Basisdaten
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Titel:
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Verfassung des Freistaates Bayern
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Kurztitel:
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Bayerische Verfassung
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Abkurzung:
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BV, BayVerf, Verf BY
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Art:
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Landesgesetz
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Geltungsbereich:
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Freistaat
Bayern
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Rechtsmaterie:
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Verfassungsrecht
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Fundstellennachweis
:
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BayRS
100-1-I
[1]
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Ursprungliche Fassung vom:
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2. Dezember 1946
(
GVBl.
S. 333)
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Inkrafttreten am:
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8. Dezember 1946
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Neubekanntmachung vom:
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15. Dezember 1998
(GVBl. S. 991)
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Letzte Anderung durch:
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Gesetze vom 11. November 2013
(GVBl. S. 638, 639, 640, 641, 642)
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Bitte den
Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung
beachten.
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Die
Verfassung des Freistaates Bayern
(
kurz
:
BV
,
BayVerf
oder
Verf BY
) ist die
Landesverfassung
des
Freistaates
Bayern
. Sie trat am 8. Dezember 1946 in Kraft und gab dem Freistaat Bayern nach der
Gleichschaltung
im
Nationalsozialismus
und der Zeit der
US-amerikanischen Militarregierung
eine neue Grundlage seiner staatlichen Existenz. Sie ist in der
Bayerischen Verfassungsgeschichte
nach der
Konstitution von 1808
, der
Verfassung des Konigreichs Bayern von 1818
und der
Bamberger Verfassung
des Jahres 1919 das vierte Verfassungsdokument des bayerischen Staates.
Die Verfassung des Jahres 1946 ist gepragt von einem betont
foderalistischen
und historisch untermauerten
Staatlichkeitsanspruch
, vom
christlichen Staats- und Menschenbild
sowie von
Gemeinwohl
-Vorstellungen sowohl christlich-konservativer als auch
sozialdemokratischer Denktraditionen
. Zudem finden sich vor allem im Wirtschaftsteil starke sozialdemokratische Ideen. Insgesamt stellt der Verfassungstext einen gewollten
Kompromiss
zwischen den fuhrenden
christsozialen
und
sozialdemokratischen
Vorstellungen und Politikern dar. Die Verfassung schuf einen
demokratischen
Freistaat
mit einem
Zweikammersystem
aus
Landtag
und
Senat
, einer starken
Staatsregierung
und einem unabhangigen
Verfassungsgerichtshof
. Sie garantierte die
Grundrechte
und legte demgegenuber auch
Grundpflichten
fest. Da anders als bei den Beratungen der Bamberger Verfassung im Jahr 1919 noch keine Bundesverfassung vorlag, umfasst die Verfassung des Freistaates Bayern alle staatlich relevanten Lebensbereiche, also neben dem Staatsaufbau und den Grundrechten auch das Zusammenleben in der Gemeinschaft und das Wirtschaftsleben.
Die bayerische Verfassung regelt die Selbstandigkeit des Freistaates als
Land
der
Bundesrepublik Deutschland
und das staatliche System Bayerns. Mit Grundung der Bundesrepublik Deutschland 1949 gilt fur Regelungen, die dem
Grundgesetz
widersprechen, der Grundsatz ?
Bundesrecht bricht Landesrecht
“ (
Art. 31 GG
).
Anfang des Jahres 1946 wies der stellvertretende
Militargouverneur
der
US-amerikanischen Besatzungszone
Lucius D. Clay
die Ministerprasidenten der Lander
Bayern
,
Hessen
und
Wurttemberg-Baden
an, dass binnen Jahresfrist in den Landern demokratische Verfassungen verabschiedet werden sollten, auf deren Grundlage demokratisch legitimierte Landerregierungen entstehen konnten.
Mit dieser in der Besatzungsmacht umstrittenen Anordnung wollte Clay einerseits die demokratische
Reeducation
befordern, andererseits den hohen Kosten begegnen, die die Verwaltung der Besatzungszone durch den Militarregierungsapparat verursachte.
Fur Bayern gab
Walter J. Muller
, der Leiter des
Office of Military Government for Bavaria
(OMGB), am 8. Februar 1946 die Anweisung, einen vorbereitenden Verfassungsausschuss zu bilden. Der amtierende Ministerprasident
Wilhelm Hoegner
berief daraufhin ein Expertengremium mit Vertretern aus Staatsregierung und Parteien. Neben Hoegner als Vorsitzendem gehorten dem Ausschuss Innenminister
Josef Seifried
, Arbeitsminister
Albert Roßhaupter
und Burgermeister
Thomas Wimmer
fur die
SPD
, Sonderminister
Heinrich Schmitt
fur die
KPD
sowie Staatskanzleichef
Anton Pfeiffer
, Justizstaatssekretar
Hans Ehard
und Oberburgermeister
Karl Scharnagl
fur die
CSU
an. Der osterreichische Staats- und Verfassungsrechtler
Hans Nawiasky
nahm als beratendes Mitglied an den Sitzungen teil.
Der vorbereitende Verfassungsausschuss konstituierte sich am 8. Marz 1946. Bereits zu Zeiten seines Schweizer Exils hatte Wilhelm Hoegner Vorarbeiten fur eine mogliche spatere Verfassung gelegt und konnte daher bereits einen ersten umfassenden Entwurf prasentieren, der im Wesentlichen auf die
Weimarer
und
Bamberger
Verfassungen aufbaute, deren erkannte Schwachen aber zu vermeiden suchte und die Eigenstaatlichkeit Bayerns betonte. Der Hoegner-Entwurf sah ein
Einkammersystem
mit
parlamentarischer Kontrolle
der Staatsregierung vor, bevorzugte eine
genossenschaftlich
orientierte, dirigistische Wirtschaftsverfassung und zeigte Verstandnis fur die
kirchliche Bekenntnisschule
. Bereits in diesem Entwurf ist der Wille zum Konsens zwischen
Sozialdemokratie
und
Christdemokratie
deutlich erkennbar. Bereits wahrend der Beratungen wurde der Entwurf in einigen Punkten modifiziert: Das zunachst vorgesehene Misstrauensvotum wurde zugunsten einer festen vierjahrigen Amtszeit des Ministerprasidenten fallengelassen und das Wahlrecht mit einer Sperrklausel versehen. Der Großteil der strittigen Fragen (Wahlrecht, zweite Kammer, eigener Staatsprasident) blieb dagegen den eigentlichen Verfassungsberatungen vorbehalten. Bereits am 20. Mai 1946 konnte der Entwurf dem OMGB vorgelegt werden, das fur den 30. Juni Wahlen zu einer
Verfassunggebenden Landesversammlung
anordnete; der Entwurf zusammen mit Erganzungsvorschlagen sollte als Arbeitsgrundlage dienen.
Die Wahlen am 30. Juni ergaben eine deutliche Mehrheit fur die
CSU
. Sie erhielt 58,3 Prozent und 109 von 180 Sitzen. Die
SPD
erreichte 28,8 Prozent und 51 Sitze, die
KPD
5,3 Prozent und 9 Sitze, die
WAV
5,1 Prozent und 8 Sitze und die
FDP
2,5 Prozent und 3 Sitze.
→
Liste der Mitglieder der Verfassunggebenden Landesversammlung
Trotz der komfortablen christsozialen Mehrheit waren sich CSU und SPD darin einig, dass die neue Verfassung eine breite gesellschaftliche Zustimmung benotigte, um als dauerhafte Staatsgrundlage anerkannt zu werden. Die zentralen Beratungen fanden daher in großer Konsensorientierung der beiden großen Parteien in einem
Verfassungsausschuss
statt, in den die CSU 12, die SPD 6 und die drei kleineren Parteien jeweils einen Vertreter entsandten. Einigungs- und Kompromisslinien wurden in dem Verfassungsausschuss stets von einer kleinen informellen Gruppe aus Hoegner, Seifried, Ehard,
Alois Hundhammer
und
Michael Horlacher
gefunden. Wie bereits im vorbereitenden Ausschuss, hatte auch im Verfassungsausschuss Hans Nawiasky als beratender Experte entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Verfassung.
Die CSU verzichtete trotz ihrer Mehrheit auf einen eigenen Verfassungsentwurf. Die neu entstandene Partei war in ihrer Programmatik noch nicht genugend gefestigt, um in allen Punkten zu einer ubereinstimmenden Haltung zu kommen. Ihre Vorstellungen waren aber von
christlichen
und
foderativen
Grunduberzeugungen gepragt. Ein Staatsprasident sollte als Symbol der bayerischen Eigenstaatlichkeit fungieren und zusatzlich ebenso einen ruhenden Stabilitatsanker im politischen Alltagsbetrieb bilden wie eine zweite Parlamentskammer, in der Verbande und Korporationen reprasentiert sein sollten. Die CSU wollte daruber hinaus die Bedeutung von Ehe und Familie betont wissen und die Bekenntnisschule als Regelschulform verankern.
Auch der
bayerische Landesverband der SPD
vertrat unter Wilhelm Hoegners Einfluss eine ? im Gegensatz zur restlichen deutschen Sozialdemokratie außerst ungewohnliche
[4]
? foderalistische Position. Sie traf sich darin ebenso mit der CSU wie in der grundsatzlichen Vorstellung der kunftigen Wirtschaftsverfassung, die einen gemaßigten Weg zwischen
Dirigismus
und
Marktwirtschaft
einschlagen sollte. In den schul- und gesellschaftspolitischen Fragen erkannte die SPD die Entschlossenheit der CSU, christdemokratisch-konservative Positionen durchzusetzen. Klare Konfliktlinien gab es in der sozialdemokratischen Betonung der Legislative, die eine Ablehnung der Institutionen des Staatsprasidenten und einer zweiten Kammer zur Folge hatte, und der Forderung nach einem
Wahlsystem
, das auf dem
Verhaltniswahlrecht
basieren sollte, wohingegen die CSU ein fur sie als Mehrheitspartei gunstigeres
Mehrheitswahlrecht
favorisierte.
Die drei kleinen Parteien konnten nicht entscheidend zu den Verhandlungen beitragen. Die
KPD
forderte eine
Bodenreform
und die
Verstaatlichung
der Wirtschaft sowie eine starkere Betonung der deutschen Einheit. Die hervorstechende Forderung der
WAV
war die Verankerung starker
plebiszitarer Elemente
und die
FDP
stand wegen ihrer gesamtdeutschen Orientierung dem Verfassungsgebungsprozess in Bayern ohnehin skeptisch gegenuber und beharrte auf einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung sowie einer strikten
Trennung von Staat und Kirche
.
Einige grundlegende Bestimmungen der Verfassung wurden im Wesentlichen ohne große Diskussion aus dem Entwurf des vorbereitenden Ausschusses ubernommen und pragten die Verfassung grundlegend.
Das Inkrafttreten der Verfassung bedeutete auch die Wiedererlangung der Staatsqualitat fur Bayern. Die Verfassung bewegte sich beginnend mit der Praambel uber die Festlegung der Staatssymbole und einer eigenen bayerischen Staatsburgerschaft bis zu den Deutschlandbestimmungen auf einem klar foderalistischen Boden. Die amerikanische Militarregierung hatte zwar zur Bedingung gemacht, dass die bayerische Verfassung keine fur eine kunftige deutsche Verfassung
prajudizierende
Wirkung haben durfe. Dennoch enthielt der Artikel 178 die Bestimmung, dass Bayern nur einem deutschen Bundesstaat beitreten sollte.
Die
Staatsregierung
und hier besonders der
Ministerprasident
erhielten eine sehr viel starkere Stellung als dies in der Bamberger Verfassung der Fall gewesen war. Mit der Zubilligung der
Richtlinienkompetenz
fur den Ministerprasidenten wurde die im Konigreich und der Weimarer Zeit bestehende Kollegialstruktur des Ministerrates nicht fortgefuhrt. Der Verzicht auf ein Staatsprasidentenamt, die Festlegung einer festen Amtszeit des Ministerprasidenten und damit der Verzicht auf das von Hoegner noch vorgesehene Misstrauensvotum festigte die Stellung des Ministerprasidenten als Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer bis dahin ungekannten Weise.
War der
Landtag
also bereits durch die Ausgestaltung des Ministerprasidentenamtes in seiner von der SPD ursprunglich gewollten starken Stellung beschnitten, so enthielt die Verfassung daruber hinaus auch noch eine Reihe von plebiszitaren Elementen, die allerdings das Primat der reprasentativen Demokratie nicht brechen.
Der Katalog der
Grundrechte
umfasste wesentlich mehr Punkte als in der Bamberger Verfassung von 1919 und nahm erstmals auch verschiedene Grundpflichten der Burger mit auf. Anders als in der Weimarer Republik wurden die Grundrechte unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof einklagbar.
Dieser
Verfassungsgerichtshof
war ebenfalls eine Neuerung, die auf Initiative Hans Ehards einmutig im Verfassungsausschuss beschlossen wurde. Er sollte die demokratisch-verfassungsmaßige Staatsordnung garantieren und neben Ministeranklagen das
Normenkontrollrecht
ausuben. Neben Verfassungsbeschwerden wurde ihm auch explizit die sogenannten
Popularklage
zugewiesen.
Die inhaltlich kontroversen Diskussionen drehten sich im Wesentlichen um funf Konfliktfelder: Im Vordergrund standen die Frage nach einem bayerischen Staatsprasidenten, einer zweiten Parlamentskammer und nach dem Wahlrecht. Daneben kam es in der Kirchen- und Schulverfassung sowie der Wirtschaftsordnung zu großeren Diskussionen.
Die Idee eines Bayerischen Staatsprasidenten war bereits in der Weimarer Zeit eine Forderung, die die
Bayerische Volkspartei
erfolglos in die Diskussion gebracht hatte. Den fuhrenden CSU-Verfechtern im Verfassungsausschuss war die Instabilitat der Regierungen in der
Weimarer Republik
noch prasent und daher wollten sie einen Staatsprasidenten als Stabilisator, der in moglichen Staatskrisen ohne eine mehrheitsfahige Staatsregierung die Handlungsfahigkeit des Staates garantieren sollte. Zum zweiten sollte das Amt als Reprasentant bayerische Staatlichkeit und Souveranitat ausdrucken.
Um der SPD die Zustimmung zu ermoglichen, einigten sich die fuhrenden CSU-Politiker darauf, die Rechte des Amtes im Vergleich etwa zum
Reichsprasidenten
der
Weimarer Verfassung
weit einzuschranken. Der Staatsprasident sollte im Fall einer andauernden Regierungskrise den Landtag auflosen konnen und ein abgeschwachtes
Notstandsrecht
zugestanden bekommen.
Die drei kleinen Parteien lehnten das Amt kategorisch ab. In der CSU selbst war die Meinung gespalten: Der altbayerisch-konservativer Flugel um
Fritz Schaffer
und
Alois Hundhammer
trat fur den Staatsprasidenten ein, der in der Fraktion schwacher vertretene frankisch-liberale Flugel um den Parteivorsitzenden
Josef Muller
war dagegen. Auch die SPD war in der Frage nicht einig. Wilhelm Hoegner und die Regierungsmitglieder pladierten fur den Kompromissvorschlag, weil sie vermuteten, die CSU konne sonst alle anderen bereits gefundenen Kompromisse platzen lassen. Die Mehrheit der Fraktion stellte sich allerdings dagegen, weil sie eine starke Stellung der Legislative verfocht und furchtete, die CSU wolle insgeheim uber das Staatsprasidentenamt die
Wittelsbacher
-
Monarchie
wieder einfuhren. So kam es in der Abstimmung am 12. September zur denkbar knappen Mehrheit von 85:84 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen die Einfuhrung des Staatsprasidentenamtes. Auch in einer neuerlich angesetzten Abstimmung am 20. September hatte diese Mehrheit (dieses Mal mit 87 Nein-Stimmen) Bestand.
Wie die Forderung nach einem Staatsprasidenten stammt auch das Konzept einer zweiten Parlamentskammer aus der Programmatik der BVP in den 1920er Jahren. Bereits im
Konigreich Bayern
hatte es eine sogenannte
?Erste Kammer“ der Reichsrate
gegeben, die als aristokratisches Gegengewicht zur
?Zweiten Kammer“ der Abgeordneten
fungierte. Die Forderung nach einer zweiten Kammer speiste sich im Wesentlichen aus denselben Uberzeugungen wie beim Staatsprasidenten. Sie sollte ein Gegengewicht zum parteipolitischen Denken in der Tagespolitik darstellen und gleichzeitig als Vertretung der Berufsstande das Volk reprasentieren, das ja nicht nur in politischen Parteien organisiert war. Die zweite Kammer sollte damit im Konzept der CSU einer sachlichen Abschatzung der Politik dienen. Das aus der Weimarer Zeit herruhrende Misstrauen in die politischen Parteien war aus der Diskussion um die zweite Kammer deutlich herauszulesen. Hans Nawiaski schlug als Diskussionsgrundlage eine berufsstandische Vertretung mit Vertretern der verschiedenen Korperschaften des Landes vor, die im Gesetzgebungsprozess entweder gleichberechtigt mit dem Landtag sein, ein Vetorecht haben oder nur beratend tatig sein konnte. Nach langen internen Diskussionen einigte sich die SPD darauf, einer zweiten Kammer zuzustimmen, wenn dieser nur beratende Rechte zugebilligt wurden und damit das Prinzip der
Volkssouveranitat
gewahrt bliebe. Auf dieser Linie entschied die Vollversammlung am 27. August mit den Stimmen von CSU und SPD, dass eine ?Senat“ genannte zweite Kammer als berufsstandische Vertretung mit gutachterlicher Funktion bei der Gesetzgebung eingerichtet werden sollte.
In der Frage des Wahlrechts war die Einfuhrung einer
Sperrklausel
gegen die aus den in den Weimarer Parlamenten bekannte Parteienzersplitterung bei CSU und SPD unumstritten und die Debatten drehten sich um die konkrete Ausgestaltung. Wahrend die drei kleinen Parteien eine solche Klausel kategorisch ablehnten und die SPD keine klare Position durchzusetzen versuchte, setzte die CSU mit der Mehrheit ihrer Stimmen im Verfassungsausschuss schließlich durch, dass eine Partei mindestens 10 Prozent der Stimmen in einem
Wahlkreis
erhalten musste, um bei der Sitzverteilung berucksichtigt zu werden.
Der zweite Punkt, der im Komplex des Wahlrechts entschieden werden musste, war das
Wahlsystem
. Sowohl die Verfassunggebende Landesversammlung als auch die Landtage der Weimarer Zeit wurden nach dem
Verhaltniswahlrecht
bestimmt. Die CSU wollte aber ein
Mehrheitswahlrecht
durchsetzen, um dem Staat durch ein sich dadurch tendenziell herausbildendes Zweiparteiensystem großere Stabilitat zu geben als dies bei Mehrparteienkoalitionen in der Vergangenheit der Fall gewesen war. Im Gegensatz zur Sperrklausel setzte die CSU hier wieder auf einen Kompromiss mit der Sozialdemokratie und beschloss im Ausschuss ein sogenanntes ?
verbessertes Verhaltniswahlrecht
“. Es sah vor, dass die Halfte der Mandate in
Stimmkreisen
nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden sollten, die andere Halfte in mit den Regierungsbezirken identischen
Wahlkreisen
uber eine Parteiliste.
Bei den Bestimmungen der Kirchen- und Schulartikel vertrat die bayerische SPD im Unterschied zur eigentlich traditionellen sozialdemokratischen Programmatik eine sehr kompromissbereite Haltung. An der Fortgeltung der Vertrage mit den christlichen Kirchen aus dem Jahr 1925 (u. a. das
Bayerische Konkordat
) bestand kein Zweifel. Nach eigenem Zeugnis war Wilhelm Hoegner der Uberzeugung, ?dass der Staat fur einen sittlichen Neuanfang in dem stark religios gepragte Land auf die Kirchen nicht verzichten konnte“
[5]
und deshalb bereit, der CSU in ihrer kirchenfreundlichen Position weitgehend zu folgen. Die CSU setzte de facto die Bekenntnisschule als Regelschule durch und akzeptierte die
Gemeinschaftsschule
lediglich in gemischtkonfessionellen Orten, in denen ein entsprechender Antrag aus der Elternschaft kam. Die von der CSU forcierte und von der SPD nicht blockierte christliche Fundierung der Verfassung wurde neben dem expliziten Gottesbezug in der Praambel in den Schulartikeln am deutlichsten formuliert, etwa in den Obersten Bildungszielen.
Einen letzten Diskussionspunkt bildete schließlich der Abschnitt ?Wirtschaft und Arbeit“, der im Gegensatz zum spateren Grundgesetz auch deutlich sozialistische Motive enthielt. Dies hat mehrere Grunde: Zum einen bestand auch in der Christdemokratie ein starker Flugel vor allem aus Vertretern der
christlichen Gewerkschaften
und Bauernvereinigungen, die marktkritische und stark gemeinwohlorientierte Positionen auf Basis der
katholischen Soziallehre
vertraten. Zum anderen schien den fuhrenden Politikern eine Ubergangsphase starker staatlicher Aktivitat in der Wirtschaftslenkung nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch 1945 unumganglich. Da die CSU zeitlich parallel mit der SPD in der Staatsprasidentenfrage verhandelte, war die Kompromissbereitschaft umso großer. So wurde Wilhelm Hoegners Konzept einer
genossenschaftlich
fundierten Wirtschaftsordnung, die auch staatliche
Planung
und Sozialisierungen vorsah, weitgehend unverandert angenommen. Die CSU setzte erganzend die Garantie des
Privateigentums
durch. Erst nach Intervention der US-amerikanischen Militarregierung wurde der Entwurf deutlich abgeschwacht. Die ursprunglich vorgesehene staatliche ?Planung“ der Wirtschaft musste einer lediglich ?Lenkung“ (?ordnende Herstellung und Verteilung“) weichen und der Sozialisierungsartikel wurde in eine Kann-Bestimmung abgeschwacht. Nachdem sich die Staatsprasidentenfrage erledigt hatte und die SPD schon befurchtete, die CSU konnte die Bestimmungen im Wirtschaftsteil scheitern lassen, war dies nach der US-Intervention, die inhaltlich sehr nahe an den eigentlichen CSU-Positionen lag, kein Thema mehr.
Waren die Kirchen- und Schulartikel weitgehend im Rahmen der christdemokratischen Programmatik gehalten und betonten den christlichen Charakter der Verfassung, so konnte die Sozialdemokratie im Gegenzug in den Wirtschaftsartikeln ihre Grundsatze relativ stark einbringen und die Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft betonen, ohne jedoch eine staatliche Planwirtschaft zu prajudizieren.
Am 20. September 1946 nahm die Verfassunggebende Landesversammlung den im Verfassungsausschuss entworfenen Text mit den Stimmen von CSU und SPD an. Die amerikanische Militarregierung erhob in der Folge Einspruch gegen eine Reihe von Bestimmungen, denen der Verfassungsausschuss am 11. und 22. Oktober im Wesentlichen entsprach. Unter anderem musste der Ausschluss der Offentlichkeit bei Landtagssitzungen naher definiert und das Notstandsrecht befristet werden. Daruber hinaus musste aufgenommen werden, dass korporative Selbstverwaltungsorgane keine staatlichen Hoheitsrechte ausuben durften, und die Senatoren nach demokratischen Grundsatzen gewahlt werden mussten. Anderen Bedenken zur Bayerischen Staatsangehorigkeit oder dem Wahlmodus fur die Landrate wurde dagegen keine Rechnung getragen.
Am 24. Oktober 1946 genehmigte Lucius D. Clay die Verfassung in einem Schreiben an den Prasidenten der Landesversammlung, setzte aber die in Artikel 178 genannten Bedingungen fur einen Beitritt Bayerns zu einem kunftigen deutschen Bundesstaat außer Kraft.
[6]
[7]
Damit konnte in der Landesversammlung am 26. Oktober 1946 die endgultige Abstimmung stattfinden, bei der die Verfassung mit 136:14 Stimmen angenommen wurde. CSU und SPD stimmten fur die Annahme, die kleinen Parteien KPD, WAV und FDP dagegen.
In der anschließenden Volksabstimmung am 1. Dezember 1946 erhielt die Verfassung eine Zustimmung von 70,6 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 75,7 Prozent. Damit konnte Ministerprasident Wilhelm Hoegner die Verfassungsurkunde am 2. Dezember ausfertigen und die Verfassung des Freistaates Bayern trat am 8. Dezember 1946 mit ihrer Veroffentlichung im bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft.
Eine Urschrift der Verfassungsurkunde von 1946 existiert nicht. Nach Hoegner habe die Urkunde ?notig“ ausgesehen, weil sie auf ?etwas besseres Durchschlagpapier“ getippt worden sei. Josef Muller meinte, die Verfassung sei nicht das erste Schriftstuck, das in Bayern spurlos verschwunden sei.
[8]
Die Regeln zur
Anderungen der Verfassung
finden sich in Artikel 75. Eine Anderung, die dem demokratischen Grundgedanken der Verfassung widerspricht, ist unzulassig. Zur Anderung der Verfassung ist normalerweise eine
Zweidrittelmehrheit
im Landtag und eine Zustimmung durch das Volk im Rahmen eines
Volksentscheids
notwendig. Die Verfassung kann auch ohne die Zustimmung des Landtags uber ein Volksbegehren durch einen Volksentscheid geandert werden.
- 22. Juli 1968: Christliche
Gemeinschaftsschule
statt
katholische
respektive
evangelische
Konfessionsschule
- 15. Juni 1970: Herabsetzung des
aktiven Wahlalters
von 21 auf 18 Jahre und des
passiven Wahlalters
von 25 auf 21 Jahre.
- 19. Juli 1973: u. a.: Anderung der
Sperrklausel
von 10 Prozent in einem
Wahlkreis
auf 5 Prozent im ganzen Land; ausdruckliche Festlegung der
Freiheit
des
Rundfunks
- 20. Juni 1984: Schutz der Lebensgrundlage in Verfassung verankert
- 27. Oktober 1995: Einfuhrung von
Burgerbegehren
und
Burgerentscheid
auf kommunaler Ebene
- 8. Februar 1998: u. a. Abschaffung des
Senats
(→
Volksentscheid zum Bayerischen Senat
); Verlangerung der
Landtags
-
Wahlperiode
auf funf Jahre; Einfugung eines Satzes zur Rolle der parlamentarischen Opposition; Angleichung des Artikels 100 (Menschenwurde, bisher: Wurde der menschlichen
Personlichkeit
) an den Wortlaut des
Grundgesetzes
(
Art. 1
Abs. 1 GG); Streichung der schon durch
Art. 102
GG gegenstandslos gewordenen Ausfuhrungsbestimmung zur
Todesstrafe
; redaktionelle Anderungen
- 21. September 2003: u. a.: Einfugung des
Konnexitatsprinzips
und Herabsetzung des
passiven Wahlalters
von 21 auf 18 Jahre.
Die Verfassung des Freistaates Bayern ist in vier Hauptteile gegliedert, denen die Schluss- und Ubergangsbestimmungen folgen. Hinsichtlich des Aufbaus ? Staat, Grundrechte, Gemeinschaftsleben, Wirtschaft ? ist der Einfluss der
Weimarer Verfassung
unverkennbar.
Die Praambel war im ursprunglichen Entwurf noch nicht vorgesehen, diese wurde von Alois Hundhammer verfasst und auf dessen Initiative dem Verfassungstext vorangestellt. In staatsmannischer Kompromissbereitschaft wurde durch die Formulierung der Praambel ein Bekenntnis zu Gott in den Verfassungstext eingebracht, ohne eine explizit religiose Staats- und Verfassungslegitimation einzufugen, die gegenuber den anderen Parteien kaum zu vermitteln gewesen ware.
[9]
Der Text der Praambel lautet:
- ?Angesichts des Trummerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Wurde des Menschen die Uberlebenden des Zweiten Weltkrieges gefuhrt hat, in dem festen Entschlusse, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts dauernd zu sichern, gibt sich das bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjahrigen Geschichte, nachstehende demokratische Verfassung.“
Der erste Hauptteil widmet sich ?Aufbau und Aufgaben des Staates“. In einem ersten Abschnitt werden die ?Grundlagen des bayerischen Staates“ behandelt. Es ist dort festgelegt, dass Bayern ein
Freistaat
ist, dass das Volk Trager der Staatsgewalt ist und dass Bayern ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat ist. Die Verfassung bekennt sich zu einem geeinten Europa und zur
Gewaltenteilung
. In den weiteren Artikeln des ersten Abschnitts werden die
Bayerische Staatsangehorigkeit
, die Staatsburgerschaft sowie die Gliederung des Staatsgebiets in
Regierungsbezirke
(die in der Verfassung ?Kreise“ genannt werden),
Landkreise
(in der Verfassung ?Bezirke“ genannt) und Gemeinden mit der Garantie der
kommunalen Selbstverwaltung
behandelt.
Mit der Bestimmung in Artikel 2 wird das Volk zum
Trager
der Staatsgewalt. Diese Formulierung unterscheidet sich zum einen von der der
Weimarer Reichsverfassung
: ?Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“
[10]
, zum anderen von der
autoritaren
, von Linken als
klerikalfaschistisch
bezeichneten
osterreichischen
Maiverfassung
: ?Im Namen Gottes, des Allmachtigen, von dem alles Recht ausgeht …“
[11]
Sie macht deutlich, dass die bayerische Verfassung zum einen an der
Volkssouveranitat
im
demokratischen
Sinne keinen Zweifel lasst, zum anderen aber die Frage nach der ursprunglichen Herleitung und Legitimation der Staatsgewalt, vor dem christlichen Hintergrund der Verfassungsvater anscheinend bewusst, offenlasst.
Die weiteren Abschnitte widmen sich dem
politischen System Bayerns
: Der Reihe nach werden Zusammensetzung, Rechte und Aufgaben des
Landtags
, (bis zu seiner Abschaffung) des
Senats
, der
Staatsregierung
und des
Verfassungsgerichtshofs
festgelegt, der Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens
geregelt und
Verwaltung
,
Rechtspflege
und
Beamtenwesen
abgehandelt.
Zum politischen System ist als Besonderheit die
Volksgesetzgebung
durch
Volksbegehren
und
Volksentscheide
anzumerken, außerdem die bayerische Losung zur Verantwortlichkeit der Staatsregierung gegenuber dem Landtag: Ein
Misstrauensvotum
gibt es nicht, jedoch ist der (zu Beginn der Wahlperiode vom Landtag gewahlte) Ministerprasident verpflichtet zuruckzutreten, ?wenn die politischen Verhaltnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmoglich machen.“ Der Landtag kann sich mit einer einfachen
absoluten Mehrheit
selbst auflosen und per Volksbegehren und Volksentscheid ?abberufen“ werden.
Im zweiten Hauptteil werden die ?Grundrechte und Grundpflichten“ behandelt. Die Verfassung verbietet Einschrankungen der Grundrechte, außer ?wenn die offentliche Sicherheit, Sittlichkeit, Gesundheit und Wohlfahrt es zwingend erfordern“. Dem Verfassungsgerichtshof wird das Recht zugesprochen, Gesetze und Verordnungen fur nichtig zu erklaren, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschranken.
Die Verfassung garantiert die klassischen Grundrechte der
Menschenwurde
, der
personlichen Freiheit
und allgemeinen Gleichheit, der
Freizugigkeit
, der
Glaubens- und Gewissensfreiheit
, der
Meinungs
-,
Presse
- und
Rundfunkfreiheit
und des
Privateigentums
. Daruber hinaus garantiert sie das Prinzip
nulla poena sine lege
, das Recht auf
Asyl
, die
Unverletzlichkeit der Wohnung
, das
Brief
-,
Post
- und
Fernmeldegeheimnis
, die
Forschungs
-,
Versammlungs
- und
Vereinigungsfreiheit
sowie das
Petitionsrecht
. Im Artikel 123 ist zusatzlich ein Recht auf angemessene Besteuerung verankert. Allerdings gewahrt die Bayerische Verfassung kein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, wie ihn das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 GG gewahrt.
[12]
Im Unterschied zu vielen anderen Verfassungen enthalt die Bayerische Verfassung auch eine Reihe programmatischer Grundpflichten der Burger, so die allgemeine ?Treuepflicht gegenuber Volk und Verfassung“, das Verbot des Volker- und Rassenhasses, die Pflicht zur Ubernahme von
Ehrenamtern
sowie eine gegenseitige Hilfspflicht bei ?Unglucksfallen, Notstanden und Naturkatastrophen und im nachbarlichen Verkehr“.
Der dritte Hauptteil regelt das ?Gemeinschaftsleben“. Der erste Abschnitt regelt ?Ehe, Familie und Kinder“ und stellt Ehe und Familie als ?naturliche und sittliche Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft“ unter den besonderen Schutz des Staates.
Der zweite Abschnitt befasst sich mit Bildung und Schule, dem Schutz der naturlichen Lebensgrundlagen und der kulturellen Uberlieferung. Er regelt die Schulpflicht, die Unentgeltlichkeit des Unterrichts, die staatliche Schulaufsicht sowie die obersten Bildungsziele (?Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Konnen vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden. Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religioser Uberzeugung und vor der Wurde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefuhl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit fur alles Wahre, Gute und Schone und Verantwortungsbewusstsein fur Natur und Umwelt. Die Schuler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Volkerversohnung zu erziehen.“) Der 1968 neu gefasste Artikel 135, wonach die Schuler nach den Grundsatzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen werden, wurde verfassungsgerichtlich dahingehend ausgelegt, dass er losgelost von konkreten Glaubensinhalten die in der Verfassung verankerte christlich-abendlandische Wertewelt umschreibe.
In weiteren Artikel wird das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen garantiert, der Staat zur Forderung von Wissenschaft und Kunst verpflichtet. Der Artikel 141 verankert den Schutz der naturlichen Lebensgrundlagen, weist der offentlichen Hand die Aufgabe des Denkmal- und Naturschutzes zu und garantiert der Allgemeinheit den freien Zugang zu Naturschonheiten und die Erholung in der freien Natur (siehe
Schwammerlparagraph
).
Der dritte Abschnitt umfasst die Themen Religion und Religionsgemeinschaften; die Normierungen gewahrleistet die Freiheit der Religionsgemeinschaften, denen die Rechtsfahigkeit nach den Vorschriften des burgerlichen Rechts sowie der Status als
Korperschaft des offentlichen Rechts
verbunden mit dem Recht zur Erhebung von
Kirchensteuern
gewahrt wird.
Die Geistlichen genießen bei der Erfullung ihrer Amtspflichten den Schutz des Staates, Beichtgeheimnis, Eigentum der Religionsgemeinschaften und Schutz der Sonn- und Feiertage sowie die Mitsprache der Religionsgemeinschaften bei Beerdigungen werden gewahrleistet. Den Religionsgemeinschaften wird das Recht auf Anstaltsseelsorge zugesprochen, die Kirchen haben daruber hinaus das Recht, ihre Geistlichen auf eigenen kirchlichen Hochschulen auszubilden. Die theologischen Fakultaten an den staatlichen Hochschulen werden garantiert.
Der vierte Hauptteil ist mit ?Wirtschaft und Arbeit“ uberschrieben. Der erste Abschnitt gibt den Rahmen der
Wirtschaftsordnung
. Alle wirtschaftliche Tatigkeit wird unter Wahrung der Vertragsfreiheit programmatisch an das Gemeinwohl, insbesondere an die ?Gewahrleistung eines menschenwurdigen Daseins fur alle“ und die ?allmahliche Erhohung der Lebenshaltung aller Volksschichten“, gebunden. Die Bestimmung, dass die ?geordnete Herstellung und Verteilung der wirtschaftlichen Guter zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfes der Bevolkerung […] vom Staat uberwacht“ wird, ist aus der historischen Entstehungssituation der Verfassung erklarbar.
Kartelle
und
Monopole
, ?welche die Ausbeutung der breiten Massen der Bevolkerung oder die Vernichtung selbstandiger mittelstandischer Existenzen bezwecken“, werden verboten. Die Verfassung garantiert die Selbstverwaltung der Wirtschaft und spricht kleinen und mittelstandischen Betrieben einen besonderen Schutz durch Gesetzgebung und Verwaltung zu.
Der zweite Abschnitt zum Eigentum legt die
Sozialbindung des Privateigentums
und die Moglichkeit der
Enteignung
in gesetzlich vorgesehenen Fallen fest. Das Eigentum an Bodenschatzen und Einrichtungen der allgemeinen Daseinsvor- und -fursorge ?steht in der Regel Korperschaften oder Genossenschaften des offentlichen Rechtes zu“ ? eine Vorschrift, die insofern keine großen Auswirkungen hatte, als in der Nachkriegszeit der uberwiegende Teil der angesprochenen Einrichtungen bereits in Staatsbesitz war. Diese Bestimmung fand also ebenso wenig Anwendung wie die Moglichkeit, ?lebenswichtige Produktionsmittel, Großbanken und Versicherungsunternehmen“ in Gemeineigentum uberfuhren zu konnen, ?wenn die Rucksicht auf die Gesamtheit es erfordert“.
Der
Landwirtschaft
ist der dritte Abschnitt gewidmet. Er gewahrleistet das bauerliche Eigentum an Grund und Boden und bestimmt, dass ?Bauernland seiner Zweckbestimmung nicht entfremdet werden“ soll. Artikel 164 gewahrleistet programmatisch ein menschenwurdiges Auskommen fur die landwirtschaftliche Bevolkerung.
Der vierte Abschnitt stellt die Arbeit als Quelle des Volkswohlstandes unter den besonderen Schutz des Staates. Die menschliche Arbeitskraft soll als ?wertvollstes wirtschaftliches Gut eines Volkes gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige gesundheitliche Schadigungen geschutzt“ werden. Dazu enthalt die Verfassung den Anspruch auf angemessenes Entgelt, das Recht auf notwendige Fursorge,
Sozialversicherung
, Arbeitsschutzgesetzgebung, Erholung sowie inner- und uberbetriebliches
Mitbestimmungsrecht
.
Die
Koalitionsfreiheit
wird gewahrleistet,
Tarifvertrage
konnen bei Bedarf fur allgemeinverbindlich erklart werden.
Den letzten Teil des Verfassungstextes bilden die Schluss- und Ubergangsbestimmungen, die weitgehend ausschließlich in der Nachkriegszeit von Bedeutung waren. Artikel 178 enthalt die Bestimmung, dass Bayern einem kunftigen deutschen demokratischen Bundesstaat beitreten werde, Artikel 180 ermachtigt die Staatsregierung in der Zwischenzeit, Gemeinschaftseinrichtungen deutscher Lander und Zonen beizutreten. Artikel 179 erklart auf Druck der amerikanischen Militarregierung, dass Korperschaften und Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft keine Hoheitsbefugnisse wahrnehmen durfen. Daruber hinaus wird das Recht Bayerns, im Rahmen seiner Zustandigkeit Staatsvertrage abzuschließen, bestatigt, die Weitergeltung alter Staatsvertrage bekraftigt, ein Anspruch auf
Wiedergutmachung
fur Verfolgte des NS-Regimes gewahrleistet und bestimmt, dass die
Entnazifizierungsgesetze
in ihrer Gultigkeit nicht von der Verfassung eingeschrankt werden.
Artikel 186 hebt die Bayerische Verfassung des Jahres 1919 auf und schreibt die Fortgeltung sonstigen bestehenden Rechts und fruherer Anordnungen vor, soweit sie der Verfassung nicht entgegenstehen.
Die letzten beiden Artikel schließlich bestimmen, dass alle Angehorigen des offentlichen Dienstes auf die Bayerische Verfassung zu vereidigen sind und dass jeder Schuler vor Beendigung seiner Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung ausgehandigt bekommt.
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