Vir clarissimus
oder
clarissimus vir
(lateinisch,
Superlativ
zu
clarus
, ?laut, hell, beruhmt“, wortlich ?hochangesehener Mann“) war ein romischer
Ehrentitel
, der vor allem an
Senatoren
wahrend der
romischen Kaiserzeit
verliehen wurde.
Die Herkunft dieses und ahnlicher Titel ist nicht vollig klar, vermutlich entstanden sie ursprunglich aus Steuerklassen, worauf die untersten Rangtitel noch hindeuten (
viri sexagenarii
,
centenarii
,
ducenarii
). Wahrend der Kaiserzeit stellte
vir clarissimus
den allgemeinen Ehrentitel der Senatoren dar. Herausragende Senatoren und senatorische Beamte in hoheren Amtern erhielten dazu weitere Titel: Uber dem einfachen
vir clarissimus
stand der
vir spectabilis
, daruber der
vir illustris
. In der
spateren Kaiserzeit
teilten sich die
viri illustres
weiter auf in die
illustres
, die
illustres magnificentissimi
und die
illustres gloriosissimi
, uber denen als
nobilissimi
die Angehorigen des Kaiserhauses standen. Seit
Konstantin dem Großen
war der Titel
vir clarissimus
dabei im Unterschied zu den hoheren Rangen erblich. Seit
Constantius II.
trugen auch die Mitglieder des ostromischen Senats in
Konstantinopel
, die zunachst nur
viri clari
gewesen waren, diesen Titel.
Im Allgemeinen wurden die hoheren Titel einfach hinzugefugt; ein Senator, der
vir illustris
war, nannte sich daher
vir clarissimus et illustris
. Der Titel
clarissimus
wurde auch ins
Griechische
ubersetzt, zumeist als
λαμπρ?τατο?
(lamprotatos), vor allem in der Fruhzeit auch als
κρ?τιστο?
(kratistos).
Neben der regelmaßigen Verleihung des Titels an Senatoren kamen gelegentlich Ausnahmen vor. So fuhrten im
4. Jahrhundert
etwa manche
Vikare
als Vorsteher von
Diozesen
nur den dem
Ritterstand
zugeordneten Titel
vir perfectissimus
, obwohl sie den Statthaltern der Provinzen, die allesamt (auch wenn sie aus dem Ritterstand stammten)
viri clarissimi
waren, vorgesetzt waren. Die so erzeugte Spannung zwischen Amts- und Titelhierarchie ist vielleicht im Sinne des Prinzips der
Checks and Balances
zu deuten.
Als aufgrund der massenhaften Verleihung und Vererbung des Titels die Zahl der
clarissimi
um 430 auf mehrere Tausend gestiegen war, wurde verfugt, dass sie zwar weiterhin zum
ordo senatorius
gehoren und entsprechende Privilegien genießen sollten; das Recht an der Teilnahme an Senatssitzungen in Rom und Konstantinopel wurde aber fortan auf die
illustres
beschrankt.
Nach dem Ende des
Westromischen Reiches
ging der Titel des
vir clarissimus
im lateinischen Westen nicht unter, sondern fuhrt bis heute ein Nachleben. Gelehrte wurden bis in die Neuzeit in lateinischen Briefen und Adressen als
viri clarissimi
angesprochen. Der nachsthohere Titel
vir spectabilis
wurde den Dekanen der
Fakultaten
beigelegt. Die feierliche Anrede
Spektabilitat
bzw.
Spectabilis
fur
Dekane
ist bis heute gebrauchlich.
Rektoren
von Universitaten tragen ebenfalls bis heute den Titel
Magnifizenz,
der aus dem Titel
vir illustris magnificentissimus
hergeleitet ist. Politische Entscheidungstrager (Fursten, Burgermeister, Ratsherren) wurden als
viri illustres
angesprochen. Diese Anrede wurde als ?erlaucht“, ?durchlaucht“ und dergleichen ins Deutsche ubertragen, wobei wegen der Bedeutungsverwandtschaft nicht klar ist, welche deutsche Bezeichnung auf
clarissimus
und welche auf
illustris
zuruckgeht. In Italien schließlich steht allen Universitatsprofessoren die Anrede ?chiarissimo professore“ zu, wobei
chiarissimo
die italienische Form von
clarissimus
ist.
- Kirsten Groß-Albenhausen:
Vir clarissimus.
In:
Der Neue Pauly
(DNP). Band 12/2, Metzler, Stuttgart 2002,
ISBN 3-476-01487-8
, Sp. 241.
- Henrik Lohken:
Ordines dignitatum. Untersuchungen zur formalen Konstitutierung der spatantiken Fuhrungsschicht
(=
Kolner historische Abhandlungen.
Band 30). Bohlau, Koln u. a. 1982,
ISBN 3-412-03081-3
.
- Jochen Bleicken
:
Verfassungs- und Sozialgeschichte des Romischen Kaiserreiches.
Band 1. 3. Auflage, Schoningh, Paderborn 1989, S. 150 (Tabelle der Rangklassen), S. 257?259.