Wilhelm Stier
(*
8. Mai
1799
in
Błonie
bei
Warschau
; †
19. September
1856
in
Schoneberg
; vollstandiger Name:
Friedrich Ludwig Wilhelm Stier
) war ein deutscher
Architekt
und
Hochschullehrer
an der
Berliner Bauakademie
.
Wilhelm Stier wurde als Sohn eines
preußischen
Proviantmeisters in der damaligen preußischen Provinz
Sudpreußen
geboren und wuchs nach deren Ende in
Schlesien
auf. Seit 1812 lebte er bei Verwandten in
Berlin
und besuchte das
Gymnasium zum Grauen Kloster
. Wilhelm studierte an der Bauakademie in Berlin, einer seiner Lehrer war
Salomo Sachs
, mit dem er zeitlebens befreundet war. Im Jahr 1817 legte er die
Baufuhrerprufung
ab.
Nach vier Jahren weiterer Ausbildung im
Rheinland
unter Anleitung von
Adolph von Vagedes
machte er sich zu Fuß uber
Frankreich
nach
Italien
auf. Uber seine Reise berichtete er in den
postum
veroffentlichten
Hesperischen Blattern
. Er fand Anschluss an den Kreis der
deutschen Kunstler in Rom
. Als Mitarbeiter nahm er an der Expedition von
Hittorff
und
Zanth
zur Erforschung der
griechischen Altertumer
in
Suditalien
teil und wirkte an Veroffentlichungen des preußischen Gesandten
Bunsen
zur Stadtgeschichte
Roms
mit.
Im Oktober 1824 lernte Wilhelm Stier
Schinkel
auf dessen zweiter Italienreise kennen. Schinkel erkannte das kunstlerische Ausnahmetalent Stiers, wollte ihn als Lehrer fur die Bauakademie gewinnen und verschaffte ihm ein preußisches Staatsstipendium, das es Stier ermoglichte, seine Studien zur antiken Architektur noch zwei Jahre fortzusetzen.
Nach funf Jahren in Italien wurde Stier ? bis dahin nur
Baukondukteur
(Referendar) ? zu Ostern 1828 Lehrer an der Berliner Bauakademie und begrundete dort ein neues Kolleg fur Entwerfen, spater fur Kunstgeschichte. Nach einigem Druck legte er ein vereinfachtes Examen ab und erhielt infolgedessen im Jahre 1831 die Qualifikation eines Landbauinspektors fur eine große Stadt und den Titel
Professor
.
Stier verfasste zahlreiche Studien- und Lehrentwurfe, u. a. fur den
Berliner Dom
, in denen er das Nachahmen historischer Stile ablehnte. Ab 1841 war er Mitglied der Preußischen Akademie der Kunste. 1842 wurde er Mitglied der
Akademie der Wissenschaften
in Berlin und 1853 in
Munchen
. 1847 bildete sich um Stier, der ein charismatischer Lehrer war, ein Kreis studentischer Bewunderer, der als
Akademischer Verein
Motiv
bis heute existiert und das Andenken Stiers pflegt.
Stier wohnte seit 1837 in dem vom
Volksmund
durch seinen malerischen Aufbau ?Stierburg“ genannten Haus. Es lag in der bis 1860 zu
Schoneberg
gehorenden Straße
Auf dem Carlsbade
(jetzt:
Am Karlsbad
) unmittelbar neben dem Wohn- und Atelierhaus von
Karl Begas d. A.
, mit dem Stier sich schon in Rom befreundet hatte. Stier gehorte dem Schoneberger Schulvorstand an. Am 18. Januar 1851 wurde ihm das
Ritterkreuz
des
Roten Adlerordens
verliehen.
Stier ist auf dem
Alten Friedhof
in der
Hauptstraße
beigesetzt. Sein von
Friedrich August Stuler
geschaffenes Grabdenkmal tragt die Inschrift ?Dem Freunde, dem Lehrer ? die Architekten Deutschlands“.
[1]
An diesem Grab findet jedes Jahr, auch mehr als 160 Jahre nach seinem Tode, eine Feier ?seines“
Akademischen Vereins Motiv
zu seinem Gedenken statt.
[2]
Wilhelm Stier ist der Vater des Architekten
Hubert Stier
, Großvater des in
Kassel
und
Wien
wirkenden Landschaftsarchitekten Rudolf Stier (1890?1966) und Urgroßvater des Architekten und Stadtplaners
Hubert Hoffmann
. Wilhelms Cousin
Friedrich Gustav Alexander Stier
war von 1842 bis 1861 ebenfalls Lehrer an der Bauakademie.
[3]
In
Berlin-Friedenau
ist die
Stierstraße
nach ihm benannt.
- Hermann Arthur Lier:
Stier, Wilhelm
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 207 f.
- Nekrolog
in
Deutsche Bauzeitung
, Jahrgang VIII (1857), Sp. 86 ff.
- E. H. Toelken
:
Vortrag in der Jahressitzung der Konigl. Akademie der Kunste zu Berlin, am 21. Juli 1857.
In:
Deutsches Kunstblatt.
8 (1857) 32 (6. August 1857), S. 277?280 (
Nekrolog Friedrich
Wilhelm
Ludwig
Stier
, S. 277 f).
- K. E. O. Fritsch
:
Fur Wilhelm Stier ? Zur Feier seines Gedachtnisses am 8. Mai 1866.
In:
Unser Motiv.
Festschrift zum funfzigjahrigen Bestehen des akademischen Vereins Motiv, Berlin 1897, Anhang, S. 11 ff.
- Hubert Stier (Hrsg.):
Architektonische Erfindungen von Wilhelm Stier.
Berlin 1867.
- Wilhelm Stier:
Hesperische Blatter ? nachgelassene Schriften.
Ernst & Korn, Berlin 1857 (
books.google.de
).
- Gudrun Blankenburg:
Friedenau ? Kunstlerort und Wohnidyll. Die Geschichte eines Berliner Stadtteils.
Frieling, Berlin 2006,
ISBN 3-8280-2350-9
(mit Register sowie beiliegender Denkmalkarte).
- Hermann Ebling:
Friedenau ? Aus dem Leben einer Landgemeinde, 1871?1924.
Zinsmeister und Grass, Berlin 1986,
ISBN 3-9801309-0-8
.
- Hermann Ebling, Evelyn Weissberg:
Friedenau erzahlt. Geschichten aus einem Berliner Vorort ? 1871 bis 1914.
edition Friedenauer Brucke, Berlin 2007,
ISBN 978-3-9811242-1-7
.
- ↑
Nahere Beschreibung:
Grab Friedrich Ludwig Wilhelm Stier, auf der Seite der Stiftung Historische Friedhofe
, abgerufen am 25. April 2016.
- ↑
Carl-Peter Steinmann:
Die Stierspritze ? Frohlicher Umtrunk am Grab.
In: ders.:
Von wegen letzte Ruhe! Berliner Ausgrabungen.
Berlin 2001,
ISBN 3-88747-166-0
, S. 103 ff.;
Kurt Pomplun
:
Geburtstagsstandchen an Stiers Grab.
In:
Pomplun’s Großes Berlin-Buch.
Verlag Haude u. Spener Berlin 1985, S. 59 ff.
- ↑
Stephanie Herold:
Disziplinare und ideengeschichtliche Hintergrunde.
In: Dolf-Bonekamper/Million/Pahl-Weber:
Das Hobrechtsche Berlin.
ISBN 978-3-86922-529-6
, S. 109.