Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (Vollstreckungstitel-Verordnung)

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Flagge der Europäischen Union

Verordnung  (EG) Nr. 805/2004

Titel: Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einfuhrung eines europaischen Vollstreckungstitels fur unbestrittene Forderungen
Geltungsbereich: EU
Rechtsmaterie: Zivilprozessrecht
Grundlage: EGV , insbesondere Artikel 61 Buchstabe c) und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich
Verfahrensubersicht: Europaische Kommission
Europaisches Parlament
IPEX Wiki
Anzuwenden ab: 21. Oktober 2005
Fundstelle: ABl. L 143, 30. April 2004, S. 15?39
Volltext Konsolidierte Fassung (nicht amtlich)
Grundfassung
Regelung ist in Kraft getreten und anwendbar.
Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europaischen Union

Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 , vollstandig Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einfuhrung eines europaischen Vollstreckungstitels fur unbestrittene Forderungen , Kurzbezeichnung EuVTVO , vom 21. April 2004 regelt die Einfuhrung eines vereinfachten Verfahrens, in dem Glaubiger zeit- und kostengunstiger fur unbestrittene Forderungen einen Vollstreckungstitel in anderen Mitgliedstaaten der Europaischen Union (mit Ausnahme Danemarks) erhalten konnen und zu diesem Zweck nicht ein Exequaturverfahren einleiten mussen.

Der Europaische Vollstreckungstitel ( EuVT ) ist kein selbstandiger Vollstreckungstitel, da nur die Vollstreckbarkeit eines bestehenden Vollstreckungstitels auf die anderen Mitgliedstaaten erweitert wird.

Die EuVTVO ist am 21. Oktober 2005 in Kraft getreten. In der ZPO sind in den §§ 1079 ff. Regelungen zur genauen Umsetzung.

Ziel ist die Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und Urkunden. Zu diesem Zweck entfallt ein Exequaturverfahren , wenn das auslandische Verfahren bestimmte Mindestvoraussetzungen eingehalten hat, deren Vorliegen von dem Mitgliedstaat gepruft wird, aus dem der Vollstreckungstitel stammt. Dann wird ein Vollstreckungstitel als Europaischer Vollstreckungstitel bestatigt und ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar. Ein anderer Mitgliedstaat, in dem die Zwangsvollstreckung stattfindet, pruft weder diese Mindestvoraussetzungen noch sogenannte Anerkennungshindernisse (wie z. B. im Verfahren der §§ 722 ff. ZPO ). Dieser Verzicht, insbesondere auf den anerkennungsrechtlichen Ordre public , wird von Rechtswissenschaftlern kritisiert.

Keine Anwendung findet die Verordnung fur und im Verhaltnis zu Danemark (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO). Eine volkerrechtliche Vereinbarung, wie sie zwischen der EG und Danemark fur die EuGVVO nachtraglich getroffen wurde, gibt es fur die EuVTVO zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Da nach der EuVTVO ein Vollstreckungstitel unter bestimmten Voraussetzungen als Europaischer Vollstreckungstitel bestatigt wird, kann man darin lediglich ein ?umetikettierten“ sehen, so dass dann erst mit der Einfuhrung des Europaischen Mahnverfahrens und des Europaischen Bagatellverfahrens ein ?echter“ Europaischer Vollstreckungstitels besteht.

Die EuVTVO gilt wie die EuGVVO nur fur Zivil- und Handelssachen (Art. 2 EuVTVO). Generell kann ein Glaubiger gegen einen Schuldner gemaß der EuVTVO oder EuGVVO vollstrecken lassen. Allerdings sind bestatigungsfahige Vollstreckungstitel gemaß der EuVTVO nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche oder offentliche Urkunden, die im Ursprungsstaat als ?unbestritten“ gelten (Art. 3 EuVTVO). Dies ist z. B. der Fall fur Versaumnisurteile und Anerkenntnisurteile . Zudem mussen die Titel nach Inkrafttreten der EuVTVO zustande gekommen sein (Art. 26, 33 EuVTVO). In Danemark gilt die Verordnung nicht (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO).

Die Voraussetzungen fur die Bestatigung als Europaischen Vollstreckungstitel finden sich in der katalogartigen Aufzahlung des Art. 6 EuVTVO. Sie werden gemaß EuVTVO nur von dem Mitgliedstaat im Ausland gepruft, aus dem der Vollstreckungstitel stammt. Fur die Zwangsvollstreckung gilt das inlandische Recht des Mitgliedstaates, indem sie stattfinden soll (Art. 20 EuVTVO). Eine Vollstreckungsklausel ist nicht erforderlich (§ 1082 ZPO).

Wird der Antrag des Glaubigers zuruckgewiesen, kann er ?jederzeit“ erneut einen Antrag stellen (Art. 6 Abs. 1 EuVTVO), und in Deutschland finden zudem die Vorschriften uber die Anfechtung der Entscheidung uber die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend Anwendung (§ 1080 Abs. 2 ZPO). Der Schuldner kann nur im Ursprungsstaat die Bestatigung als Europaischen Vollstreckungstitel unter den Voraussetzungen des Art. 10 EuVTVO berichtigen oder widerrufen lassen, wenn bei der Bestatigung Fehler aufgetreten sind. Nur in Ausnahmefallen ist eine Uberprufung des Vollstreckungstitels im Ursprungsstaat vorgesehen (Art. 19 EuVTVO).

In Deutschland ist eine ?Erinnerung“ des Schuldners gegen die ?Art und Weise“ der Zwangsvollstreckung nach §§ 766 Abs. 1, 764, 802 ZPO an das fur die Zwangsvollstreckung zustandige Amtsgericht moglich (Art. 20 EuVTVO). Zudem ist ein Antrag des Schuldners zur Verweigerung, Aussetzung oder Beschrankung der Zwangsvollstreckung an das zustandige Amtsgericht nach §§ 1084, 764, 802 ZPO statthaft, allerdings nur in den engen Grenzen der Art. 21, 23 EuVTVO. [1] Außerdem steht einem Schuldner nach § 1086 ZPO die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu, wenn Deutschland der Ursprungsstaat und nicht der Vollstreckungsstaat ist.

Grundsatzlich kann ein Schuldner, der die Forderung eines Glaubigers bestreiten will, ein Versaumnisurteil im Ursprungsstaat und die anschließende Anwendung der EuVTVO versuchen zu vermeiden, indem er sich vor dem Gericht im Ursprungsstaat moglichst verteidigt. Dies gilt unter anderem auch fur ? Verbraucher “ als Schuldner, fur die die EuVTVO statt der EuGVVO nach Art. 6 Abs. 1 lit. b EuVTVO keine Anwendung finden durfte, was aber vom Gericht im Ursprungsstaat schlicht ignoriert werden konnte, selbst wenn der Schuldner dort gar nicht seinen Wohnsitz gemaß Art. 6 Abs. 1 lit. d EuVTVO hatte. [1] [2] Auch ein Widerrufsantrag des Schuldners nach Art. 10 EuVTVO an das Gericht im Ursprungsstaat konnte gegen die Zwangsvollstreckung letztlich erfolglos sein.

Da die EuVTVO unabhangig von der EuGVVO anwendbar ist, ist laut BGH im Vollstreckungsstaat gegen eine Zwangsvollstreckung nach EuVTVO kein Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach EuGVVO zulassig. [2] Auch steht laut BGH eine im Vollstreckungsstaat bereits nach EuGVVO versagte Vollstreckbarerklarung keiner anschließenden Zwangsvollstreckung nach EuVTVO statt EuGVVO entgegen, selbst wenn im Ursprungsstaat das rechtliche Gehor des Schuldners verletzt wurde und kein faires Gerichtsverfahren gemaß Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRCh stattfand. [1]

  • aus deutscher Sicht:

Einzelnachweise

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  1. a b c BGH, Beschluss vom 30.08.2023 - VII ZB 45/21, ECLI:DE:BGH:2023:300823BVIIZB45.21.0
  2. a b BGH, Beschluss vom 07.07.2022 - IX ZB 38/21, ECLI:DE:BGH:2022:070722BIXZB38.21.0