Wasserprobe (Recht)

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Ausschnitt aus einer Seite des Rituale in der Stiftsbibliothek Lambach (12. Jahrhundert)

Die Wasserprobe ist ein archaisches Element der Rechtsgeschichte, nachzuweisen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. im Codex Ur-Nammu , dort noch als Flussprobe bei Zauberei.

Proben nicht nur mit kaltem, sondern auch heißem Wasser gab es vor allem im fruhen Mittelalter : Bei der Heißwasserprobe musste der Angeklagte einen Ring o. A. aus einem Kessel mit siedendem Wasser holen. Verheilten die Wunden rasch, galt dies als Beweis der Unschuld. Wahrend der Kaltwasserprobe wurde der Verdachtige in kaltem Wasser versenkt, schwamm er oben, galt er als uberfuhrt.

Zur Zeit der Hexenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts wurde Letztere in abgeschwachter Form als Vorprobe eingesetzt, um den Hexereiverdacht gegen die angeklagten Frauen zu widerlegen oder zu bestatigen. [1] Aus dieser Zeit ist die Kaltwasserprobe auch unter der Bezeichnung Hexenbad bekannt.

Wasserprobe als Gottesurteil

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Die Wasserprobe steht am Anfang der historisch belegbaren Geschichte der Gottesurteile . Der erste schriftlich uberlieferte Hinweis auf die Durchfuhrung von Wasserproben stammt aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Im 10. Paragraphen des Codex Ur-Nammu , eines Gesetzestextes, der auf den sumerischen Konig Urnammu von Ur zuruckgeht, wird eine Wasserprobe beschrieben, die in einem Fluss durchgefuhrt werden soll. [2] Auch im Codex Hammurapi , der aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. stammt, wird ebenfalls eine Art Gottesurteil mit Hilfe des Elements Wasser beschrieben.

Verschiedene Arten der Durchfuhrung von Wasserproben sind uberliefert. Am haufigsten wurden im nachchristlichen Europa jedoch zwei Arten von Wasserproben, namlich die mit heißem und die mit kaltem Wasser, angewandt.

Wasserprobe mit heißem Wasser

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Die juristische Wasserprobe mit heißem Wasser ( iudicium aquae ferventis , Kesselprobe oder auch Kesselfang ) ist vermutlich die alteste Form des Gottesurteils in Europa, die auch in den altesten Gesetzestexten (beispielsweise bei Hinkmar von Reims ) erwahnt wird. [3] Der Angeklagte musste dabei mit nacktem Arm einen Ring oder einen kleinen Stein aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen. Hand und verbruhter Arm wurden anschließend verbunden und versiegelt. Nach einigen Tagen wurde der Verband entfernt. Wenn die Wunde nicht eiterte, war die Probe bestanden, die Unschuld also bewiesen. In einer anderen als Kesselfang bezeichneten Variante mussten die Angeklagten einen Kessel mit siedendem Wasser auffangen. Die Variante wurde insbesondere als Keuschheitsprobe angewendet.

Wasserprobe mit kaltem Wasser

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Ausschnitt aus dem Titelblatt eines Hexentraktates von Hermann Neuwalt , Helmstedt 1584

Die Wasserprobe mit kaltem Wasser ( iudicium aquae frigidae ) wurde vermutlich von Papst Eugen II. (824?827) eingefuhrt. Die Angeklagten wurden uber Kreuz gefesselt und mit einem Seil sitzend in einen Teich oder ein ahnliches Gewasser heruntergelassen oder hineingeworfen. Dies mit der Gebetsformel: ?Lass das Wasser nicht empfangen den Korper dessen, der vom Gewicht des Guten befreit durch den Wind der Ungerechtigkeit emporgetragen wird.“ Falls die Angeklagten oben schwammen, galt dies als Beweis fur Hexerei, doch wenn sie untergingen, galt das nicht als Gegenbeweis, da dies immer noch als Ausnahme gewertet werden konnte. Man glaubte, dass das reine Element Wasser Hexer/Hexen abstoßen wurde. Wie auch bei der Wasserprobe mit heißem Wasser brauchte es in diesem Fall ein ?Wunder“, um freigesprochen zu werden. Wenn die Angeklagten nicht schwammen, wurden sie wieder aus dem Wasser gezogen ? wobei es hier auch zu ungewollten Todesfallen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen ?Verfahrensfehler“.

In einem Missal im Britischen Museum wird von Seiten der kaiserlichen Partei von einer Wasserprobe berichtet, die 1083 auf dem Hohepunkt des Investiturstreits durch einige fuhrende Pralaten des papstlichen Hofes die Rechtmaßigkeit der papstlichen Sache hatte beweisen sollen. Nach dreitagigem Fasten wurde das Wasser gesegnet und ein Knabe, der den Kaiser Heinrich IV. reprasentieren sollte, ins Wasser hinab gelassen. Zum Schrecken der Pralaten sank er wie ein Stein. Als dem Papst Gregor VII. davon berichtet wurde, ordnete dieser eine Wiederholung des Versuchs an, der das gleiche Ergebnis hatte. Dann wurde der Knabe als Vertreter des Papstes hineingeworfen und blieb wahrend zweier Versuche an der Oberflache, trotz aller Versuche, ihn ins Wasser zu tauchen. Allen Beteiligten sei ein Eid abgenommen worden, das unerwartete Ergebnis der Wasserprobe geheim zu halten.

Die Wasserprobe mit kaltem Wasser wurde auch nach dem Mittelalter, in der Fruhen Neuzeit noch als Hexenbad angewandt, obwohl die Mitwirkung von Geistlichen bei der Durchfuhrung von Gottesurteilen von der katholischen Kirche bereits auf dem IV. Lateran-Konzil im Jahre 1215 untersagt worden war, und auch die Durchfuhrung von weltlichen Gesetzen seit dem Spatmittelalter immer mehr verboten wurde, sodass vermehrt seit dem 13. Jahrhundert die Folter als Hilfsmittel zur Erlangung eines Gestandnisses zum Einsatz kam, wobei Berichte solcher Wasserproben aus dem spaten 17. Jahrhundert vorliegen. Allerdings wurde das Hexenbad von den meisten Juristen als Indiz fur den Vorwurf der Hexerei abgelehnt. Dennoch fuhrte gerade der Volksglaube haufig dazu, dass Angeklagte darum baten, sich der Wasserprobe unterwerfen zu durfen, da sie darin eine gute Chance sahen, ihre Unschuld zu beweisen, ohne dass sie der Folter unterworfen wurden. Ihre Chancen waren aber sehr gering, da die Beweislage Auslegungssache der zustandigen Richter war.

Wasserprobe bei Wahrungen

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Weiterhin gab es auch eine ?Wasserprobe“ in der Wahrungsgeschichte, die bis etwa 1871 angewandt wurde, um den Feingehalt von Gold- und Silbermunzen anhand der durch Eintauchen in Wasser verdrangten Wassermenge und des Raugewichts der Munze anhand der spezifischen Gewichte von reinem Gold, Silber und Kupfer mathematisch relativ genau bestimmen zu konnen, da die Legierungsmetalle der zu prufenden Munze bekannt waren. Siehe Ephraimiten .

Einzelnachweise

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  1. Peter Dinzelbacher : Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess , Essen: Magnus Verlag 2006 S. 35f. ISBN 978-3-88400-504-0 .
  2. hu-berlin.de (Abgerufen am 30. Mai 2009)
  3. Sie ist in der Lex Salica erwahnt und im Kapitular Ludwig des Frommen von 819/819. Das alte norwegische Frostathingslov ordnet sie fur Frauen an, die sich vom begrundeten Vorwurf heidnischer Opfer reinigen wollen.
  • Robert Bartlett: Trial by fire and water: The medieval judicial ordeal , Oxford u. a. 1986.
  • Adalbert Erler: Kesselfang . In: Handbuch der Deutschen Rechtsgeschichte Bd. 2. Sp. 707 f., Berlin 1978.
  • Gudrun Gersmann: Wasserproben und Hexenprozesse. Ansichten der Hexenverfolgung im Furstbistum Munster . In: Westfalische Forschungen 48 (1998), S. 449?479.
  • Gudrun Gersmann: Skizze einer Geschichte der Wasserprobe . In: Elemente des Naturhaushalts, 1: Wasser [anlaßlich des internationalen Kongresses, der vom 21. bis zum 25. Oktober 1998 im Forum der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat], Hrsg.: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Wiss. Red.: Bernd Busch und Larissa Forster (Schriftenreihe Forum, 9), Koln 2000, S. 157?167.
  • Gudrun Gersmann: Von schwemmern und sinkern: Hexenverfolgungen und Wasserproben in der munsterlandischen Herrlichkeit Lembeck , in: Rita Voltmer und Gunter Gehl (Hgg.): Alltagsleben und Magie in Hexenprozessen (Historie und Politik, 13), Weimar 2003, S. 95?106.
  • Peter Arnold Heuser: Eine Auseinandersetzung uber den Indizienwert der Kaltwasserprobe im Hexenprozeß . Studien zur Rick-Delrio-Kontroverse 1597?1599 und zur Zuruckdrangung der Kaltwasserprobe aus kurkolnischen Hexenprozessen im 17. Jahrhundert . In: Rheinisch-westfalische Zeitschrift fur Volkskunde 45 (2000), S. 73?135.
  • Peter Arnold Heuser: Die Nadelprobe (Stigmaprobe) in kurkolnischen Hexenprozessen . Studien zur Kontroverse zwischen Peter Ostermann und Johannes Jordanaeus (1629?1630), in: Westfalische Zeitschrift 166 (2016), S. 213?266. Dort S. 218 ? 224 zur Wasserprobe im Hexenprozess.
  • Diana Kremer: ?Von erkundigung und Prob der Zauberinnen durchs kalte Wasser“: Wilhelm Adolph Scribonius aus Marburg und Rudolf Goclenius aus Korbach zur Rechtmaßigkeit der ?Wasserprobe“ im Rahmen der Hexenverfolgung , in: Geschichtsblatter fur Waldeck 84 (1996), S. 141?168.
  • Heikki Pihlajamaki: Swimming the Witch, Pricking for the Devil?s Mark: Ordeals in the Early Modern Witchcraft Trials , in: Journal of Legal History 21/2 (2000), S. 35?58.
  • G. Peter Toth: River Ordeal ? Trial by Water ? Swimming of Witches: Procedures of Ordeal in Witch Trials , in: Gabor Klaniczay and Eva Pocs (Hgg.): Witchcraft Mythologies and Persecutions (Demons, spirits, witches, 3), Budapest ? New York 2008, S. 129?163.
  • Jacek Wijaczka: Proba zimnej wody (pławienie) w oskar?eniach i procesach o czary w pa?stwie polsko-litewskim w XVI?XVIII wieku , in: Odrodszenie i reformacja w Polsce 60 (2016), S. 73?110; englisch ebd. S. 149?187 unter dem Titel: The Cold Water Ordeal (Swimming) in Witchcraft Accusations and Trials in the Polish-Lithuanian Commonwealth in the Sixteenth-Eighteenth Century (Volltext online unter https://rcin.org.pl > Content > WA303_84140_A512-60-SI-2016_OiR-Wijaczka.pdf).
  • Jacek Wijaczka: Proba zimnej wody (pławienie) w procesach o czary we wczesnonowo?ytnej Europie = A cold water ordeal in witchcraft cases in early modern Europe , in: Klio. Czasopismo po?wi?cone dziejom Polski i powszechnym 53/2 (2020), S. 19?66.
  • Russell Zguta: The Ordeal by Water (Swimming of Witches) in the East Slavic World , in: Slavic Review 36/2 (1977), S. 220?230.