Die
Zweite Franzosische Republik
(
franzosisch
:
Deuxieme Republique francaise
) ging aus der
Februarrevolution
hervor. Ihr Beginn war der 25. Februar 1848. Nach einer kurzen Phase des Nebeneinanders von linken und liberalen Kraften setzten sich vor allem nach dem Juniaufstand 1848 die gemaßigten Liberalen durch. Als im Dezember 1848
Louis Napoleon Bonaparte
die Prasidentschaftswahlen gewann, verstarkten sich die antirevolutionaren Tendenzen noch einmal. Nach dem 2. Dezember 1851 und tiefgreifenden Verfassungsanderungen zu Gunsten des Prasidenten bestand die Republik nur noch auf dem Papier, ehe am 2. Dezember 1852 das
zweite Kaiserreich
ausgerufen wurde.
Louis Blanc
Das Regime des Burgerkonigs
Louis Philippe
war letztlich an der Losung der
sozialen Frage
gescheitert und daran, der Forderung nach politischer Partizipation nicht entsprochen zu haben. Das Regime hatte die Hungersnote von 1846 und 1847 vergleichsweise gut uberstanden und die Regierung konnte sogar 1846 die Wahlen gewinnen. Der Hauptgrund fur das Scheitern war die unnachgiebige Haltung in der Wahlrechtsfrage. Hatte sich die Regierung immer wieder ? auch bei der Niederschlagung vorheriger Aufstande ? auf die Nationalgarde verlassen, so waren die uberwiegende Mehrheit der Mitglieder derselben nicht wahlberechtigt. Die politische Unbeweglichkeit kam hinzu ? trotz vielfacher Kompromissvorschlage, den Dienst in der Nationalgarde mit dem Wahlrecht zu ?belohnen“ kam die Regierung nicht auf die andere Seite zu. Der daraus resultierende Unmut machte sich in der Februarrevolution Luft. Der Versuch des ?Burgerkonigs“ Louis Philippe scheiterte, den Revolutionaren mit der Ernennung von
Adolphe Thiers
noch entgegenzukommen. Dieser musste daher am 24. Februar 1848 abdanken und ins Exil gehen.
[1]
In der ersten Phase der Revolution und Republik bis zum Zusammentritt einer Nationalversammlung am 4. Mai 1848 gab es eine provisorische Regierung unter
Alphonse de Lamartine
, an der alle oppositionellen Krafte von den republikanischen Liberalen, uber linke Demokraten (Radikale) bis hin zu den Sozialisten beteiligt waren. Von Beginn an war die Entwicklung gepragt vom Gegensatz zwischen den burgerlichen
Liberalen
auf der einen Seite und den von Arbeitern und kleinen Handwerkern unterstutzten
Sozialisten
auf der anderen. Die Regierung fuhrte sofort einen Zehn- bis Elfstundentag ein und erlaubte die Bildung von
Gewerkschaften
. Vor allem der sozialistische Minister
Louis Blanc
sorgte fur die Einrichtung von
Nationalwerkstatten
zur Beschaftigung der Arbeitslosen vor allem in
Paris
, was dem proklamierten ?Recht auf Arbeit“
(droit de travail)
entsprach. Damit war allerdings nicht die Einrichtung von Korporativen verbunden, wie sie die Sozialisten wollten, vielmehr bestand der Kompromiss innerhalb der Regierung darin, offentliche meist unproduktive Arbeitsmaßnahmen zu finanzieren. Das Privateigentum war damit nicht in Frage gestellt.
Die Maßnahmen selbst waren nur wenig wirksam. Die Zahl der Arbeitslosen stieg weiter an und die Kosten fuhrten zu
inflationaren
Tendenzen.
[2]
Barrikadenkampf in der Rue Soufflot, Paris, 25. Juni 1848
(
Juniaufstand
)
[3]
In der Wahlrechtsfrage setzten sich die Linken starker durch. Mit Erklarung vom 4. Marz 1848 wurde das allgemeine Wahlrecht fur Manner eingefuhrt, als zweitem Land in Europa nach der kurzlebigen
Helvetischen Republik
in der heutigen Schweiz. Die Zahl der Wahlberechtigten stieg damit von 250.000 auf 9 Millionen.
Die Wahlen zur Nationalversammlung vom 23. April 1848 zeigten, dass die Mehrheit zwar die
Monarchie
ablehnte, aber fur einen eher gemaßigt liberalen Kurs und nicht fur eine sozialistische Republik pladierte. Etwa die Halfte der 900 Sitze fielen an die gemaßigten Befurworter der Republik, nur etwa 200 an die radikalen Demokraten und Sozialisten. Hinzu kamen weitere 200 Abgeordnete fur die
Dynastie Orleans
und noch einmal 40
Legitimisten
, also Anhanger der alteren Linie der
Bourbonen
.
Nach der Wahl loste sich die provisorische Regierung auf. An ihre Stelle trat eine exekutive Kommission. Dass die sozialen Konflikte nicht gelost waren, zeigte sich nach der Auflosung der kostenintensiven Nationalwerkstatten durch die Nationalversammlung. Dies fuhrte zu den Juniunruhen zwischen dem 23. und 27. Juni 1848, als Arbeiter und Handwerker dagegen protestierten. Sie gipfelten im Bau von Barrikaden und Straßenkampfen. Die liberale Regierung ließ durch den Kriegsminister
Louis-Eugene Cavaignac
die Unruhen durch die Armee mit aller Gewalt unterdrucken. Mehr als 3000 Menschen verloren ihr Leben und 5000 wurden verwundet. Außerdem wurden Anfuhrer hingerichtet und mehr als 15.000 Personen deportiert. Bis zur Prasidentenwahl ubte Cavaignac mit fast
diktatorischen
Vollmachten die vollziehende Gewalt aus.
[4]
Die am 4. November 1848 verkundete Verfassung erklarte Frankreich in der Praambel zu einer demokratischen Republik und bekannte sich zu den Prinzipien der
Franzosischen Revolution
: ?
Freiheit, Gleichheit, Bruderlichkeit
.“ Außerdem wurde die Abschaffung der
Todesstrafe
verkundet und kostenloser Grundschulunterricht garantiert. Eroberungskriegen wurde eine Absage erteilt. Neben diesen emanzipatorischen Elementen enthielt die Verfassung eher konservative Elemente mit der Erklarung von Familie, Arbeit, Eigentum und der offentlichen Ordnung zu Grundprinzipien der Republik. Das Recht auf Arbeit wurde allerdings ebenso wenig wie ein progressives Steuersystem beschlossen.
Das
Parlament
bestand nur aus einer Kammer. Sowohl Parlament wie auch der
Prasident
wurden fur vier Jahre durch das gleiche, allgemeine und direkte Wahlrecht fur Manner gewahlt. Unklar blieben Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Minister. Der direkt gewahlte Prasident hatte dagegen weitgehende Machtbefugnisse. Eine Wiederwahl war allerdings nicht moglich.
[5]
Bei der Prasidentenwahl vom 10. Dezember 1848
[6]
setzte sich Louis Napoleon Bonaparte klar gegen Cavaignac und andere Bewerber durch. Den Sieg verdankte Bonaparte vor allem Wahlern aus landlichen Gebieten und dem noch immer weiter wirkenden Nimbus von
Napoleon I.
Fur eine Wende nach Rechts spricht, dass die Republik im Marz 1849 eine Armeeexpedition nach
Rom
befahl, um den von den Revolutionaren der
romischen Republik
vertriebenen Papst
Pius IX.
wieder einzusetzen. Nach der Belagerung von Rom mussten die Verteidiger am 30. Juni kapitulieren. In der franzosischen Nationalversammlung fanden Antrage gegen dieses Vorgehen keine Mehrheit.
Am 13. Mai 1849 fanden die Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung statt. Die Wahlbeteiligung war mit 60 % gering. Wahlverlierer waren die gemaßigten Republikaner, die nur 70 Sitze bekamen. Sozialisten und radikale Demokraten kamen auf 200 Abgeordnete. Die verschiedenen Befurworter der Monarchie, also
Bonapartisten
, Orleanisten und Legitimisten bildeten mit 60 % die Mehrheit.
Am 13. Juni 1849 fuhrte der Kampf gegen die romische Republik zu erneuten Unruhen der politischen Linken. Nach der militarischen Niederschlagung dieser Unruhen wurde die oppositionelle Presse unterdruckt und fuhrende Gegner des Regimes ins Exil getrieben. Auch die Strafgesetze wurden danach verscharft.
Bereits Ende Oktober entließ Bonaparte die Regierung, die noch aus Mitgliedern des Parlaments bestand, und ersetzte sie durch von ihm abhangige Manner. Ein konservatives Schulgesetz wurde Anfang 1850 eingefuhrt; es starkte den Einfluss der Geistlichkeit. Symbole der Revolution wie die Freiheitsbaume mussten entfernt werden.
Im Mai 1850 wurde auch das Wahlrecht eingeschrankt. Die Zahl der potentiellen Wahler sank auf 6,8 Millionen und damit um ein Drittel. Davon betroffen waren vor allem große Teile der Arbeiterbevolkerung und kleine Landwirte.
[7]
Prasident Louis-Napoleon Bonaparte
Bonaparte begann bald damit, eine Revision der Verfassung vorzubereiten, um das Kaiserreich wieder zu erneuern. Durch Reisen durch die Provinzen versuchte er auf Kosten des Parlaments seine Popularitat bei der Bevolkerung und vor allem bei der Armee zu erhohen. Unterstutzt wurde er dabei von den bonapartistischen Vereinen. Eine Kommission wurde beauftragt, eine Revision der Verfassung vorzubereiten, die eine Wiederwahl ermoglichen sollte.
Im Parlament fanden diese Antrage nach ausfuhrlichen Beratungen im Juli 1851 nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Daraufhin entschloss sich Bonaparte zum Staatsstreich, nachdem er sich der Unterstutzung fuhrender Militars versichert hatte.
Der
Staatsstreich vom 2. Dezember 1851
fand am symboltrachtigen Jahrestag der
Schlacht von Austerlitz
und der Kaiserkronung von Napoleon I. statt. An diesem Tag wurden strategische Punkte in Paris vom Militar besetzt und fuhrende Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung verhaftet. Außerdem wurde der
Belagerungszustand
fur Paris ausgerufen, das Parlament aufgelost und eine neue Verfassung angekundigt
[8]
. Darin wurde die Wiedereinfuhrung des allgemeinen Wahlrechts angekundigt. An der Spitze der Republik sollte ein fur zehn Jahre gewahlter Prasident mit großen Machtbefugnissen stehen. Die
Legislative
sollte aus einem Staatsrat, einer gesetzgebenden Korperschaft und einem Senat bestehen.
Ein Teil der Parlamentarier versuchte im Parlament uber legale Gegenmaßnahmen zu beraten. Die Versammlung wurde aber aufgelost und die Abgeordneten verhaftet. Von der entschieden republikanischen Seite wurde am 3. Dezember ein außerparlamentarischer Volksaufstand ausgelost, der Paris und einige angrenzende Gebiete erfasste. Da die Zahl der Beteiligten aber deutlich hinter den Barrikadenkampfen von 1830 und 1848 zuruckblieb, konnten die Unruhen rasch niedergeschlagen werden. Die Kampfe kosteten auf Seiten der Republik noch einmal 400 Tote und noch mehr Verwundete.
[9]
Die Republik bestand seither nur noch auf dem Papier. Durch ein Referendum ließ sich Bonaparte, der sich nun ?Prince-President“ nennen ließ, den Staatsstreich noch im Dezember 1851 legitimieren. Im Januar 1852 wurde die neue Verfassung vorgelegt
[10]
. Diese sah einen extrem starken Prasidenten vor, der nur dem Volk gegenuber verantwortlich war. Mit
Referenden
konnte er sich uber parlamentarische Entscheidungen hinwegsetzen. Auch die Minister waren nicht dem Parlament, sondern nur dem Prasidenten verantwortlich. Der Staatsrat wurde allein vom Prasidenten bestimmt. Die Gesetzgebende Versammlung wurde fur sechs Jahre gewahlt. Die Regierung behielt sich durch die Bevorzugung offizieller Kandidaten Einflussmoglichkeiten vor. Das Parlament hatte keinerlei
Initiativrecht
fur Gesetze oder den Etat, sondern konnte nur Vorlagen zustimmen oder ablehnen. Ein Gegengewicht konnte auch der Senat nicht bilden. Auch seine Mitglieder wurden ernannt oder saßen durch ihr Amt als hohe Offiziere, Geistliche oder ahnliches in diesem Gremium. Der Senat war als Schutzmechanismus gedacht, um mogliche der Regierung nicht genehme Entscheidungen des Parlaments abweisen zu konnen. Außerdem konnte er durch Senatskonsulte die Verfassung erganzen und andern.
Angesichts der bereits gesicherten Macht war die Annahme des Kaisertitels als Napoleon III. durch Senatskonsult vom 7. November und eine Volksabstimmung nur noch Formsache. Dabei stimmten 7,8 Millionen mit Ja, 200.000 mit Nein und 65.000 Stimmen waren ungultig.
[11]
- Heinz-Gerhard Haupt
:
Von der franzosischen Revolution bis zum Ende der Julimonarchie.
In:
Ernst Hinrichs
(Hrsg.):
Kleine Geschichte Frankreichs.
Bundeszentrale fur Politische Bildung, Bonn 2005,
ISBN 3-89331-663-9
, S. 255?310.
- Charlotte Tacke:
Von der Zweiten Republik bis zum Ersten Weltkrieg.
In: Ernst Hinrichs (Hrsg.):
Kleine Geschichte Frankreichs.
Bundeszentrale fur politische Bildung, Bonn 2005,
ISBN 3-89331-663-9
, S. 311?360.
- Eric Anceau:
Napoleon III. Un Saint-Simon a cheval.
Tallandier, Paris 2008,
ISBN 978-2-84734-343-4
.
- Francis Choisel:
La Deuxieme Republique et le Second Empire au jour le jour. Chronologie
(=
Biblis.
108). CNRS Editions, Paris 2015,
ISBN 978-2-271-08322-7
.
- ↑
Haupt, S. 307
- ↑
Tacke, S. 314 f.
- ↑
Deutsches Historisches Museum
- ↑
Tacke, S. 316f.
- ↑
Tacke, S. 317.
- ↑
siehe auch
en:French presidential election, 1848
- ↑
Tacke, S. 318f.
- ↑
@1
@2
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Dekret vom 2. Dezember 1851
(
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)
(www.verfassungen.de)
- ↑
Tacke, S. 319 f.
- ↑
Text der Verfassung von 1852
auf Franzosisch
(
Conseil constitutionnel
) und
auf Deutsch
(www.verfassungen.de)
- ↑
Tacke, S. 322f.
Regierungssysteme und Vorgangerstaaten Frankreichs