Werner Siegfried Teske
(*
24. April
1942
in
Berlin
; †
26. Juni
1981
in
Leipzig
) war ein
Hauptmann
des
Ministeriums fur Staatssicherheit
(MfS) der
DDR
, der 1981 rechtswidrig wegen angeblich vollendeter
Spionage
und versuchter
Fahnenflucht
zum Tode verurteilt und
hingerichtet
wurde. Dies war die letzte Vollstreckung eines
Todesurteils in der DDR
und auf deutschem Boden.
[1]
[2]
[3]
Werner Teske studierte an der
Humboldt-Universitat zu Berlin
Finanzokonomie.
[4]
Er war anschließend dort als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent tatig und wurde 1969
promoviert
. 1967 warb ihn das MfS an, ab 1969 arbeitete er hauptamtlich fur dessen
Hauptverwaltung Aufklarung
in der
Wissenschaftsspionage
im westlichen Ausland.
Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelte Teske erhebliche Zweifel am
politischen System der DDR
und seiner Aufgabe darin. Er spielte mit dem Gedanken, sich in die Bundesrepublik abzusetzen, und brachte als mogliche Mitgift fur den Frontwechsel uber Jahre hinweg geheime Unterlagen nach Hause. Aufgrund des Uberlaufens des MfS-Offiziers
Werner Stiller
in die Bundesrepublik 1979 wurden innerhalb des MfS die Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhoht. Auch Teske wurde uberpruft. Neben einem vollig chaotischen Inhalt seines Panzerschrankes, der eine Inventur der als geheim eingestuften Dokumente praktisch unmoglich machte, kamen auch Unregelmaßigkeiten bei der Weitergabe von MfS-Geldern an Informanten zu Tage. Erst spater stellte sich die Summe der veruntreuten Operativgelder (20.244,50 DM und 21.478,- DDR-Mark) heraus.
[5]
Unter einem Vorwand wurde Teske am Abend des 4. September 1980 in ein konspiratives Objekt des MfS verbracht. Man fuhrte dort jedoch zunachst nur eine interne Ermittlung bis zum 11. September durch. Als Teskes Wohnung durchsucht wurde, fand das MfS auch die von Teske entwendeten Akten in den von ihm preisgegebenen Verstecken in einem unerwarteten Umfang. Er gestand am 11. September gegen 2:00 Uhr morgens, 1978 uber eine Flucht in die Bundesrepublik nachgedacht zu haben.
In einem auch innerhalb des MfS geheimgehaltenen Prozess vor dem 1.
Militarstrafsenat
des
Obersten Gerichtes der DDR
wurde Teske ? selbst nach
DDR-Recht
rechtswidrig ? wegen vollendeter
Spionage
in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit
Fahnenflucht
und ?
ungesetzlichem Grenzubertritt
“ angeklagt und, obwohl die ihm zur Last gelegten Taten eindeutig nicht vollendet waren und das DDR-Strafrecht die
Todesstrafe
nur fur vollendete Delikte vorsah, am 12. Juni 1981 zur Hochststrafe verurteilt. Grund fur die Harte dieses Urteils war nicht zuletzt die erfolgreiche Flucht Stillers.
[6]
Nach Ablehnung seines Gnadengesuchs wurde Teske in die
Strafvollzugseinrichtung Leipzig
(
Alfred-Kastner-Straße
)
uberfuhrt
. In deren zur
Zentralen Hinrichtungsstatte der DDR
umgebauten Hausmeisterwohnung wurde das Urteil vom letzten
Henker
der DDR und Abteilungsleiter der Strafvollzugseinrichtung Leipzig,
Hermann Lorenz
, mittels einer
Pistole
vom Typ
Walther P38
mit aufgesetztem
Schalldampfer
durch
Kopfschuss
vollstreckt.
[6]
Der Todesschuss erfolgte, wie in der DDR nach Abschaffung der
Guillotine
1968 ublich, von hinten und ohne Vorwarnung unmittelbar nach Betreten des Vollstreckungsraumes (?
unerwarteter Nahschuss
“). Dort hatte der Staatsanwalt Teske zuvor lediglich mitgeteilt: ?Das Gnadengesuch ist abgelehnt. Ihre Hinrichtung steht unmittelbar bevor.“
[7]
[8]
Die Leiche wurde anschließend in das Krematorium auf dem
Leipziger Sudfriedhof
gebracht und dort eingeaschert.
[9]
Die Hinrichtung Teskes wurde auch innerhalb des MfS streng geheim gehalten. Auch gegenuber den engsten Familienangehorigen gab man keinerlei Informationen preis. Einem Verwandten, der nach Teske suchte, erklarte das MfS, er sei bei einem Unfall ums Leben gekommen, und verbot weitere Nachforschungen. Teskes Witwe Sabine und ihre Tochter mussten aus
Ost-Berlin
wegziehen; beide erhielten eine neue Identitat und wurden verpflichtet, uber die Umstande des Todes von Werner Teske sowie uber ihre Vergangenheit zu schweigen.
[10]
-
Einlieferungsanzeige vom 11. September 1980
-
Kerblochkartei vom 11. Juni 1981, auf der eine lebenslange Haftstrafe vermerkt ist
-
Todesurteil gegen Teske vom 12. Juni 1981
-
Protokoll zur Vollstreckung der Todesstrafe an Teske am 26. Juni 1981
Das Urteil gegen Teske wurde 1993 nach dem
Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz
aufgehoben, da es mit
rechtsstaatlichen
Prinzipien nicht vereinbar war. Daraufhin verurteilte 1998 das
Berliner Landgericht
einen DDR-
Militarrichter
und einen Militarstaatsanwalt, die an dem Todesurteil gegen Teske sowie 1979 am Todesurteil im Falle des MfS-Majors
Gert Trebeljahr
verantwortlich mitwirkten, wegen
Totschlags
und
Rechtsbeugung
beziehungsweise
Beihilfe
zu vier Jahren Haft.
[11]
[12]
Das Urteil erhielt mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes 1999 Rechtskraft.
[13]
Begrundet wurden die Verurteilungen beider Juristen damit, dass die ursprungliche Entscheidung selbst nach dem damals gultigen DDR-Recht vollig unverhaltnismaßig gewesen sei, da Teskes Planungen zu keinem Zeitpunkt uber das
Versuchsstadium
hinausgekommen waren. Mit diesem Argument hatte auch Teskes Verteidiger vergeblich versucht, das Todesurteil abzuwenden.
Das Filmdrama
Nahschuss
aus dem Jahr 2021 ist von der Lebensgeschichte Werner Teskes inspiriert.
- Literatur von und uber Werner Teske
im Katalog der
Deutschen Nationalbibliothek
- Bernd Florath
:
Werner Teske.
In:
Roger Engelmann
, Bernd Florath,
Helge Heidemeyer
,
Daniela Munkel
,
Arno Polzin
,
Walter Suß
(Hrsg.):
Das MfS-Lexikon.
4. aktualisierte Auflage. Ch. Links, Berlin 2021,
ISBN 978-3-96289-139-8
, S. 331 f.,
Online-Version
.
- Gunter Lange
:
Der Nahschuss. Leben und Hinrichtung des Stasi-Offiziers Werner Teske.
Ch. Links Verlag, Berlin 2021,
ISBN 978-3-96289-117-6
.
- ↑
Peter Maxwill
:
Todesstrafe in der DDR: Erich Mielkes ganz kurze Prozesse.
In:
Der Spiegel
.
17. Juli 2012,
abgerufen am 17. Juli 2012
.
- ↑
Hans Michael Kloth:
Todesstrafe in der DDR: Der Henker kam von hinten.
In:
Der Spiegel.
13. Juli 2007,
abgerufen am 3. Januar 2012
.
- ↑
Norbert Potzl
:
Nach Verhandlung Kopfschuss
In:
Spiegel Online
, 25. Juni 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
- ↑
Die Hinrichtung des Stasi-Offiziers Werner Teske
(
Memento
vom 18. Juni 2018 im
Internet Archive
)
auf www.mdr.de
- ↑
Steffen Konau:
Kurzer Prozess.
In:
Mitteldeutsche Zeitung
.
25. Juni 2011,
abgerufen am 26. Juni 2021
.
- ↑
a
b
Sven Felix Kellerhoff:
Todesstrafe in der DDR: So starb Werner Teske.
In:
welt.de
.
26. Juni 2021,
abgerufen am 19. August 2021
.
- ↑
Als Deutschland nicht mehr toten wollte.
Deutsche Welle
, 18. Februar 2009,
abgerufen am 30. Dezember 2013
.
- ↑
Francisca Zecher:
Die Todesstrafe im sozialistischen Einheitsstaat.
In:
Die Gazette
,
16. Januar 2004.
- ↑
Sven Felix Kellerhoff:
Der ?unerwartete Nahschuss“ in den Hinterkopf.
In:
welt.de
.
26. Juni 2016,
abgerufen am 19. August 2021
.
- ↑
Die Hinrichtung des Stasi-Offiziers Werner Teske.
MDR
, 6. Marz 2012, archiviert vom
Original
am
17. Juni 2012
;
abgerufen am 30. Dezember 2013
.
- ↑
Ansgar Haase:
Der Scharfrichter kam von hinten.
In:
Stern.de
.
15. Juli 2007
;
abgerufen am 30. Dezember 2013
.
- ↑
Vier Jahre Haft fur Todesurteile.
In:
welt.de
.
3. Juli 1998
;
abgerufen am 17. Marz 2023
.
- ↑
Verurteilungen wegen DDR-Todesurteilen rechtskraftig.
Pressemitteilung des
Bundesgerichtshofs
vom 6. August 1999.