Ernst Walter Andrae
(*
18. Februar
1875
in
Anger
bei
Leipzig
; †
28. Juli
1956
in
Berlin
; gelegentlich auch
Walter Ernst Andrae
) war ein deutscher
Bauforscher
und
Vorderasiatischer Archaologe
.
Walter Andrae war der Sohn des Geheimen Oberbaurates Carl Hermann Andrae und dessen Frau Auguste Sidonie, geborene Schmidt. Seine jungeren Schwestern waren die Malerin
Louise Elisabeth
(1876?1945) und Helene Margarete (* 1881), verheiratet mit dem Schweriner Ministerialdirektor
Paul Ehmig
. Er besuchte die Gymnasien in
Chemnitz
und
Grimma
. Im Anschluss absolvierte er einen einjahrigen Militardienst und begann dann ein Studium der Architektur an der
Technischen Hochschule Dresden
, das er als Regierungsbaufuhrer abschloss. Hier interessierte er sich auch fur Baugeschichte. Wahrend seines Studiums wurde er 1894 Mitglied der
Sangerschaft Erato
Dresden
.
[1]
Von 1898 bis 1903 war er als Mitarbeiter
Robert Koldeweys
bei den
Ausgrabungen
in
Babylon
tatig, wo er zeitweise die Grabungsleitung innehatte. Von 1903 bis 1914 grub er, finanziert durch die
Deutsche Orient-Gesellschaft
,
[2]
unter anderem zusammen mit
Julius Jordan
in der ersten Hauptstadt des
Assyrerreiches
Assur
. Andrae nahm auch an weiteren Ausgrabungen in
Vorderasien
teil, etwa der des spathethitischen
Zincirli
.
Im Jahr 1908 reiste er nach Deutschland, um seine Promotion an der Technischen Hochschule Dresden abzuschließen und den Proben und der Erstauffuhrung der Pantomime
Sardanapal
in Berlin beizuwohnen, die der orientbegeisterte
Kaiser Wilhelm II.
in Auftrag gegeben und fur die Andrae die Buhnenbilder entworfen hatte.
[3]
Nach seiner Ruckkehr vom Euphrat 1914 heiratete Andrae, wurde zum Kriegsdienst einberufen und in den Stab des Feldmarschalls
von der Goltz
in den Vorderen Orient abgeordnet. 1921 wurde er als Nachfolger Robert Koldeweys
Kustos
der
Vorderasiatischen Abteilung
der
Berliner Museen
und erhielt 1923 eine außerplanmaßige Professur an der
Technischen Hochschule Berlin
. 1926 gelang es ihm, in Portugal die im
Ersten Weltkrieg
auf ihrem Weg ubers Mittelmeer beschlagnahmten Funde von Assur auszulosen; im selben Jahr erreichte er den Abtransport der Funde in Babylon, die Koldewey 1917 dort hatte zurucklassen mussen.
1928 wurde Walter Andrae zum Direktor der
Vorderasiatischen Abteilung
der Berliner Museen ernannt. 1930 eroffnete er die dort neu eingerichteten Babylon-Sale. 1946 wurde er als Ordinarius fur Baugeschichte und Bauaufnahme an die Technische Hochschule Berlin berufen.
[4]
1952 wurde er emeritiert und ging bei den Museen in Pension. Am 28. Juli 1956 starb er in Berlin.
[5]
Von besonderer Bedeutung sind Andraes Werke
Das wiedererstandene Assur
sowie seine
Autobiografie
Lebenserinnerungen eines Ausgrabers
. Walter Andrae hinterließ zudem zahlreiche Zeichnungen und
Aquarelle
, neben den Buhnenbildentwurfen auch Darstellungen orientalischer Landschaften und Personen sowie Rekonstruktionszeichnungen der Anlagen von Babylon. Ein von ihm gefuhrtes Gastebuch der Grabungsstatte in Babylon weist ihn als talentierten Karikaturisten und Erfinder von Bildergeschichten aus.
[6]
1953 wurde er mit dem
Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
ausgezeichnet.
- Hatra. Nach Aufnahmen der Assur-Expedition der Deutschen Orient-Gesellschaft.
In zwei Teilbanden:
Allgemeine Beschreibung der Ruinen
und
Einzelbeschreibung der Ruinen
(=
Wissenschaftliche Veroffentlichungen der Deutschen Orientgesellschaft.
Band 9 und 21), J. C. Hinrichs, Leipzig 1908?1912
- Der Anu-Adad-Tempel in Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur.
Band A 1). J. C. Hinrichs, Leipzig 1909 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 10).
- Die Festungswerke von Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur.
Band A 2). 2 Bande. J. C. Hinrichs, Leipzig 1913 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 23).
- Die Stelenreihen in Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur.
Band A 3). J. C. Hinrichs, Leipzig 1913 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 24).
- Die archaischen Ischtar-Tempel in Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur.
Band A 4). J. C. Hinrichs, Leipzig 1922 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 39).
- Farbige Keramik aus Assur und ihre Vorstufen in altassyrischen Wandmalereien. Nach Aquarellen von Mitgliedern der Assur-Expedition und nach photographischen Aufnahmen von Originalen im Auftrage der Deutschen Orient-Gesellschaft herausgegeben.
Scarabaeus, Berlin 1923.
- Hethitische Inschriften auf Bleistreifen aus Assur.
J. C. Hinrichs, Leipzig 1924 (
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 46).
- mit
Heinrich Schafer
:
Die Kunst des Alten Orients
(=
Propylaen Kunstgeschichte.
Band 2). Berlin 1925.
- Kultrelief an dem Brunnen des Assurtempels zu Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur.
Band A 7). J. C. Hinrichs, Leipzig 1931 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 53),
- mit
Heinz Lenzen
:
Die Partherstadt Assur
(=
Ausgrabungen der Deutschen Orientgesellschaft in Assur.
Band 8). J. C. Hinrichs, Leipzig 1933 (=
Wissenschaftliche Veroffentlichung der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 57).
- Neudruck: Zeller, Osnabruck 1967.
- Die ionische Saule. Bauform oder Symbol?
Verlag fur Kunstwissenschaft, Berlin 1933 (=
Studien zur Bauforschung.
Heft 5).
- Das wiedererstandene Assur.
J. C. Hinrichs, Leipzig 1938.
- Alte Festraßen im Nahen Osten.
J. C. Hinrichs, Leipzig 1941 (=
Sendschrift der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Band 10)
- Neuausgabe: Freies Geistesleben, Stuttgart 1964.
- Babylon. Die versunkene Weltstadt und ihr Ausgraber Robert Koldewey.
De Gruyter, Berlin 1952.
Postum
erschienen:
- Rudolf Naumann
,
Ernst Heinrich
(Hrsg.):
Koldewey-Gesellschaft. Vereinigung fur baugeschichtliche Forschung e. V. Von ihren Grundern, ihrer Geschichte und ihren Zielen. Festschrift zum 80. Geburtstag von Ernst Walter Andrae.
Habelt, Berlin 1955.
- Kay Kohlmeyer
,
Eva Strommenger
:
Wiedererstehendes Babylon. Eine antike Weltstadt im Blick der Forschung.
Museum fur Vor- und Fruhgeschichte, Berlin 1991.
- Rainer Michael Boehmer
, Ernst Walter Andrae (Herausgeber):
Bilder eines Ausgrabers. Die Orientbilder von Walter Andrae 1898?1919.
2., erweiterte Auflage. Mann, Berlin 1992,
ISBN 3-7861-1651-2
.
- Jurgen Bar
:
Walter Andrae, ein Wegbereiter der modernen Archaologie.
In:
Joachim Marzahn
,
Beate Salje
(Hrsg.):
Wiedererstehendes Assur. 100 Jahre deutsche Ausgrabungen in Assyrien.
Philipp von Zabern, Mainz 2003,
ISBN 3-8053-3250-5
, S. 45?52.
- Olaf Matthes:
Andrae, Walter.
In:
Peter Kuhlmann
,
Helmuth Schneider
(Hrsg.):
Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon
(=
Der Neue Pauly
. Supplemente.
Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012,
ISBN 978-3-476-02033-8
, Sp. 26?29.
- Sabine Bohme und
Helmut Zander
:
Mysterienkult auf der Museumsinsel
. In:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
, Feuilleton, 5. Februar 2021, S. 12.
- ↑
Paul Meißner (Hrsg.):
Alt-Herren-Verzeichnis der Deutschen Sangerschaft.
Leipzig 1934, S. 65.
- ↑
Wilhelm Litten
:
Persische Flitterwochen.
Georg Stilke, Berlin 1925, S. 203
- ↑
Wiedererstehendes Babylon. Eine antike Weltstadt im Blick der Forschung.
Museum fur Vor- und Fruhgeschichte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1991, S. 14?16.
- ↑
Andrae, Ernst Walter.
In:
Catalogus Professorum TU Berlin.
Abgerufen am 28. Februar 2023
.
- ↑
Wiedererstehendes Babylon. Eine antike Weltstadt im Blick der Forschung
. Museum fur Vor- und Fruhgeschichte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1991; S. 8
- ↑
Nachlass, im Besitz des Vorderasiatischen Museums Berlin. Beispiele in:
Wiedererstehendes Babylon. Eine antike Weltstadt im Blick der Forschung.
Museum fur Vor- und Fruhgeschichte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1991, S. 20?38.