Die
Khana Ratsadon
(
thailandisch
????????
, Aussprache:
[k?ana? raːtsad?ːn]
; ubersetzt etwa
Volkspartei
,
englisch
People's Party
), auch
Forderer
(
?????????
, Phu Ko Kan) genannt, war eine Gruppe von Militars, Intellektuellen und Staatsbeamten in
Thailand
(damals Siam), die gegen den Absolutismus und fur eine konstitutionelle Monarchie eintrat. Anders als der Name nahelegt, war es eher ein elitarer Zirkel, als eine im Volk verwurzelte Bewegung. 1932 unternahm sie einen gewaltlosen
Staatsstreich (?Siamesische Revolution“)
, der den Ubergang des Landes von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie brachte. Bald darauf zerfiel die Volkspartei in verschiedene rivalisierende Fraktionen und Gruppierungen. Ihre Mitglieder dominierten das politische Leben des Landes noch bis in die 1950er Jahre. Sie brachte sechs Ministerprasidenten hervor.
Bei Grundung der Khana Ratsadon gab es in Thailand noch keine politischen Parteien im eigentlichen Sinne und auch keinen etablierten thailandischen Begriff fur ?Partei‘.
Khana
kann ?(eine bestimmte) Gruppe“, ?Organisation“, ?Team“,
[1]
?Mannschaft“, ?Komitee“ oder ?Rat“ bedeuten
[2]
;
ratsadon
heißt ?Volk“ (im Sinne von Bevolkerung eines Landes) oder ?(Gesamtheit der) Burger“. Parteien im modernen Sinne heißen dagegen auf Thai
phak
. Alternativ werden die Mitglieder der Khana Ratsadon auch
Phu ko kan plian plaeng kan pokkhrong
(?Initiatoren des Wechsels der Regierungsform“) oder kurz nur
Phu ko kan
(?Initiatoren“ oder ?Forderer“) genannt.
[3]
Die Volkspartei wurde im Februar 1927 in der
Pariser
Rue du Sommerand von sieben
Kadetten
und
Studenten
mit dem Ziel gegrundet, politische Veranderungen in Siam durchzufuhren. Sie arbeiteten dazu wahrend einer funftagigen Tagung einen klaren und schlussigen Plan aus, um den Fehler der gescheiterten Palastrevolte von 1912 nicht zu wiederholen. Zu dieser Gruppe gehorten:
- Prayun Phamonmontri
(1897?1982), Sohn eines Diplomaten, ehemaliger Heeresoffizier (Oberleutnant der koniglichen Garde), Politikstudent und Reisender
- Pridi Phanomyong
(* 1900; spater
Luang
Praditmanutham), Jura-Doktorand an der Universitat Paris (Sorbonne)
- Plaek Khittasangkha
(Thai:
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, * 1897; spater
Luang
Phibunsongkhram), Oberleutnant der Artillerie, Student an der franzosischen Artillerieschule in Fontainebleau
- Charun Singhaseni
(Thai:
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, * 1898; spater
Luang
Siriratchamaitri), Botschaftssekretar an der siamesischen Botschaft in Paris
- Tua Laphanukrom
(Thai:
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; * 1898), Chemie-Doktorand an der Universitat Bern
- Thatsanai Mitphakdi
(Thai:
?????? ?????????
, * 1899; spater
Luang
Thatsanainiyomsuek), Leutnant der Kavallerie und Student an der franzosischen Kavallerieschule
- Naep Phahonyothin
(Thai:
??? ????????
), Neffe von
Phot Phahonyothin
, Student in England
Pridi wurde Prasident der Gruppe.
Der Plan fußte auf der Erkenntnis, dass die Landbevolkerung Siams entweder zu ungebildet oder gegenuber politischen Themen zu uninteressiert war, um eine
Revolution
oder einen Massenaufstand vorzubereiten. Das Wohlergehen des Mittelstands in Bangkok wiederum hing vor allem von der Patronage des Adels und des Konigshauses ab. Damit war fur die Gruppe eine Veranderung der politischen Situation im Lande nur durch einen
Staatsstreich
des
Militars
moglich.
Mehrere Mitglieder der Gruppe kehrten Ende der 1920er-Jahre nach Siam zuruck und nahmen heimlich Kontakt zu Gleichgesinnten auf. Pridi wurde Lehrer an der
Chulalongkorn-Universitat
, wo er die Unterstutzung von etwa 50 Zivilisten und Beamten erhielt. Phibunsongkhram scharte Armeeangehorige um sich. Ende 1931 hatte man 102 Mitglieder in der Partei, wobei es zwei Flugel gab: einen militarischen und einen zivilen. Der militarische Flugel war weiter unterteilt in drei Teilbereiche: (1) die hohen Offiziere, (2) die jungen Offiziere und (3) die
Marine
.
Die vier Flugel oder Fraktionen wurden angefuhrt von vier Mannern:
Fur die Zukunft des Landes verfolgte man sechs Ziele, spater die
Sechs Prinzipien
(
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) genannt. Sie lauteten:
- Wahrung der Souveranitat des Volkes,
- Wahrung der nationalen Sicherheit,
- Wahrung der wirtschaftlichen Entwicklung des Volkes im Einklang mit den Zielen des Wirtschaftsplanes fur Siam,
- Schutz des Prinzips "Gleichheit vor dem Gesetz",
- Wahrung der Rechte und Freiheit des Volkes, sofern keine der oberen Prinzipien verletzt werden,
- Bereitstellung allgemeiner Bildung fur jeden Burger.
Der
Staatsstreich in Siam 1932
gelang und 1933 hatte man das Land von einer absoluten Monarchie in einen Einparteienstaat verwandelt. Die Volkspartei selbst war nur kurzlebig, zu viele Fraktionen unterschiedlicher Richtungen waren in ihr vereint. Dennoch kamen aus der Volkspartei auch nach ihrer Auflosung in den anschließenden 20 Jahren 6
Premierminister
.
Prayun Phamonmontri
zufolge, waren unter den Forderern 34 Offiziere des Heeres, 19 der Marine und 45 Zivilisten.
Die Grunder der Volkspartei konnten vier hohe Offiziere des Heeres fur ihre Sache gewinnen. Diese wurden als die ?Vier Musketiere“ (
????????
,
thahan suea
, wortlich ubersetzt ?Tigersoldaten“) bekannt.
Der Gruppe der jungen Heeresoffiziere gehorten vier Majore, daneben eine Reihe von Hauptleuten und Leutnants an, darunter:
- Major
Luang Phibunsongkhram
(Plaek Khittasangkha)
- Major Luang Sarityutthasin (Phian Phiriyayothin)
- Major Luang Amnuaisongkhram (Thom Kesakomon)
- Major Luang Wichakkonlayut (Sian Susin)
- Hauptmann Luang Katsongkhram (Thian Kengradomying)
- Hauptmann Luang Kriangsakphichit (Khuan Chittakhun)
- Hauptmann Luang Thatsanainiyomsuek (Thatsanai Mitphakdi)
- Hauptmann
Luang Seriroengrit
(Charun Rattanakun)
- Hauptmann
Luang Adundetcharat
(Bat Phuengphrakhun)
Die namhaftesten Vertreter der Volkspartei in der Marine waren:
Dem zivilen Flugel gehorten, unter anderen, an:
- Frank C. Darling:
Political parties in Thailand.
In:
Pacific Affairs
, Band 44, Nr. 2 (Sommer 1971), S. 228?241.
- Lydia Seibel:
Die Wurzeln der thailandischen Parteiendemokratie (1868-1935).
Dissertation, Universitat Munster 2009, insbesondere Abschnitt 6.1.
Die Khana Ratsadon (Volkspartei)
, S. 155?169.
- Michael Steinmetz:
Siam im Jahr 2475 (1932). Das Ende der absoluten Monarchie.
Sudostasien Working Papers, Humboldt-Universitat, Berlin 2000.
- ↑
Seidel, S. 97
- ↑
Steinmetz:
Siam im Jahr 2475.
2000, S. 45.
- ↑
Federico Ferrara:
The Political Development of Modern Thailand.
Cambridge University Press, Cambridge 2015, S. 5.