Dieser Artikel behandelt den Historiker Walter Goetz. Zum Fußballspieler siehe
Walter Gotz
.
Walter Wilhelm Goetz
(*
11. November
1867
in
Lindenau
bei
Leipzig
; †
30. Oktober
1958
in
Adelholzen
in Oberbayern und beerdigt in
Grafelfing
bei
Munchen
) war ein deutscher
Historiker
,
Publizist
und
Politiker
(
DDP
).
Walter Goetz, Sohn des Arztes und Fuhrers der deutschen Turnerbewegung
Ferdinand Goetz
, lernte bis 1886 an der humanistischen
Thomasschule zu Leipzig
. Danach studierte er
Rechtswissenschaften
an der
Universitat Freiburg
,
Kunstgeschichte
an der
Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
und
Nationalokonomie
bei
Lujo Brentano
an der
Universitat Leipzig
. In Munchen schloss er sich der
Turnerschaft
Munichia
(heute zu Bayreuth) im
Coburger Convent
an. Er verfasste zusammen mit Konrad Bahr die ?Munichengeschichte“, in der die Entwicklung der
Turnerschaft Munichia
von der Grundung bis in die 20er Jahre beschrieben wird.
[1]
Im Jahr 1890 wurde er in Geschichte bei
Wilhelm Maurenbrecher
zum Dr. phil. mit der Dissertation
Die Wahl Maximilians II. zum deutschen Konig 1562
promoviert
. 1895
habilitierte
er sich in Allgemeiner Geschichte bei
Karl Lamprecht
. Nachdem er zeitweilig in Leipzig seine Studien fur seine Habilitation zu
Herzog Albrecht V. im ersten Jahrzehnt seiner Regierung
fortsetzte, habilitierte er sich 1901 nach Munchen um. Von 1895 bis 1901 arbeitete er als
Privatdozent
fur Geschichte an der Philosophischen Fakultat der Universitat Leipzig.
Er heiratete die Tochter des Bonner Geschichtsprofessors
Moriz Ritter
. Weiterhin wichtig wurden fur Goetz Bekanntschaften wie die mit dem Historiker
Karl Brandi
oder mit
Luise von Druffel
, in deren Hause er wohnte (siehe
August von Druffel
). 1905 wurde er ordentlicher
Professor
an der
Universitat Tubingen
(Nachfolger von
Georg von Below
), 1913 an der
Universitat Straßburg
(Nachfolger von
Harry Bresslau
) und 1915 fur
Kultur-
und
Universalgeschichte
in Leipzig, wo er als Nachfolger von
Karl Lamprecht
das von diesem begrundete
Institut fur Kultur- und Universalgeschichte
bis zu seinem Ausscheiden aus dem akademischen Lehrkorper leitete. Außerdem war er 1929/30
Dekan
der Philosophischen Fakultat.
Goetz engagierte sich um 1900 politisch im
Nationalsozialen Verein
um
Friedrich Naumann
. Er arbeitete fur die Zeitschrift
Die Hilfe
und war mit
Theodor Heuss
und
Ludwig Curtius
befreundet. Er war von 1920 bis 1928 als Mitglied der
Deutschen Demokratischen Partei
Abgeordneter im
Deutschen Reichstag
. Sein Eintreten fur die Republik wurde ihm in der
Zeit des Nationalsozialismus
von den Machthabern ubelgenommen. Goetz brach seine Kontakte zu judischen Kollegen ? u. a. seinen Schulern
Alfred von Martin
und
Hans Baron
? nicht ab und setzte sich stattdessen entsprechend seiner humanistischen Gesinnung fur sie ein. Im Mai 1933 wurde er, nachdem er bereits aus Altersgrunden die
Emeritierung
beantragt hatte, aufgrund des
Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
verbunden mit einer Kurzung seiner
Pension
zwangsemeritiert, wogegen er Berufung einlegte. Ein halbes Jahr spater wurde die Entscheidung wieder aufgehoben und Goetz in den ordentlichen Ruhestand mit vollen Bezugen versetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er außerplanmaßiger Professor und ab 1952 Honorarprofessor in Munchen. Von 1946 bis 1951 war er außerdem Prasident der
Historischen Kommission
bei der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften
(seit 1904 Mitglied). In seinen letzten Lebensjahren beschaftigte Goetz sich mit der Konzeption der
Neuen Deutschen Biographie
, deren erste Bande kurz vor seinem Tode publiziert wurden.
Goetz wirkte an der Aufarbeitung der
Monumenta Germaniae Historica
mit. Von 1927 bis 1949 war er Vorsitzender der
Deutschen Dante-Gesellschaft
. Er war seit 1947 Mitglied der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften
in Munchen. Des Weiteren war er seit 1930 Mitglied der
Sachsischen Akademie der Wissenschaften
. Hier konnte er seine Studien zur italienischen Renaissance fortsetzen und publizieren.
Neben seiner akademischen Karriere war Goetz auch
Reserveoffizier
der
Bayerischen Armee
. Er diente zunachst als
Einjahrig-Freiwilliger
im
1. Infanterie-Regiment ?Konig“
und brachte es 1910 zum
Major
. Im
Ersten Weltkrieg
wurde er Bataillonskommandeur und war an der
Westfront
eingesetzt. Nichtsdestoweniger setzte er sich 1917 bei Staatssekretar
Richard von Kuhlmann
fur einen
Verstandigungsfrieden
ein.
Seine wichtigsten Forschungsergebnisse erzielte Goetz in der Geschichte der
Gegenreformation
und der italienischen
Renaissance
. Besondere Bedeutung hatte fur ihn das Studium der italienischen Stadte im Mittelalter sowie
Dante Alighieris
und
Franz’ von Assisi
. Seine Auffassung des Zeitalters ist wesentlich durch seine kulturgeschichtlichen Neigungen sowie durch
Jacob Burckhardt
bestimmt. Goetz hat auch zu kunstgeschichtlichen Themen der italienischen Renaissance gearbeitet. Hier gibt es neben Burckhardt auch einen Einfluss durch das Studium bei
Anton Springer
in Leipzig. Weniger ausgepragt ist bei Goetz die Nachwirkung von
Georg Voigt
, obwohl er sich dessen Bedeutung durchaus bewusst war. Auch Lamprecht beeinflusste ihn, obwohl Goetz’ Position von dessen Auffassung der
Kulturgeschichte
deutlich abweicht. Hier ist es in wissenschaftlichem und institutionellem Zusammenhang zu Auseinandersetzungen gekommen, nicht zuletzt auch mit dem Kulturhistoriker
Georg Steinhausen
uber dessen Geschichtsauffassung.
Mit Goetz’ Emeritierung ging in Leipzig eine langjahrige Beschaftigung mit dem italienischen
Renaissance-Humanismus
zu Ende, die mit Voigt begonnen und zu der auch
Alfred Doren
mit seinen Beitragen zur
Wirtschaftsgeschichte
der Zeit beigetragen hatte.
[2]
Der Bereich gewann in Leipzig nie wieder eine vergleichbare Bedeutung.
Bei seinen Studien um Franz von Assisi und Dante waren fur Goetz die Motive wegweisend, welche die Epoche der Renaissance eindeutig von der des Mittelalters unterscheiden. Doch stand fur ihn fest, dass viele der Dinge, die im 14. Jahrhundert mit der Wiederbesinnung auf die
Antike
auftauchten, bereits im Mittelalter angelegt waren. Franz von Assisi war auch ein wesentlicher Gegenstand seiner Zusammenarbeit mit dem
Theologen
und
Historiker
Paul Sabatier
, mit dem er uber viele Jahre eine umfangreiche Korrespondenz fuhrte.
Zu Goetz’ bedeutendsten Schulern im Gebiet der
Mediavistik
zahlt
Herbert Grundmann
.
Goetz blieb aber auch der Erforschung der Reformationsgeschichte insbesondere Bayerns verbunden. Er publizierte weiter zu
Albrecht V. von Bayern
.
In seiner Eigenschaft als Direktor des Leipziger Instituts fur Kultur- und Universalgeschichte hat Goetz seit 1912 die von
Georg Steinhausen
begrundete Zeitschrift
Archiv fur Kulturgeschichte
herausgegeben. Im Zuge der Aufarbeitung der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs gab Walter Goetz 1920 auch die in Russland aufgefundenen Briefe Kaiser
Wilhelm II.
an Zar
Nikolaus II.
heraus.
Mit Karl Brandi setzte Goetz die Herausgabe der unter August von Druffel begonnenen
Beitrage zur Reichsgeschichte
bzw. zum
Landsberger Bund
fort. Goetz konnte hierbei auch auf die Abschriften und Auszuge von Maurenbrecher zugreifen, die dieser in
Simancas
anfertigte bzw. anfertigen ließ und die von dessen Witwe Mary Maurenbrecher an Goetz und an den damaligen Direktor der Leipziger Universitatsbibliothek,
Julius Benno Hilliger
ubergeben wurden. Ein großer Teil der Urkundenabschriften ist in der
Universitatsbibliothek Leipzig
erhalten, so dass hieraus auch Einblicke in Goetzsche Auswahlkriterien fur seinen Band moglich sind. Durch Hilliger wurde dieser Nachlass 1928 oder 1929 in den Bestand der Handschriftenabteilung der Universitatsbibliothek eingegliedert.
[3]
[4]
Er war mit Hedwig, geb. Pfister (1885?1968), verheiratet und hatte mehrere Kinder.
Sein 1920 geborener Sohn
Helmut Goetz
wurde ebenfalls Historiker und war viele Jahre am
Deutschen Historischen Institut
in Rom tatig.
- Beitrage zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des Landsberger Bundes 1556?1598
(=
Briefe und Akten zur Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts
, Teil 5), Munchen 1898.
- (Bearb.) mit
Leonhard Theobald
:
Beitrage zur Geschichte Herzog Albrechts V. und der sog. Adelsverschworung von 1563
(=
Briefe und Akten zur Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts
, Teil 6), Munchen 1913.
- Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance
, 4 Bande, Leipzig 1928?1936.
- Italien im Mittelalter
, 2 Bande, Leipzig 1942.
- Historiker in meiner Zeit. Gesammelte Aufsatze. Die Aufsatze aus den Jahren 1912 bis 1955 zum 90. Geburtstag von Walter Goetz.
Hrsg. von
Herbert Grundmann
, Koln/Graz 1957.
- (Hrsg.)
Briefe Wilhelms II. an den Zaren 1894?1914
, Ullstein, Berlin 1920.
- (Hrsg.)
Propylaen Weltgeschichte
. Der Werdegang der Menschheit in Gesellschaft und Staat
, Wirtschaft und Geistesleben, 10 Bande, Berlin 1929?1933.
- Die Enzyklopadie des 13. Jahrhunderts.
In:
Zeitschrift fur deutsche Geistesgeschichte
2 (1936), S. 227?250.
- Herbert Grundmann,
Fritz Wagner
:
Walter Goetz †
. In:
Archiv fur Kulturgeschichte
40 (1958), S. 271?274.
- Herbert Grundmann:
Walter Goetz †
. In:
Historische Zeitschrift
187 (1959), S. 731?732.
- Herbert Grundmann:
Goetz, Walter Wilhelm.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964,
ISBN 3-428-00187-7
, S. 582?584 (
Digitalisat
).
- Helmut Goetz:
Il carteggio Paul Sabatier e Walter Goetz (1900?1913)
. In:
QFIAB
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- Wolf Volker Weigand:
Walter Wilhelm Goetz 1867?1958. Eine biographische Studie uber den Historiker, Politiker und Publizisten
, Boppard 1992.
- Goetz, Walter
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Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 2006,
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.
- ↑
Walter Goetz u. Konrad Bahr:
Die Munichenchronik. Geschichte der Turnerschaft Munichia in Munchen 1883?1923
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- ↑
Perdita Ladwig:
Das Renaissancebild deutscher Historiker 1898?1933
(=
Campus Forschung.
Band 859). Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2004,
ISBN 3-593-37467-6
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Universitatsbibliothek Leipzig: Ms 01086-01094.
Abschriften aus Simancas von K.P.W. Maurenbrecher
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Katalog der Handschriften der Universitatsbibliothek Leipzig
, Neue Folge, Bd. I, Teil 3 (Ms 0601?01220), beschrieben von Detlef Doring, Wiesbaden 2003, S. 155. Es betrifft die Signaturen MS 01086-01094. Dieser Nachlass ist Thema in
Mario Todte
:
Wilhelm Maurenbrecher. Neue Forschungsergebnisse und Einsichten.
GRIN-Verlag, Munchen/Ravensbruck 2006,
ISBN 978-3-640-26276-2
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urn
:
nbn:de:101:1-2010090122228
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Alfredo Alvar Ezquerra:
Intercambios culturales intangibles: Maurenbrecher en Simancas (1862?1863), la Dieta de Augusta y el epistolario de Cantonay (1566)
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In:
Lutero, su obra y su epoca
(=
Coleccion del Instituto Escurialense de Investigaciones Historicas y Artisticas
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Band 55). Hrsg. von F. Javier Campos. San Lorenzo de El Escorial, Madrid R.C.U. Escorial-Mª Cristina, Servicio de Publicaciones, Madrid 2017,
ISBN 978-84-617-9687-8
, S. 179?209 (
PDF; 3,9 MB
; PDF-S. 168?198).