Willem de Kooning

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Willem de Kooning in seinem Atelier, 1961

Willem de Kooning (* 24. April 1904 in Rotterdam ; † 19. Marz 1997 in East Hampton , Long Island , New York ) war ein niederlandischer , seit 1926 US-amerikanischer Maler . Er war einer der bedeutendsten Vertreter des abstrakten Expressionismus und gilt neben Jackson Pollock als Wegbereiter des Action Paintings .

Kindheit und Jugend

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Gedenktafel an der Fassade des Geburtshauses von Willem de Kooning in Rotterdam

Willem de Kooning war das jungste der funf Kinder und zugleich der einzige Sohn von Leendert de Kooning, einem Weinhandler und Getrankefabrikanten, und Cornelia Nobel, einer Barfrau aus dem Norden von Rotterdam. Seine Geschwister waren die 1899 geborene alteste Schwester Maria Cornelia, die 1901 geborenen und noch im selben Jahr verstorbenen Zwillinge Cornelia und Adriana, sowie die 1902 geborene und ein Jahr spater verstorbene zweite Cornelia. [1] Die Eltern trennten sich, als Willem gerade zwei Jahre alt war, und ließen sich anderthalb Jahre spater, 1907, scheiden. Der Junge lebte die ersten drei Jahre beim Vater, anschließend bei der Mutter und dem Stiefvater. Zu seiner Mutter Cornelia, genannt Cora, die in einer Hafenkneipe arbeitete und haufig wechselnde Mannerbekanntschaften pflegte, die sie mit nach Hause brachte, entwickelte der junge Willem eine fruhe Hassliebe, die maßgeblich auf sein ambivalentes Frauenbild im Werk, wie im Leben, reflektierte: Cora galt als besitzergreifend, starrkopfig, manipulativ und in der Liebe verschlingend: Eigenschaften, die sich spater bei dem erwachsenen Willem de Kooning wiederfanden. [2]

Im Jahr 1916 begann de Kooning eine Lehre in dem Atelier der Gebruder Gidding bei dem Grafiker Jaap Gidding (1887?1955), der ihm 1920 eine Anstellung als Innenausstatter bei Bernard Romein, dem Chefdekorateur des Rotterdamer Warenhaus Cohn & Donay verschaffte. Beeinflusst von den neuartigen Malereien der gerade gegrundeten De-Stijl -Kunstlergruppe um Piet Mondrian begann er nebenbei, bis 1924, Abendkurse an der Rotterdamer Academie voor Beeldende Kunsten en Technische Wetenschappen (der heutigen Willem de Kooning Academie ) zu nehmen, wo er schließlich als Meisterschuler von Johannes Gerardus Heijberg (1869?1952; Heyberg) mit klassischen Maltechniken vertraut gemacht wurde. [3]

Um 1924/25 begab er sich mit seinen Freunden Wim Klop und Benno Randolfi auf eine Studienreise nach Belgien, wo er unter anderem die Konigliche Akademie der Schonen Kunste in Brussel besuchte und Studien am Museum der Schonen Kunste in Antwerpen betrieb. Zu dieser Zeit befasste er sich sowohl mit den aktuellen zeitgenossischen Kunstbewegungen in Deutschland und Paris als auch mit der Architektur Frank Lloyd Wrights . Er war fasziniert von der rasant wachsenden ? Neuen Welt “, die ihm nicht so beengt und voller Moglichkeiten erschien. Nach zwei vergeblichen Versuchen schiffte er sich am 18. Juli 1926 in Belgien illegal mit Hilfe eines Bekannten namens Leo Cohan auf dem britischen Frachter ?SS Shelley“ in die USA ein. De Kooning versteckte sich wahrend der Uberfahrt im Maschinenraum des Schiffs. [4]

De Kooning erklarte spater, 1960, in einem Interview dem englischen Kunstkritiker David Sylvester , ?seine spontane Entscheidung in die Vereinigten Staaten auszuwandern, sei weniger mit dem Ziel verbunden gewesen, ein bekannter Kunstler zu werden, als mit der einfachen Tatsache, dass man dort mit harter Arbeit gutes Geld verdienen konnte.“ [5]

Amerika, Freundschaft mit Arshile Gorky

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Am 15. August 1926 kam de Kooning in Newport News , Virginia an. Auf der Weiterfahrt nach Boston erwarb er seine Einreisepapiere und ließ sich zunachst in Hoboken , New Jersey , nieder, wo er Gelegenheitsarbeiten als Maler und Anstreicher und Zimmermann erledigte. 1927 zog de Kooning nach New York , wo er die nachsten acht Jahre als Gebrauchsgrafiker, Innendekorateur, Schildermaler fur Ladenbeschriftungen oder als Fassadenmaler fur Nachtclubs arbeitet. 1929/30 lernte er den Kunstkritiker John Graham, den Galeristen Sidney Janis und die Kunstler Stuart Davis , David Smith und Arshile Gorky kennen. Gorky, mit dem de Kooning ein gemeinsames Atelier anmietete, wurde bald Mentor und schließlich einer seiner engsten Kunstlerfreunde.

Die Jahre der Depression, Beginn der kunstlerischen Laufbahn

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Spatestens ab 1934 hatte de Kooning, der bislang nur gelegentlich an Wochenenden malte, samtliche Vorbehalte gegen eine freie kunstlerische Laufbahn aufgegeben. Begunstigt durch die von Franklin D. Roosevelt initiierten Kunstler-Hilfsprogramme, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wahrend der Great Depression gedacht waren, konnte er am WPA-Federal-Art-Project teilnehmen und sich dabei ausschließlich der kunstlerischen Malerei widmen. Fur das WPA-Federal-Art-Project entstanden zahlreiche Entwurfe fur Wandmalereien , die jedoch teilweise nie realisiert wurden, denn bereits im Juli 1937 musste de Kooning das Projekt wegen seiner fehlenden US-Staatsburgerschaft wieder verlassen (de Kooning erhielt seine Einburgerungsurkunde erst 1962). ?Doch dieses eine Jahr“, so de Kooning, ?hatte ich ein derart phantastisches Gefuhl, dass ich zu einer neuen Einstellung kam. Ich beschloss, zu malen und Jobs nur noch nebenbei zu machen.“ [6] Im selben Jahr wurde de Kooning damit beauftragt, einen Teil des Wandbilds Medicine fur die Hall of Pharmacy der Weltausstellung 1939 in New York auszufuhren, wodurch erstmals Kunstkritiker auf den neuen Kunstler aufmerksam wurden, dessen Bilder sich in ihrer Unruhe so vollig von der bis dato vertrauten, sachlichen Figurlichkeit des ausgehenden Amerikanischen Realismus unterschieden.

Elaine, Black Paintings

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Ebenfalls 1937 begegnete er an der American Artists School der 14 Jahre jungeren Kunststudentin Elaine Fried , mit der bald eine ebenso leidenschaftliche wie wechselhafte Partnerschaft beginnen sollte, die von einer lebenslangen Obsession aus Alkoholismus, Geldnot, Liebesaffaren, Streitereien und Trennungen durchzogen war. 1939 zog Elaine in sein New Yorker Studio; die beiden heirateten am 9. Dezember 1943. Zu dieser Zeit arbeitete de Kooning an seiner ersten Serie mit Portratmalereien von stehenden oder sitzende Manner wie Two Men Standing , Man und Seated Figure (Classic Male) die er teilweise mit Selbstportrats kombinierte wie in Portrait with Imaginary Brother (alle um 1938?39). Zu dieser Zeit orientierten sich de Koonings Arbeiten noch sehr an Gorkys surrealistischer Bildsprache und besaßen den postkubistischen Einfluss Picassos . Das anderte sich erst, als de Kooning Bekanntschaft mit dem sechs Jahre jungeren Maler Franz Kline machte, der ebenfalls unter der figurlich-kubistischen Pragung des Amerikanischen Realismus begonnen hatte und nun zu einer monochromen Dynamik gefunden hatte. Der fruh verstorbene Franz Kline zahlte zu den engsten Kunstlerfreunden de Koonings. Klines Einfluss zeigt sich in de Koonings kalligrafischen schwarzen Bildern dieser Zeit. (vgl. → Black Paintings ).

Chaim Soutine
Woman in Pink , um 1924
Ol auf Leinwand, 73 × 54,3 cm
Saint Louis Art Museum


Willem de Kooning
Pink Angels , um 1945
Ol und Zeichenkohle auf Leinwand, 132 × 101 cm
Frederick R. Weisman Foundation, Los Angeles
(externe Weblinks, bitte Urheberrechte beachten )

Die zeitgleiche Liaison mit Elaine durfte daruber hinaus seine erste Serie mit Woman- Bildern wechselseitig beeinflusst, wie begunstigt haben: Elaine arbeitete zu der Zeit an ahnlichen Sujets. Um 1939/1940 vermischen sich de Koonings figurliche Arbeiten mit der amobenartigen Formensprache Joan Miros . Bis Mitte der 1940er Jahre anderte sich de Koonings Bildsprache kontinuierlich: Serien und die Auseinandersetzung mit der Abstraktion und der standig wechselnden Anordnung von menschlichen Figuren im ?Auflosungsprozess“ sollten bald den Schwerpunkt seiner Arbeiten bilden, wobei ihm unter anderem Picassos Monumentalwerke Les Demoiselles d’Avignon (1907) und Guernica (1937) als Vorlage gedient haben durften. Die ?Nichtvollendung“ des einzelnen Bildes erhob er dabei zum seriellen Prinzip, welches er von 1947 bis 1949 in seinem zweiten Woman- Zyklus umsetzen sollte. Das Werk Pink Angels (um 1945), als kunstlerische Hommage an Chaim Soutines Woman in Pink von 1924, ist ein charakteristisches Tafelbild de Koonings aus dieser Phase.

Jackson Pollock und die erste Generation der ?New York School“

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Um 1942 begegnete Willem de Kooning Jackson Pollock und dessen spaterer Frau Lee Krasner in dem New Yorker Kunstlertreff The Club an der 39. Straße, der neben der Cedars Tavern die ?erste Generation“ der New York School vereinigte. Zum Club gehorten neben de Koonings Lebensgefahrtin Elaine und Malerfreunden wie Arshile Gorky, Stuart Davis, Barnett Newman , Mark Rothko oder Clyfford Still auch die Literaten John Ashbery , Barbara Guest , Kenneth Koch oder Frank O’Hara .

Im selben Jahr kam es zu der Gruppenausstellung American and French Paintings in der Mc Millen Gallery, bei der neben de Kooning und Pollock, Stuart Davis und Lee Krasner die Europaer Georges Braque, Pablo Picasso und der Fauvist Henri Matisse im Vergleich gezeigt wurden. Mit dem cholerischen Jackson Pollock verband de Kooning eine unter Alkoholexzessen besiegelte Freundschaft, die Ende der 1940er Jahre in Rivalitat endete. 1948 hatte de Kooning seine erste zwar hoch gelobte, kommerziell allerdings wenig erfolgreiche Einzelausstellung in der Charles Egan Gallery in New York; das Museum of Modern Art (MoMA) kaufte das monochrome Werk Painting (1948)  [Bild 1] an. Im selben Jahr verubte sein Kunstlerfreund Arshile Gorky Selbstmord, und de Kooning unterbrach kurzfristig die Malerei. Auf Einladung von Josef Albers begann er Bildende Kunst am Black Mountain College in North Carolina zu unterrichten, wo er den Musiker John Cage kennenlernte. Finanziell am Boden, malte de Kooning Ende der 1940er Jahre schließlich mit billigen Lackfarben. [7]

Gestik und Aktion, Internationaler Erfolg

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Trotz aller kunstlerischer Konkurrenz inspirierten sich de Kooning und Pollock gegenseitig und ?prosperierten“ sogar in der Materialsprache voneinander: Wahrend Pollock auf de Koonings schwarze Heizkorperfarben zuruckgriff und zunehmend die Farbigkeit in seinem Werk reduzierte, wagte sich de Kooning mit Bildern wie Attic (1949) und Excavation (1950) erstmals an Großformate im Stile Pollocks und sprengte die von Kubismus und Surrealismus vorgegebenen Malgrunde. Die gestische Malerei entwickelte de Kooning indes selbst und geht nicht auf Pollocks aktionistisches Dripping zuruck. De Koonings Arbeiten dieser Zeit verweisen in ihrer Tradition eher auf den deutschen informellen Maler Hans Hofmann . [8] Der ebenso angesehene wie umstrittene Kunstkritiker Clement Greenberg sah in ihnen uberschwanglich ?die wichtigsten Kunstler des 20. Jahrhunderts“, und so verwunderte es nicht, dass beide von dem Grundungsdirektor des MoMA, Alfred H. Barr , im Juni 1950 als die Protagonisten des Action Paintings auserkoren wurden, den entscheidenden Beitrag zur modernen amerikanischen Kunst auf der 25. Biennale von Venedig 1950 zu leisten. De Kooning schickte das Werk Excavation zur Biennale, das im Anschluss vom Art Institute of Chicago aufgekauft wurde. Zum 60. Jubilaum der amerikanischen Malerei erhielt der Kunstler zusatzlich zum Kaufpreis des Bildes die mit 2000 US-Dollar dotierte Logan Medal . Die Biennale bedeutete den internationalen Durchbruch fur de Kooning und markierte zugleich einen weiteren Wendepunkt in seinem Œuvre. 1951 folgte de Koonings Teilnahme an der vielbeachteten 9th Street Art Exhibition (?The Ninth Street Show“), die den Beginn der New Yorker Avantgarde der Nachkriegszeit markierte.

?More Women “, Radikalisierung der Bildsprache

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Trotz seines plotzlichen Ruhmes entzog sich der Kunstler, erneut vom Zweifel der kunstlerischen Selbstfindung getrieben, jedweder stilistischer Kategorisierung und begann noch im Biennalejahr seine Bildsprache in dem dritten Women- Zyklus drastisch zu radikalisieren. In dem provokanten figurativen Zyklus brach de Kooning mit samtlichen damaligen Tabus und zelebrierte die weibliche Gestalt mit heftigen pastosen Strichen als drallen, fleischigen, ins grotesk verformten Damon , der den Betrachter mit boshafter Fratze zu verhohnen scheint. Die Ausstellung der Woman- Bilder in der Sidney Janis Gallery 1953 geriet folglich zum handfesten Kulturskandal, der die pruden USA der 1950er Jahre schockierte. De Kooning blieb von diesem Streit um sein Werk, das von der Presse teilweise als ?ordinar und vulgar“ verfemt wurde, weitgehend unberuhrt und schuf in den Folgejahren zahlreiche Bildreihen ahnlichen Charakters auf noch großeren Formaten. Das MoMA kaufte einige Werke der Serie, darunter Woman I (1950/52),  [Bild 2] fur die 27. Biennale 1954 auf. Gezeigt wurden unter anderem Arbeiten von Ben Shahn sowie 27 Gemalde und Zeichnungen von de Kooning.

1955 verließ Willem de Kooning seine Frau Elaine und zog mit der Kunstlerin Joan Ward zusammen. Am 29. Januar 1956 kam die gemeinsame Tochter Johanna Lisbeth ?Lisa“ zur Welt. Im selben Jahr, am 11. August, verungluckte Jackson Pollock bei einem Autounfall todlich. Ab diesem Zeitpunkt verschwand das Frauenmotiv plotzlich aus de Koonings Werken und wurde von expressionistischen Großstadt-Szenerien und Landschaften abgelost.

Abstract Landscapes , Ruckzug nach Long Island

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Von 1957 bis 1963 widmete sich de Kooning fast ausschließlich gestisch-abstrakten Landschaftsbildern in immer heller werdenden Farben, die er meistens nach Orten, Straßen oder Verkehrsschildern benannte. Offenbar deutete er in dieser abstrakten Allegorie einer Autofahrt oder einer ?Zeitreise“ seinen eigenen Ruckzug aus der Großstadt mit der Suche nach (eigener) Vergangenheit und Herkunft an. De Kooning rezipierte ahnliche Reise-Impressionen, die Jack Kerouac literarisch oder Robert Frank fotografisch umzusetzen suchten, und arbeitete auf seinen langen Fahrten an die Sudspitze von Long Island Jugenderinnerungen an die hollandischen Seelandschaften ein. [9] De Kooning unterteilte diese Serien in Abstract Urban Landscapes (1955?58), Abstract Parkway Landscapes (1957?61) und Abstract Pastoral Landscapes (1960?63) Typische Arbeiten dieser Zeit sind Gotham News (1955?56) , [Bild 3] Backyard on 10th Street (1956) oder July 4th (1957)  [Bild 4] und Montauk Highway (1958).

Mit der Entstehungsgeschichte dieser Serien einhergehend, zog sich der Kunstler tatsachlich ab Ende der 1950er Jahre nach Springs bei East Hampton auf Long Island zuruck, das zu dieser Zeit eine beliebte Kunstlerkolonie war. 1959 erwarb de Kooning dort ein Landhaus, das der geubte Handwerker in den Folgejahren zu einem weitlaufigen Wohnatelier umbaute und schließlich 1963 bezog. Sehr wahrscheinlich floh er vor der Hektik des rasant wachsenden New Yorker Kunstbetriebs, denn seine Ausstellung der Abstract Parkway Landscapes in der Sidney Janis Gallery war ein großer kommerzieller Erfolg und machte ihn kurzfristig zum neuen ?Star“ der New Yorker Kunstszene, zusatzlich erfuhr sein Beitrag zur documenta II in Kassel die gesteigerte Aufmerksamkeit des europaischen Kunstmarktes . De Kooning hatte, wie schon zur ersten Biennale-Beteiligung erneut aufkeimende Befurchtungen, eine bestimmte Erwartungshaltung beim Publikum erfullen zu mussen oder den ?Terminologie-freudigen“ Rezensionen der Kunstkritiker, allen voran Greenberg , zu entsprechen. Zusatzlich trat mit Robert Rauschenberg , gefolgt von Jasper Johns , Roy Lichtenstein , Andy Warhol und vielen weiteren eine neue Kunstlergeneration in den Vordergrund, die ihrerseits gegenstandlich auf Urbanisierung , Werbung und Konsum reagierte: Das Zeitalter der Pop Art brach an. Rauschenberg ?quittierte“ dies ironisch, indem er 1959 einfach ein Werk de Koonings, den er als ?kunstlerische Vaterfigur“ verehrte, ausradierte.

Rom, Women in the Country

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Den Winter 1959/60 verbrachte de Kooning in Rom , wo er unter anderem den Maler Piero Dorazio besuchte. Ab 1960 begann de Kooning schließlich mit dem aufwendigen Ausbau seines Hauses auf Long Island, das er nach eigenen Planen in ein glasernes Atelier umbaute und erst 1969 fertigstellte. Mit dem Werk Pastorale , das noch in New York entstand, beendete er seine monumentalen Abstract Landscapes und kehrte mit der vierten Woman- Serie wieder zur figurativen Malerei zuruck, die allerdings in der Ausfuhrung den Landscapes naher stand als die fruheren Women- Serien. De Kooning betitelte diese Serie, die von 1965 bis 1972 entstand, Women in the Country . Charakteristische Arbeiten aus dieser Zeit sind Women Singing I?III (1965?66)  [Bild 5] oder The Visit (1966/67)  [Bild 6] .

Willem de Kooning, 1968

Im Marz 1963 hatte de Kooning sein Haus auf Long Island bezogen. Der Kunstler empfand den Umzug als Befreiung und meinte, er habe ?[…] ganz neu angefangen. Irgendwie fuhlte ich mich gut, wenn ich der See nahe bin. Daraus entstanden die meisten meiner Gemalde.“ [6] Das Motiv der ?Frau in einer abstrakten Landschaft“ griff de Kooning in seinem Spatwerk immer wieder auf, wenn auch in ruhigeren, leichterer Farbgebung. 1964 wurde de Kooning von dem US-Prasidenten Lyndon B. Johnson mit der Presidential Medal of Freedom geehrt, [10] im selben Jahr nahm er an der documenta III in Kassel teil. Vom 8. April bis zum 2. Marz 1965 fand die erste Retrospektive Willem de Kooning in den USA am Smith College Museum of Art in Northampton , Massachusetts statt.

Europa, Skulpturen, Alkoholprobleme

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Reclining Figure , Bronze, (1969?1982), Rotterdam
Seated Woman , Bronze, (1969?1980), Rotterdam

Organisiert vom New Yorker Museum of Modern Art fand 1968/69 die erste umfangreiche Wanderstellung de Koonings in Europa statt, mit der Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam bereiste Willem de Kooning erstmals seit 1926 sein Geburtsland; zur Ausstellung in der Tate Gallery , London , traf er mit Francis Bacon zusammen. Weitere Station des Malers in Europa waren Paris und Rom. Inspiriert durch seine Europareise suchte de Kooning ab 1969/70 mit Bronzeskulpturen erstmals die skulpturale Umsetzung seines Werkes. Ab Anfang der 1970er Jahre zog er sich immer mehr auf stundenlangen Exkursionen in die Abgeschiedenheit der Kustenregionen von Long Island zuruck, experimentierte im Atelier mit der Umsetzung der Figur in Zeichnungen, Lithografien und Skulpturen und war zunehmend von kreativen Einbruchen und Selbstzweifeln geplagt. De Kooning, der zeitlebens ein schwerer Trinker war und sich oft bis zur Besinnungslosigkeit betrank, kampfte nun zunehmend existenziell mit der Alkoholkrankheit , was seine Schaffenskraft indes nicht minderte: Wie in einem explosiven, befreienden Rausch malte er in den Jahren 1975 bis 1977 in kurzester Zeit zahlreiche Großformate mit ungebrochen, farbigen pastosen Abstraktionen, die sich bestandig um seine Lieblingsthemen drehen: Erotik, Frauen und Landschaften. Kritiker sahen in diesem, von Unruhe getriebenen Spatwerk, die kunstlerische Bilanz de Koonings. 1978 kehrte seine Frau Elaine, von der er sich nicht hatte scheiden lassen, zu ihm zuruck, versuchte ihn vom Alkohol wegzubringen und betreute ihn bis zu ihrem Lebensende.

Erkrankung, Spatwerk und Tod

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Anfang der 1980er Jahre verfiel der Kunstler zunehmend: de Kooning erkrankte an der Alzheimer-Krankheit , und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich drastisch, so dass er im Atelier bald von Assistenten gestutzt werden musste. Aus Anlass des 80. Geburtstags des Kunstlers zeigte das Whitney Museum of American Art zum Jahreswechsel 1983/1984 die große Retrospektive Willem de Kooning: Drawings, Paintings, Sculpture die in den Folgemonaten unter anderem in der Akademie der Kunste , Berlin , und im Centre Georges Pompidou in Paris Station machte; von US-Prasident Ronald Reagan erhielt de Kooning fur sein Lebenswerk die National Medal of Arts. Am 1. Februar 1989 starb Elaine de Kooning, und Willems Tochter Lisa und ihr Lebensgefahrte, der Anwalt John L. Eastman, ubernahmen die geschaftlichen Abwicklungen fur den fortschreitend hinfallig werdenden Vater. Eastman, der Bruder von Linda McCartney , sollte spater Vizeprasident der Willem de Kooning-Foundation werden. Auch der Linda McCartneys Ehemann, der Musiker (und Maler) Paul McCartney war (bereits 1984) mit de Kooning bekannt. [11] Im selben Jahr, 1989, wurde bei Sotheby’s fur 20,8 Millionen US-Dollar Interchange , ein Gemalde aus dem Jahr 1955, versteigert. Diese Summe war die bis dahin hochste, die je fur das Werk eines noch lebenden Kunstlers gezahlt wurde. Im selben Jahr wurde de Kooning das Praemium Imperiale verliehen.

Obwohl de Kooning in den letzten Lebensjahren nicht mehr fahig war, Familienmitglieder oder engste Freunde zu erkennen, hatte er in den 1980er Jahren bis zu seinem Tod noch eine produktive Schaffensperiode, in der er mehr als 300 Olbilder malte. Wahrend dem Spatwerk von manchen Kritikern der kunstlerische Wert abgesprochen wird, [12] sprechen andere von einer ?wundersamen Wiedererlangung von Konzentration und Ehrgeiz“, die zu einer Losung seit langem anstehender Probleme und Erneuerung seiner Kunst fuhrte. [13] Dabei entwickelte de Kooning den fur sein Alterswerk charakteristischen Stil, der im Gegensatz zu den dichten Kompositionen und komplexen Farben fruherer Schaffensperioden durch einfache Formen und leuchtende Farben gekennzeichnet ist und mitunter mit Werken Piet Mondrians verglichen wird. [14] [15]

Willem de Kooning starb am 19. Marz 1997 mit 92 Jahren in seinem Atelier in Springs/East Hampton auf Long Island.

Ehrungen und Auszeichnungen

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Nach ihm ist die Willem de Kooning Academie in Rotterdam benannt.

Ausstellungen (Auswahl)

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  • 1947: Valentine . Enamel und Olfarbe auf Papier und Holz, Museum of Modern Art, New York [Bild 7]
  • 1948: Painting . Enamel und Olfarbe auf Leinwand, Museum of Modern Art, New York [Bild 1]
  • 1950: Woman . Enamel und Zeichenkohle auf Papier auf Leinwand, Museum of Modern Art, New York [Bild 8]
  • 1950?1952: Woman I . Ol auf Leinwand, Museum of Modern Art, New York [Bild 2]
  • 1952: Woman II . Ol auf Leinwand, Museum of Modern Art, New York [Bild 9]
  • 1951?1953: Woman III . Ol auf Leinwand, Privatbesitz
  • 1952: Seated Woman . Zeichenstift, Pastell- und Olfarben auf zwei Blattern Papier, Museum of Modern Art, New York [Bild 10]
  • 1953: Woman VI . Ol auf Leinwand, Carnegie Museum of Art , Pittsburgh [Bild 11]
  • 1954: Untitled (Torso) , Tusche auf Papier, Museum of Modern Art, New York [Bild 12]
  • 1955: Gotham News , Ol auf Leinwand, Albright-Knox Art Gallery, Buffalo , New York   [Bild 3]
  • 1955: Interchange
  • 1955: Police Gazette
  • 1956: Easter Monday , Ol auf Leinwand, Metropolitan Museum of Art , New York [Bild 13]
  • 1958: Suburb in Havana
  • 1960: A Tree in Naples ? Ol auf Leinwand, Museum of Modern Art, New York [Bild 14]
  • 1963: Rosy-Fingered Dawn at Louse Point , Stedelijk Museum, Amsterdam
  • 1965: Woman . Kohle auf Transparentpapier, Museum of Modern Art, New York [Bild 15]
  • 1969: Reclining Figure , Stanford University
  • 1974: Large Torso , Bronze [Bild 16]
  • 1977: Untitled XXIII [Bild 17]
  • 1977: Untitled XXV brachte 2007 den bis dahin weltweit hochsten Preis eines Nachkriegswerks mit 27 Mio. $ [Bild 18]

Schriften von Willem de Kooning

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  • Edvard Lieber: Willem de Kooning: Reflections in the Studio . Harry N. Abrams Inc., New York 2000, ISBN 0-8109-4560-6
  • Barbara Hess: Willem de Kooning . Taschen Verlag, 2004, ISBN 3-8228-2133-0
  • Klaus Kertess, Ralph Ubl: De Kooning: Painting 1960?1980 . Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2005, ISBN 3-7757-1629-7
  • Julie Sylvester, David Sylvester: Willem de Kooning. Late Paintings . Schirmer/Mosel, Munchen 2006, ISBN 3-8296-0226-X
Commons : Willem de Kooning  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. a b Willem de Kooning: Painting. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  2. a b Willem de Kooning: Woman I. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  3. a b Willem de Kooning: Gotham News. Albright-Knox Art Gallery, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 5. Juni 2010 ; abgerufen am 8. Juni 2010 .   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.albrightknox.org
  4. Willem de Kooning: July 4th. National Gallery of Australia, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  5. Willem de Kooning: Women Singing I?III. Tate Collection, abgerufen am 24. Dezember 2021 .
  6. Willem de Kooning: The Visit. Tate Collection, abgerufen am 24. Dezember 2021 .
  7. Willem de Kooning: Valentine. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  8. Willem de Kooning: Woman. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  9. Willem de Kooning: Woman II. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  10. Willem de Kooning: Seated Woman. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  11. Willem de Kooning: Woman VI. Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  12. Willem de Kooning: Untitled (Torso). Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  13. Willem de Kooning: Easter Monday. Metropolitan Museum, New York, abgerufen am 20. Marz 2016 .
  14. Willem de Kooning: A Tree in Naples. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  15. Willem de Kooning: Woman. Museum of Modern Art, New York, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  16. Willem de Kooning: Large Torso. Sammlung Frieder Burda, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 28. Oktober 2007 ; abgerufen am 8. Juni 2010 .   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.sammlung-frieder-burda.de
  17. Willem de Kooning: Untitled XXIII. artnet.de, abgerufen am 8. Juni 2010 .
  18. Willem de Kooning: Untitled XXV. artnet.de, abgerufen am 8. Juni 2010 .

Einzelnachweise

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  1. Henk van Kampen: Trace your Dutch roots: Willem de Kooning, a case study. Abgerufen am 7. Juli 2008 .
  2. Don Gray: Willem de Kooning, What Do His Paintings Mean? 1984, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 28. September 2011 ; abgerufen am 7. Juli 2008 (englisch).   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.jessieevans.com
  3. Willem de Kooning. Instituut voor Nederlandse Geschiedenis, abgerufen am 7. Juli 2008 (niederlandisch).
  4. Willem de Kooning. Museum De Pont, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 9. Oktober 2006 ; abgerufen am 7. Juli 2008 (englisch).   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.depont.nl
  5. David Sylvester: Interviews with American Artists. Yale University Press 2001, ISBN 0-300-09204-0
  6. a b zitiert aus Horst Richter: Malerei der 1960er Jahre. DuMont, Koln 1990, S. 90, ISBN 3-7701-2272-0
  7. Cornelius Tittel: Konig der Leinwand, Konig der Welt. Die Welt Online, 24. April 2005, abgerufen am 7. Juli 2008 .
  8. Regine Prange: Jackson Pollock und der Abstrakte Expressionismus @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.kabonline.de ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven )     Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prufe den Link gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . Kunsthistorische Arbeitsblatter, Deubner Verlag, S. 12 (abgerufen am 12. Dezember 2007)
  9. Robert Hughes: Seeing the Face in the Fire . Essay im Time Magazine, 30. Mai 1994
  10. Presidential Medal of Freedom Recipient Willem De Kooning. Abgerufen am 18. Juli 2008 .
  11. Paul McCartney: The Lyrics: 1956 to Present. W. W. Norton & Company, New York 2021; deutsch: Lyrics. 1956 bis heute. Hrsg. mit einer Einleitung von Paul Muldoon . Aus dem Englischen ubersetzt von Conny Losche. C. H. Beck, Munchen 2021, ISBN 978-3-406-77650-2 , S. 559 und 562.
  12. Vgl. Muller-Jensen K: Das Alterswerk ? eine Gratwanderung. Karlsruhe, Edition Rottloff, 2007.
  13. Robert Storr: A Painter’s Testament: De Kooning in the Eighties. In: MoMA. Nr. 24, 1997, S. 14?18.
  14. Robert Rosenblum: On ?de Kooning's Late Style“ Art Journal , Bd. 48, Nr. 3, (1989), S. 248?249
  15. Vgl. Robert Storr: ?A Painter's Testament: De Kooning in the Eighties“ MoMA , Nr. 24 (1997), S. 14?18.
  16. Members: Willem de Kooning. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 25. Februar 2019 .
  17. nationalacademy.org: Past Academicians "D" ( Memento des Originals vom 16. Januar 2014 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.nationalacademy.org (abgerufen am 13. Marz 2015)