Willem Bilderdijk
(*
7. September
1756
in
Amsterdam
; †
18. Dezember
1831
in
Haarlem
) war ein
niederlandischer
Jurist
und
Schriftsteller
.
Bilderdijk (gesprochen: -deik), Sohn eines Arztes, studierte in
Leiden
1780?82
Rechtswissenschaften
und praktizierte dann in
Den Haag
als Rechtsanwalt. Als eifriger
Orangist
verließ er 1795 beim Einrucken der Franzosen die
Niederlande
und floh nach
London
. Zuflucht gewahrte ihm dort der Maler
Hendrik Willem Schweickhardt
, der ihn als Hauslehrer fur seine Tochter engagierte. Zwischen ihm Schweickhardts altesten Tochter Katharina (* 1776) entwickelte sich gleich eine Beziehung. Die beiden heirateten Anfang 1797 un zogen im Juli 1797 nach
Braunschweig
. Bilderdijk machte sich dort als juristischer Schriftsteller durch die
Observationes et emendationes juris
(Braunschweig 1806) bekannt, die er spater neu bearbeitete (Leiden 1820, 2 Bde.).
Nach dem Regierungsantritt
Louis Bonapartes
kehrte er mit seiner Frau 1806 in die Heimat zuruck, in das neugegrundete
Konigreich Holland
, wo er zum Bibliothekar des Konigs und bald darauf zum Mitglied und Sekretar des hollandischen Nationalinstituts ernannt wurde. Nach Louis’ Abdankung zog sich Bilderdijk nach Leiden zuruck, lebte ab 1827 in Haarlem und starb dort am 18. Dezember 1831, nachdem er durch die Restauration seine Pension eingebußt hatte.
Streng
calvinistisch
erzogen, blieb Bilderdijk zeitlebens ein eifriger Anhanger des griechischen und franzosischen
Klassizismus
und ebenso eifriger Kritiker des
Rationalismus
. Was seine Kritiker als Engstirnigkeit und uberzogene Rhetorik ablehnten, verschaffte ihm die Bewunderung von
Nicolaas Beets
,
Isaac da Costa
und
Jan Jacob Lodewijk ten Kate
.
Als Dichter hat Bilderdijk sich auf allen Gebieten der
Poesie
versucht. 1774 gewann er mit dem Gedicht
Over den invloed der dichtkunst op het staatsbestuur
einen Preis; die gleiche Auszeichnung wurde ihm 1775 fur
De liefde tot het vaderland
zuteil.
Die erste Probe seines Studiums der Klassiker gab er durch seine Ubertragung der
sophokleischen
Tragodien
:
Koning Edipus
und
Dood van Edipus
(1789). Andere Werke jener Zeit sind:
Mijn verlustiging
(1781) und die Gedichtsammlung
Bloemptjens
(1785), die vor allem Dichtungen im Stile der
Minnelieder
enthielt.
Wahrend er in der Fremde weilte, erschienen in rascher Folge weitere Sammlungen:
Mengelpoezij
(Amsterdam 1799, 2 Bde.),
Poezij
(1803?1807, 4 Bde.; 2. Aufl. 1822) und
Mengelingen
(1804?1808, 4 Bde.), denen sich
Buitenleven
, eine Bearbeitung von
Delilles
L'homme des champs
(1803) und
Fingal
(nach
Ossian
, 1805) anschlossen.
Nach seiner Ruckkehr in die Niederlande widmete er Louis Bonaparte die
Nieuwe mengelingen
(Amsterdam 1806, 2 Bde.) und verfasste das beschreibende Gedicht
De ziekte der geleerden
(Die Krankheiten der Gelehrten, Amsterdam und Haag 1807, 2. Aufl. 1829).
Damals versuchte er sich auch im Drama mit den Trauerspielen
Floris de vijfde
(1808),
Willem van Holland
,
Kormak
und anderen (in
Treurspeien
", Haag 1808?1809, 3 Bde.) und veroffentlichte
De mensch
, eine Umdichtung von
Popes
Essay on man
(1808), sowie die Sammlungen
Najaarsbladen
(1808, 2 Bde.),
Verspreide gedichten
(1809, 2 Bde.) und
Winterbloemen
(Haarlem 1811, 2 Bde.).
Die Befreiung der Niederlande feierte er in der Dichtung
Hollands verlossing
(Amsterd. 1813?14, 2 Bde.; 2. Aufl. 1833) und den
Vaderlandsche ultboezemingen
(1815). Auch die Hymne
Willem Frederik
und sein
Wapenkreet
entstanden in dieser Zeit.
Einer niedergeschlagenen Stimmung entsprangen seine
Affodillen
(Haarlem 1814); heitere Seelenruhe aber verraten seine
Nieuwe uitspruitsels
(1817), sein
Wit en rood
(1818, 2 Bde.), das satirische Gedicht
De dieren
(1818) und die
Nieuwe dichtschakeering
(Amsterd. 1819) sowie die Fragment gebliebene epische Dichtung
De ondergang der Eerste Wareld
(1820; letzte Ausg., das. 1880).
Unter der langen Reihe seiner ubrigen Dichtungen sind noch nennenswert:
- Zedelijke gispingen
(1820);
- Sprokkelingen
(1821);
- Krekelzangen
(1822?1823, 3 Bde.);
- Spreuken
(1823);
- Rotsgalmen
(1824, 2 Bde.);
- Navonkeling
(1826, 2 Bde.);
- Oprakeling
(1826 u. 1827);
- Devoet in't graf
(1827);
- Naklank
(1828);
- Vermaking
(1828 u. 1829);
- Schemerschijn
(1829);
- Nasprokkeling
(1830) und
- Nalezingen
(1833, 2 Bde.).
Nach seinem Tod erschienen noch die Dichtungen:
De geesten wereld
und
Het waarachtig goed
(Amsterd. 1843; deutsch von Quack, Stuttgart 1853). Bilderdijk bekundete sich in diesen zahlreichen Produktionen als einen gedanken- und phantasiereichen, vielseitig gebildeten und eigenartigen Dichter, der sich zugleich durch eine seltene Meisterschaft in der Handhabung der Form auszeichnete. Sein eigenstes Gebiet ist die
Lyrik
, wahrend ihm fur das
Epos
, noch mehr fur das Drama die Begabung abging. Er war antiliberal und hielt an der altfranzosischen Kunstregel fest, was ihn fur die Eindrucke der englischen und der deutschen Literatur, die er formlich hasste, unzuganglich machte.
Auch sein Geschichtswerk
Geschiedenis des vaderlands
(hrsg. von Tydeman, Amsterd. 1832?53, 13 Bde.) ist in absolutistischem Geist gehalten. Als Sprachforscher gab er den Anstoß zu einem grundlicheren Studium gegenuber der traditionellen Richtung Seegenbeeks. Besonders sind auf diesem Gebiet die
Taal- en dichtkundige verscheidenheden
(1820?25, 8 Bde.) und
Beginsels der woordvoorsching
(1831) hervorzuheben. Eine Gesamtausgabe seiner ?Dichtwerken“ besorgte Da Costa (Amsterdam. 1856?59, 16 Tle.), deren Schlussband die Biographie des Dichters
De mensch en de dichter W.B.
enthalt.
Seine zweite Gemahlin,
Katharina Wilhelmina
, geborene Schweickhardt, (* 1777 im Haag), seit 1797 mit Bilderdijk verheiratet, war ebenfalls Dichterin. Sie lieferte mehreres in ihres Gatten
Poezy
(1803) und die Tragodie
Elfride
in dessen
Treurspelen
(1808), gab
Gedichten voor kinderen
(1813) und Trauerspiele (
Dargo
,
Ramiro
, 1816) heraus und starb am 16. April 1830. Ihre
Dichtwerken
erschienen gesammelt in 3 Banden (Haarlem 1858?60), herausgegeben von Da Costa.
Dieser Artikel basiert auf einem
gemeinfreien
Text aus
Meyers Konversations-Lexikon
, 4. Auflage von 1888 bis 1890.
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