Our Hospitality
Verflixte Gastfreundschaft
(Originaltitel:
Our Hospitality
, Alternativtitel:
Bei mir - Niagara
) ist eine US-amerikanische
Stummfilm
-Westernkomodie von und mit
Buster Keaton
aus dem Jahr 1923. Hier setzte Keaton sein Bemuhen um eine glaubwurdige Geschichte, in den Verlauf der Handlung eingebaute Gags sowie historische Authentizitat erstmals konsequent um. Die Komodie stand somit im Gegensatz zu den allermeisten der damaligen Slapstick-Komodien und gilt daher in der Entwicklung der Filmkomodie als besonders bedeutsam.
[1]
Die jungen Vereinigten Staaten, um 1810: Zwischen den Familien McKay und Canfield herrscht seit langem eine Blutfehde. Eines Nachts erschießen sich der Vater des einjahrigen William McKay sowie der verfeindete James Canfield gegenseitig. Als einziger Uberlebender seiner Sippe wachst William daraufhin bei seiner Tante auf, die im entfernten, noch provinziell wirkenden
New York
lebt.
Zwanzig Jahre spater ist William volljahrig geworden und bekommt den Landbesitz der McKays ubertragen. Weil William nur einen groben Uberblick von der Blutfehde hat, fahrt er weitgehend unbedacht in die Heimat seiner Familie. Wahrend der Fahrt verliebt er sich in Virginia, die zufallig mitreisende Tochter der feindlichen Familie Canfield. Sie ladt ihn in das Haus ihrer Familie ein. Doch Joseph Canfield, Bruder des einst von Williams Vater erschossenen James Canfield und nun der Familienpatriarch, sinnt noch immer auf Rache. Virginias Bruder Clayton und Lee erkennen Williams Identitat und trachten ihm nach dem Leben. Bei seinem Besuch im Haus der Canfields werden ihre Mordversuche allerdings vom traditionellen Gesetz der
Gastfreundschaft
gebremst, denn solange William das Haus nicht verlasst, darf er nicht angegriffen werden.
William, der erst nach einiger Zeit erfahrt, dass es sich bei seinen Gastgebern um die Canfields handelt, bleibt tagelang bei ihnen. So konnen ihn Joseph und seine Sohne nicht erschießen. Außerdem stellt sich Williams Landsitz als kleine Hutte heraus, die nach 20 Jahren ohne Bewohner vollig verfallen ist. Nach haarstraubenden Gefahren und abenteuerlichen Verfolgungsjagden muss er Virginia an einem Wasserfall das Leben retten. Es gelingt William schließlich, die
Fehde
zu beenden, indem er das Madchen ohne Wissen ihrer Familie mit Hilfe des alten Pfarrers heiratet. Zunachst ist Joseph Canfield wutend, doch dann sieht er ein Schild mit dem Titel
love thy neighbor
und willigt zum Frieden ein. Sie legen schließlich die Waffen beiseite, wobei sich herausstellt, dass William fast mit dem gesamten Waffenkabinett der Canfields ausgestattet war.
Standbild aus: Verflixte Gastfreundschaft
Die Geschichte um die Feindschaft zwischen den Familien ?McKay“ und ?Canfield“ basiert auf der echten
Familienfehde der McCoys und Hatfields
.
Im Film selbst spielt nicht nur
Joe Keaton
mit, der Vater Buster Keatons, der in vielen weiteren Filmen seines Sohnes mitwirkt. Keaton steht auch mit seiner damaligen Ehefrau
Natalie Talmadge
? welche die weibliche Hauptrolle verkorpert ? zum einzigen Mal gemeinsam in einem Langfilm vor der Kamera (sie drehten auch zwei Kurzfilme, in denen Talmadge aber jeweils nur kurz auftrat). Weiterhin im
Prolog
zu sehen: Busters Sohn James, damals noch ein Baby, als der sehr junge Willie McKay.
Wahrend der Produktion erlitt Keatons Langzeitfilmpartner und Lieblingsbosewicht
Joe Roberts
einen
Schlaganfall
. Er konnte zwar seine Rolle als
Patriarch
der Canfields noch zu Ende spielen, verstarb jedoch etwa einen Monat spater nach einem weiteren Schlaganfall.
Fur Buster Keaton, der seinen Ruhm auch darauf aufbaute, die gefahrlichsten
Stunts
selbst auszufuhren, wurde es in dieser Produktion zwei Mal hochst gefahrlich. So riss beim Dreh im
Truckee River
ein Draht, an dem Keaton zur Sicherheit festgebunden war. Er wurde von der Stromschnelle erfasst. Da der Kameramann die Anweisung hatte, weiterzudrehen, egal, was passiert, findet sich dieser Moment auch im fertigen Film. Risikoreich verlief auch der legendare Stunt am Wasserfall: Der an einem Stuck Seil festgebundene Willie McKay schwingt sich in dem Moment, als sie den Wasserfall hinabzusturzen droht, seiner Geliebten entgegen. Es gelingt ihm, sie an den Handen zu fassen und am sicheren Felsvorsprung abzusetzen. Die Geliebte wurde von einer Puppe
gedoubelt
und auch der Wasserfall auf dem
Studiogelande
nachgebaut. Dennoch schluckte Keaton, als er unter dem Wasserfall hing, so viel Wasser, dass sein
Magen
ausgepumpt werden musste.
Fur das Szenenbild war im Ubrigen
Fred Gabourie
zustandig.
In seinem zweiten abendfullenden Film (nach
Three Ages
) konzentrierte sich Buster Keaton erstmals auf die Handlung seiner Geschichte zugunsten einer Reduktion absurder Gags. Er war der Uberzeugung, das Publikum wurde einer Geschichte nicht mehr folgen, sollte ihm ein Gag unglaubwurdig erscheinen. Auch in spateren Filmen versuchte er, diesem Grundsatz treu zu bleiben: Im folgenden
Sherlock, Jr.
kommen zwar
unmogliche
Gags vor, doch nur innerhalb der getraumten Handlungsebene. Laut Jim Kline fallt
Our Hospitality
fur eine
Komodie
streckenweise fast zu ernsthaft aus. Bezeichnend fur den neuen Stil ? in seinen
Kurzfilmen
bemuhte er sich regelrecht um Absurditat und Ubertreibung ? ist der Prolog des Films. Die Feindschaft der beiden Hauser McKay und Canfield wird in einer betont tragischen Szene dramatisiert, die sich jedem Anflug von Komik verschließt.
Das Bemuhen um Glaubwurdigkeit spiegelt sich auch in der authentischen Ausstattung des in den 1830er Jahren spielenden Films. Besonders auffallig dabei: Der originalgetreue Nachbau einer der ersten Dampflokomotiven im Linienverkehr,
The Rocket
. Wegen seiner ambitionierten Bildgestaltung zahlt
Our Hospitality
zu Keatons am schonsten fotografierten Filmen.
[2]
?Zweiter Langspielfilm von Buster Keaton, eine der kostlichsten Komodien der Filmgeschichte, voller genialer Gags, atemraubender Artistik und marchenhaft versponnener Poesie.“
- Jim Kline:
The Complete Films of Buster Keaton.
Citadel Press, New York 1993,
ISBN 0-8065-1303-9
, S. 93?97.
- ↑
Our Hospitality
bei
Turner Classic Movies
(englisch, derzeit von Deutschland aus nicht zuganglich) unter ?Articles“
- ↑
Vgl. Jim Kline:
The Complete Films of Buster Keaton.
1993, S. 94.
- ↑
Verflixte Gastfreundschaft.
In:
Lexikon des internationalen Films
.
Filmdienst
,
abgerufen am 1. November 2016
.