Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages ( WD ) sind eine Einrichtung, die es dem einzelnen Bundestagsabgeordneten ermoglichen soll, sich unabhangig von der Sachkompetenz der Bundesministerien unparteiisch zu bestimmten Themen zu informieren. Sie sollen so dabei helfen, den Wissensvorsprung der Exekutive gegenuber der Legislative zu verringern. Sie bilden als Teil der Abteilung A (Außenbeziehungen, Europa und Analyse) eine Unterabteilung der Verwaltung des Deutschen Bundestages . 2018 hatten die Wissenschaftlichen Dienste rund 100 Mitarbeitende, davon ca. 65 Referenten. [1]

Gliederung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Wissenschaftlichen Dienste sind in zehn Fachbereiche [2] gegliedert, die den 25 standigen Ausschussen des Parlaments entsprechen; ein Fachbereich ist jeweils fur mehrere Ausschusse tatig.

Fachbereiche der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages [3]
Fachbereich Sachgebiete
WD 1 Geschichte, Zeitgeschichte und Politik [4]
WD 2 Auswartiges, Volkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitare Hilfe [5]
WD 3 Verfassung und Verwaltung [6]
WD 4 Haushalt und Finanzen [7]
WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernahrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz [8]
WD 6 Arbeit und Soziales [9]
WD 7 Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung [10]
WD 8 Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung [11]
WD 9 Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend [12]
WD 10 Kultur, Medien und Sport [13]

Bis 2013 gab es zusatzlich den Fachbereich Europa (WD 11), [14] dessen Aufgabenbereich an die auf 64 Mitarbeiter verstarkte Unterabteilung Europa (PE) der Abteilung Parlament und Abgeordnete (P) ubergegangen ist. [15] Diese wurde im Zuge der Umstrukturierung der Bundestagsverwaltung 2023 als Unterabteilung Europa (EU) ebenso wie die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD) der Abteilung A zugeordnet.

Anfragen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

?Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstutzen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tatigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder.“

? [16]

Auftrage an die Fachbereiche konnen sowohl von Abgeordneten als auch von Gremien des Deutschen Bundestages erteilt werden. Vorhandenes Material wird ggf. auf Anfrage auch der Bundesregierung , den Landesregierungen , Abgeordneten der Landesparlamente und des Europaischen Parlaments sowie externen (wissenschaftlichen und sonstigen) Institutionen zur Verfugung gestellt.

Auf Gegenseitigkeit innerhalb des Europaischen Zentrums fur Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation und nachrangig werden auch Ersuchen anderer Parlamente aus dem Bereich der Europaischen Union , des Europarats sowie aus den Parlamenten Israels , Kanadas , Mexikos und der Vereinigten Staaten bearbeitet.

Die Wissenschaftlichen Dienste erhalten bis zu 4.300 Anfragen im Jahr. Die Anfragen gehen bei einer Hotline W genannten Stabsstelle ein, die zahlreiche Datenbanken abfragen und mehr als die Halfte der Auskunfte direkt erteilen kann. Ansonsten klart Hotline W die Zustandigkeit und leitet den Auftrag an den Fachbereich weiter. Werden Anfragen schriftlich beantwortet, kennen die Fachbereiche verschiedene Formen wie Ausarbeitungen, Sachstande, Dokumentationen und Fachbeitrage, die sich in Form und Umfang unterscheiden. Im Ausnahmefall werden Arbeiten auch an externe Wissenschaftler vergeben. Redenentwurfe werden nur fur Mitglieder des Bundestagsprasidiums erstellt.

Die Wissenschaftlichen Dienste forschen in der Regel nicht selbst, sondern stellen den Stand der Forschung, Gesetzgebung und Rechtsprechung verstandlich und ubersichtlich dar. Die Arbeiten der WD sind der politischen Neutralitat verpflichtet. Die Arbeit steht dem Auftraggeber in der Regel vier Wochen exklusiv zur Verfugung. Nach dieser Zeit veroffentlicht der Bundestag seit 2016 die Arbeit auf seiner Webseite, ?so dem nicht eng gefasste Ausschlussgrunde entgegenstehen“. [17]

Abgeordnete durfen die Wissenschaftlichen Dienste grundsatzlich nur im Rahmen ihrer mandatsbezogenen Tatigkeit nutzen. [18]

Den rechtlichen Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste wird ein ?zweifelsohne hoher juristischer Sachverstand“ sowie ein ?de facto stets hohes Gewicht im parlamentarischen Geschehen“ beigemessen. [19]

Archiv [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Wissenschaftlichen Dienste konnen auf die mit rund 1,4 Millionen Exemplaren [20] drittgroßte Parlamentsbibliothek der Welt, die Bibliothek des Deutschen Bundestages , zuruckgreifen. Daneben werten sie auch das Archiv des Deutschen Bundestages aus.

Weitere Aufgabenbereiche [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weniger bekannte Aufgaben der Wissenschaftlichen Dienste sind die Vorbereitung dreier Preisvergaben, des Medienpreises des Deutschen Bundestages , des Wissenschaftspreises sowie des Deutsch-franzosischen Parlamentspreises . Auch die Dauerausstellung zum Parlamentarismus im Berliner Deutschen Dom Wege ? Irrwege ? Umwege wird von den Wissenschaftlichen Diensten (Fachbereich WD 1) fortentwickelt.

Die Wissenschaftlichen Dienste werden auch von sich aus tatig: Zu ?Aktuellen Begriffen“ stellen sie zweiseitige Informationen zusammen, die allen Abgeordneten zuganglich gemacht werden. Auf der Website gibt es auch Ausarbeitungen fur die breite Offentlichkeit.

Sonstiges [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Rechtsstreit um Gutachten zu außerirdischem Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Auf Anfrage der Abgeordneten Gitta Connemann erstellte der Fachbereich 8 der Wissenschaftlichen Dienste (WD 8) im Jahr 2009 zwei Studien mit den Titeln Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestischen Lebensformen (WD8-3000-104/2009) und Die Europaische Union und ihr Umgang mit dem Thema ?unidentifizierte fliegende Objekte“ (WD11-148/09). Die Ausarbeitungen befassen sich mit der moglichen Existenz extraterrestrischen Lebens , unidentifizierter fliegender Objekte und eventuell stattfindender Untersuchungen daruber. Da die Ausarbeitungen nicht veroffentlicht worden waren, versuchte ein Klager 2011 aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes vor dem Verwaltungsgericht Berlin Einsicht in die Studien zu bekommen. [21] [22] [23] [24] Der Klager reichte zudem bei dem Bundesbeauftragten fur den Datenschutz und die Informationsfreiheit Beschwerde ein. [25] [26] Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin entschied erstinstanzlich am 1. Dezember 2011 (Az.: VG 2 K 91.11): ?Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gilt auch fur Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.“ [27] [28] [29] [30] Der Deutsche Bundestag legte gegen das Urteil Berufung ein. [31] Im November 2013 gab das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Berufung vollumfanglich statt. Es entschied, dass das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Unterlagen der wissenschaftlichen Dienste, die fur Abgeordnete erstellt werden, keine Anwendung findet, sofern diese Unterlagen nicht in Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben erstellt worden seien, sondern dem Bereich parlamentarischer Tatigkeit zuzurechnen seien und der unmittelbaren Unterstutzung der Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tatigkeit dienen. [32] [33] Im Juni 2015 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Ausarbeitung herausgegeben werden muss: ?Der Deutsche Bundestag ist, soweit es um Gutachten und sonstige Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geht, eine informationspflichtige Behorde“. [34] [35]

Nachdem die Organisationen FragDenStaat.de und Abgeordnetenwatch.de im Rahmen ihrer Kampagne ? FragDenBundestag “ die Liste von 3.800 Bundestagsgutachten veroffentlicht hatten und mehr als 2.000 Gutachten von Nutzern unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefragt wurden, entschied der Altestenrat des deutschen Bundestages am 18. Februar 2016, alle angefragten Gutachten sowie kunftig auch alle neuen Gutachten auf der Website des Bundestages zu veroffentlichen. [36] [37]

Plagiatsaffare Guttenberg [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Februar 2011 wurde bekannt, dass der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Inhalte aus mehreren Expertisen des WD in seiner Doktorarbeit verwendet hatte, ohne die Quellen kenntlich zu machen. [38] Nachdem die Universitat Bayreuth Guttenberg im Zuge der Plagiatsaffare um seine Dissertation den Doktorgrad im Februar 2011 aberkannt hatte, [39] legte er Anfang Marz 2011 samtliche politischen Amter nieder.

Wissenschaftliche Dienste der Landesparlamente [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alle Landesparlamente in Deutschland bis auf den saarlandischen Landtag und die Hamburgische Burgerschaft unterhalten eigene wissenschaftliche Dienste. Ihre Gutachten werden beim Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen gesammelt. [40] Nach Klagen von FragDenStaat veroffentlichen inzwischen auch Landesparlamente in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz ihre Gutachten. Der schleswig-holsteinische Landtag anderte das Informationszugangsgesetz, sodass er Gutachten seines wissenschaftlichen Dienstes nicht herausgeben muss. [41]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Rupert Schick, Gerhard Hahn: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages . 5. Auflage, Deutscher Bundestag, Referat Offentlichkeitsarbeit, Berlin 2000, ISBN 3-89372-013-5 .
  • Thomas von Winter: Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. In: Svenja Falk u. a.: Handbuch Politikberatung. VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-14250-X , S. 198?214.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Wissenschaftliche Dienste: Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Funktion, Struktur und Arbeitsweise. WD 1 ? 3000 ? 026/18. Deutscher Bundestag, 4. Juli 2018, S. 5 , abgerufen am 21. September 2023 .
  2. Die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD)
  3. Organisationsplan des Deutschen Bundestags. 28. August 2023, abgerufen am 22. September 2023 .
  4. WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  5. WD 2: Auswartiges, Volkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitare Hilfe ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  6. WD 3: Verfassung und Verwaltung ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  7. WD 4: Haushalt und Finanzen ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  8. WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernahrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive ); die Seite beschreibt den Aufgabenbereich bis 2013.
  9. WD 6: Arbeit und Soziales ( Memento vom 26. April 2011 im Internet Archive )
  10. WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  11. WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  12. WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  13. WD 10: Kultur, Medien und Sport ( Memento vom 23. Oktober 2011 im Internet Archive )
  14. WD 11: Europa ( Memento vom 4. Januar 2013 im Internet Archive )
  15. Der Bundestag starkt seine Europa-Expertise. 5. Dezember 2013, abgerufen am 15. Juni 2018 .
  16. Auszug aus der Legende zu einer Ausarbeitung, zum Beispiel bei: WD 3 -3000 -288/20 , Stand 2020
  17. Bundestag stellt seine Gutachten ins Netz. Zeit Online , 19. Februar 2016, abgerufen am 22. Februar 2016 .
  18. Umstrittene Doktorarbeit. Guttenberg kopierte auch von Bundestagsdienst. Spiegel Online , 19. Februar 2011, abgerufen am 20. Februar 2011 .
  19. Henrik Eibenstein: Interview Heise Online. 29. August 2021, abgerufen am 3. Februar 2022 .
  20. Angaben auf der Seite der Bibliothek , abgerufen am 12. Januar 2016
  21. Halt der Bundestag Ufo-Akten unter Verschluss? , Welt Online , 25. November 2011.
  22. Terminshinweis fur den 1. Dezember 2011: Auskunft zu UFOs und Außerirdischen ( Memento vom 28. November 2011 im Internet Archive ), berlin.de
  23. Besteht ein Informationsrecht uber Ufos? , strafrechtundarbeitsrecht.wordpress.com
  24. Klage um Freigabe von Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zum Thema UFOs und Außerirdische , abgerufen am 28. November 2011.
  25. Keine Starterlaubnis fur Ufos im Bundestag? ( Memento vom 31. Januar 2012 im Internet Archive ) bfdi.bund.de, abgerufen am 2. April 2012.
  26. Informationsfreiheit 3Sat Kulturzeit, 3sat.de, 20. Marz 2012.
  27. Bundestag muss Einsicht in ?UFO-Unterlagen“ gestatten (Nr. 46/2011) ( Memento vom 4. Dezember 2011 im Internet Archive ) In: www.berlin.de, abgerufen am 9. Marz 2012.
  28. Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, VG 2 K 91.11 ( Memento vom 31. Januar 2012 im Internet Archive ) (PDF; 63 kB), abgerufen am 22. Dezember 2011
  29. UFO-Klager gewinnt vor Gericht n-tv.de
  30. Urteil: Bundestag muss Ufo-Akten offenlegen welt.de, abgerufen am 2. Dezember 2011.
  31. Informationsfreiheit. Bundestag klagt gegen Transparenz , tagesspiegel.de, 25. Januar 2012, abgerufen am 1. Februar 2012.
  32. Bundestag muss ?UFO-Unterlagen“ und ?Guttenberg-Unterlagen“ nicht offenlegen ? 26/13 ( Memento vom 25. November 2013 im Internet Archive ) berlin.de
  33. UFO-Studie des Bundestages bleibt geheim n-tv.de
  34. Bundestag muss Zugang zu Guttenberg-Dokumenten gewahren. Zeit Online, 25. Juni 2015, abgerufen am 25. Juni 2015 .
  35. Guttenberg und Ufos fur alle ? Bundestag muss Dokumente freigeben. tagesschau.de, 25. Juni 2015, abgerufen am 25. Juni 2015 .
  36. FragDenBundestag erfolgreich: Bundestag offnet seine Aktenschranke netzpolitik.org
  37. Gutachten ab sofort im Internet zuganglich bundestag.de
  38. Guttenberg bediente sich bei sechs Bundestags-Expertisen.
  39. Guttenberg und der ?rechtswidrige Verwaltungsakt“. Suddeutsche Zeitung, 25. Februar 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011 .
  40. [ https://www.landtag.nrw.de/home/dokumente/gutachten/gutachterdienst.html Parlamentarischer Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen]
  41. Arne Semsrott: Endgultiger Beschluss: Landtag Rheinland-Pfalz muss Gutachten herausgeben (Update). In: netzpolitik.org. Abgerufen am 6. April 2019 .