waren, sorgfaltig, genau, eben deutsch. Sie haben gewiss das geistige und organisatorische Leben des Landes entscheidend mitgepragt. Dr. Benno Rothenberger in Ramat-Aviv gehorte dazu, jener Archaologe, der die Welt auf die uralten Schatze im Tal von Timna aufmerksam gemacht hatte, wo man schon zur Zeit der Pharaonen nach Kupfer gegraben hatte. Und Dr. Hugo Boyko gehorte dazu, wie seine Kollegin Dr. Marbach in Rehovot. Sie zeigten mir in Eilat die Ergebnisse ihrer neuen Bewasserungstechnik ? mit mildem Salzwasser, das war unerhort in den Ohren normaler Techniker. Aber sie gelingt auf tiefen Sandboden, wo das Salz an den Wurzeln vorbei in die Tiefe geht und nur reines Sußwasser die Pflanzenwurzeln erreicht. Ich sah die salzwasserbespruhten Juncusfelder und die gedeihenden Walder am Stadtrand von Eilat. Eine andere Technik zur Bekampfung der Wassernot zeigte Erika aus Bottrop mir im Kibbutz der Quelle En Gedi; die Studentin fuhrte mir ihre gepflegten roten Rosen vor, die prachtig gediehen im plastikversiegelten Gewachshaus, in dem ein Wasserkreislauf ohne Verlust funktionierte. Doch ich musste weiter im Heiligen Land.
Jeckes
Eine graue Staubfahne zog mein Jeep hinter sich, denn die Straße von Beer-Sheba nach Eilat fuhrt durch die Halbwuste Negev und ist bestimmt keine glatte Autobahn. Gegen Abend tauchte rechts eine verlassene Bushaltestelle auf. Hinter den flachen Gebauden ragt ein Berg hoch hinauf in den Wustenhimmel, und jedermann im Lande kennt seine Silhouette, es ist die uralte Kreuzfahrer Festung Avdat. Gegenuber hat man eine Wetterstation und eine Forschungsstelle errichtet. Das Geheul der Wachhunde beruhigte sich erst, nachdem sie sich uberzeugt hatten, dass ich keinen Uberfall plane, wie Beduinen von druben das hin und wieder tun.
druben
Mich begrußte im kultivierten Deutsch Professor Michael Evenari von der Hebraischen Universitat Jerusalem, er war Wustenokologe. Bei kuhlem Tee erzahlte er mir von der Geschichte des Negev, dem Sudland der Bibel. Um 250 vor Chr. erscheinen sudarabische Karawanenhandler ? die Nabataer. Der Handel machte sie reich, und sie errichteten befestigte Stutzpunkte und Stadte entlang ihrer Handelsstraßen. Das zauberhafte Petra war ihre Hauptstadt. Sie grundeten Avdat und betrieben eine umfangreiche Bewasserungslandwirtschaft. Im heutigen Israel versucht die Forschung, eine landwirtschaftliche Anbautechnik zu rekonstruieren, die diese Vorfahren vor 2800 Jahren erfanden. Dabei ist erwiesen, dass es damals im Negev nicht mehr Regenwasser gab als heute, namlich im Durchschnitt 80 Millimeter, das ist sehr wenig.
Sudland
Das Geheimnis lag in der Eigenschaft des Loßbodens. Fallt Regen, so bildet er eine dunne Kruste, die kein Wasser durchlasst. Das Wasser lauft vielmehr die Hange hinab. Man nennt das eine Flut. Die Nabataer haben sich Fluten zunutze gemacht. Sie sammelten das ablaufende Wasser in steinumsaumten Kanalen und leiteten es auf tiefer liegende Felder. Nach der Flut hat sich jede der steinernen Terrassen in einen Teich verwandelt. Das Wasser sickerte langsam in den Boden. 30 Zentimeter Wasser genugten, um 2 Meter Loßboden mit Wasser zu durchtranken, damit hatten die landwirtschaftlichen Gewachse Wasser fur ein Jahr. Evenari lachte: Es ist keine Sage: Damals wuchsen Trauben im Negev! Er will keine Weintrauben, aber grune Flachen mit Weidegras, Spargel, Artischocken. Bluhende Kirschbaume bildeten einen reizvollen Kontrast zur graugelben Ruine der Nabataerburg. Aber die Widerstande im Lande gegen den Deutschen waren heftig. Ingenieure fanden Evenaris Methode unzuverlassig, sie bauten auf große Wasserleitungen, die sie legen wollten vom See Genezareth bis weit in den Suden. Heute wurde man Evenaris Ideen nachhaltig nennen. Naturlich brachte mich die junge Dame aus dem Hotel auch an den Heiligen See Genezareth, und ich fragte mich, warum um Himmelswillen geben einem die Sender so wenig Zeit? Auf der Station Tapra trafen wir den Ranger Juda Nero, der mir mit kuhlen Worten die Probleme des Sußwassersees erklarte. Er traumte von einer Frischwasserleitung in den Suden. Von den alten Nabataern und ihren Wasserkunsten und von dem deutschen Botaniker wollte der Ingenieur nichts wissen.
nachhaltig