Ein
Verbundwerkstoff
oder
Kompositwerkstoff
(kurz
Komposit
,
englisch
composite [material]
) ist ein
Gemisch
aus zwei oder mehr sortenreinen
Grundstoffen
, von denen zumindest einer eine kontinuierliche
Phase
bildet.
[1]
Die Grundstoffe, aus denen ein Kompositwerkstoff besteht, sind miteinander verbunden. Eine
Losung
der einzelnen Grundstoffe untereinander findet allerdings nicht oder nur oberflachlich statt. Meist ist es von Bedeutung, eine innige Verbindung der Phasen auch langfristig und unter Belastung sicherzustellen. Verbundwerkstoffe kombieren besonders gunstige
Werkstoffeigenschaften
ihrer Komponenten, besitzen aber in der Regel keine Werkstoffeigenschaften, die nicht auch die Komponenten aufweisen. Fur die Eigenschaften der Verbundwerkstoffe ist neben den stofflichen Eigenschaften der Komponenten auch deren Geometrie von Bedeutung. Insbesondere spielen oft
Großeneffekte
eine Rolle.
Gelegentlich wird auch die Bezeichnung
Compound
(englisch fur ?Mischung‘)
[2]
fur Verbundwerkstoffe mit
Kunststoffanteil
verwendet. Fur
Verpackungen
auf Basis von Verbundwerkstoffen ist auch die Bezeichnung
Verbundstoff
gebrauchlich. Aufgeschaumte Materialien werden nicht zu den Verbundwerkstoffen gezahlt.
[1]
Hybridmaterialien unterscheiden sich von Verbundmaterialien dadurch, dass die Durchmischung der Bestandteile wesentlich starker ist und die Komponenten entweder fein dispers verteilt sind oder homogene
Mischphasen
bilden.
[3]
Kompositwerkstoffe werden durch
Compoundierung
, also der Verbindung von mindestens zwei Grundstoffen, erhalten. Die Verbindung erfolgt durch
Stoff-
oder
Formschluss
oder eine Kombination von beidem. Die Ziele der Compoundierung sind vielfaltig und richten sich nach den gewunschten Eigenschaften des spateren Bauteils. Hierbei sind in der Summe der Anforderungen oft Kompromisse einzugehen, da sich bestimmte Eigenschaften gegenseitig negativ beeinflussen konnen.
Typische Ziele der Compoundierung sind:
- Veranderung der mechanischen Eigenschaften eines
Bindemittels
(Grundpolymer). Hierbei werden uber die Zugabe von Verstarkungs- und Fullstoffen
mechanische
Eigenschaften wie die Zugfestigkeit, die Bruchdehnung (s. hierzu auch
Zugversuch
) und die
Schlagzahigkeit
eingestellt.
- Farbeinstellungen. Uber die Zugabe von
Pigmenten
oder sogenannten
Masterbatches
bzw.
Flussigfarben
wird die gewunschte Farbe eingestellt. Manche Zugabestoffe konnen jedoch die mechanischen Eigenschaften sehr deutlich beeinflussen.
- Flammschutz. Durch Zugabe von
Flammschutzmitteln
kann verhindert werden, dass entflammbare Bestandteile entzundet werden oder nach Entfernen der Zundquelle weiterbrennen.
- Zugabe von Stabilisatoren und Stabilisatorsystemen. Grunde fur die Stabilisierung sind im Wesentlichen:
- Temperaturinitiierter Kettenabbau von
Polymeren
wahrend der Verarbeitung. Diese kann durch eine zu hohe
Scherung
des Materials oder durch zu lange Verweilzeiten in den verarbeitenden Maschinen entstehen. Sie wird durch eine einfache, auf eine kurzfristige Belastung hin ausgelegte Stabilisierung verhindert.
- Temperaturinitiierter Kettenabbau in der Anwendung. Kunststoffteile, welche in der Anwendung stark temperaturbelastet werden, z. B. im Motorraum eines Kfz, mussen auf diese Belastung hin stabilisiert werden.
- Verbesserung der Witterungsbestandigkeit: Kunststoffteile in Außenbereichen sind starken Schadigungen durch
Oxidation
,
Hydrolyse
und
Ultraviolettstrahlung
ausgesetzt. Diese konnen in einem gewissen Umfang durch spezielle Stabilisatoren ausgeglichen werden. Je nach Grundpolymer und Stabilisierung konnen diese Effekte unterschiedlich lang aufgehalten werden.
- Zugabe von Verarbeitungshilfsstoffen. Diese Gruppe von Stoffen verbessert im Wesentlichen die Verarbeitung der Polymere. Auf diese Weise wird z. B. durch Entformungshilfsmittel die Entformung im
Spritzgießprozess
vereinfacht. Fur die Endanwendung ist diese Gruppe von Additiven weniger relevant.
Die
International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)
unterscheidet folgende Typen von Kompositmaterialien: Als Nanokomposite bezeichnet man Komposite, in denen zumindest eine der enthaltenen Phasen nanoskalige Dimensionen aufweist. Komposit-Laminate weisen einen schichtartigen Aufbau auf, wobei die Schichten
Gespinste
aus
Fasern
sein konnen. Polymerkomposite sind Kompositmaterialien, die mindestens einen
Kunststoff
enthalten.
[1]
Keramikverstarkte Polymerkomposite bestehen aus einer kontinuierlichen Polymerphase, in der
Mikropartikel
oder Mikropartikelaggregate aus
Keramik
eingebettet sind. Polymer-
Ton
-Komposite enthalten in einer Polymerphase dispergierte Tonpartikel.
[3]
Nach der Geometrie des Verbunds unterscheidet man:
Die Komponenten eines Verbundwerkstoffs konnen dabei selbst wieder Verbundwerkstoffe sein.
Bei Teilchen- und Faserverbundwerkstoffen sind Teilchen bzw. Fasern in eine andere Komponente des Verbundwerkstoffs, die
Matrix
, eingebettet. In Faserverbundwerkstoffen konnen die Fasern in einer oder mehreren bestimmten Richtungen verlaufen bzw. Vorzugsrichtungen haben.
Faserverbundwerkstoffe konnen schichtweise hergestellt werden, sind dadurch aber noch keine Schichtverbundwerkstoffe, wenn die aufeinanderfolgenden Schichten gleichartig sind. Der Begriff Laminat wird hier allerdings auch verwendet. Schichtverbundwerkstoffe bestehen aus aufeinanderliegenden Schichten unterschiedlicher Anzahl.
Der Spezialfall von drei Schichten, davon zwei identische Außenschichten, wird auch als Sandwichverbund bezeichnet. Haufig besteht ein Sandwichverbundmaterial aus harten, belastbaren Außenlagen und einer leichten Mittellage, die als Abstandhalter und
Schubverbund
dient.
Durchdringungsverbundwerkstoffe bestehen aus einem
offenporigen
Tragermaterial, welches mit dem matrixbildenden
Bindemittel
ausgefullt wird. Sie werden zum Beispiel durch Tranken eines offenporigen
gesinterten
Werkstoffs (etwa einer Schaumkeramik) mit einem geschmolzenen zweiten Stoff hergestellt.
Aus der stofflichen Einteilung der Werkstoffe in
metallische
, mineralische,
keramische
und
organische Werkstoffe
ergeben sich die grundsatzlichen Kombinationsmoglichkeiten fur Verbundwerkstoffe. Zu den
organischen Werkstoffen
zahlen Polymere (
Kunststoffe
,
Naturharze
,
Kautschuk
), aber auch
Naturstoffe
wie
Zellulose
und
Pflanzenfasern
. Dabei wird anwendungsspezifisch versucht, die unterschiedlichen Vorteile der einzelnen Werkstoffe im Endwerkstoff zu kombinieren und die Nachteile auszuschließen.
- Optimierungsbeispiel Hartmetallverbundwerkstoff: Wahlt man geeignete
Siebelinien
der
Wolframcarbidkorner
(z. B. 25 % 0,05?0,1
Mikrometer
, 25 % 0,1?0,25 Mikrometer, 25 % 0,5?1 Mikrometer, Rest 1?2 Mikrometer), dann liegen zwischen den ?großen“ Kornern wiederum kleinere und zwischen diesen noch kleinere.
Die metallgefullten Spalte sind dann nur wenige
Nanometer
breit. Das Bindemittel entwickelt wegen fehlender Versetzungsstellen viel hohere Festigkeiten als im makroskopischen Bereich.
Beispiele fur Faserverbundwerkstoffe:
Beispiele fur Schichtverbundwerkstoffe:
Unter Verstarkungsstoffe (reinforcement) versteht man in Kunststoffen eingesetzte anorganische oder organische Zusatzstoffe, die die Kunststoffmatrix verstarken. Unter Verstarkung ist die Verbesserung mechanischer und physikalischer Eigenschaften, wie
Elastizitat
, Biegefestigkeit, Kriechmechanik und Warmeformbestandigkeit zu verstehen.
Verstarkungsstoffe werden gezielt zur Verbesserung dieser Werkstoffeigenschaften eingesetzt.
Die Einteilung der Verstarkungsstoffe erfolgt einerseits nach der chemischen Zusammensetzung, andererseits nach der physikalischen Gestalt des Stoffes. So gibt es
flachige Verstarkungsstoffe
in Form von Gewebe, Gelege, Gestricke, Gewirke.
Ausgangsstoffe fur diese flachigen Verstarkungsstoffe sind
faserformige Verstarkungsstoffe
, wobei die Fasern meist aus
Glas
,
Kohlenstoff
,
Aramid
,
Polyester
? oder aus
Naturprodukten
wie z. B.
Flachs
,
Jute
und Holz ? gebildet sind.
Neben den faserformigen Verstarkungsstoffen gibt es auch eine Vielzahl an
teilchenformigen Verstarkungsstoffen
, wie beispielsweise
Talkum
,
Glimmer
,
Graphit
,
Aluminiumhydroxid
.
Die Eigenschaften verstarkter Thermoplaste werden vor allem vom Volumenanteil des Verstarkungsstoffes, dessen Form (Formfaktor, Lange/Durchmesser-, L/D- oder Aspektverhaltnis) und
der Wechselwirkung an der Grenze zur Matrix beeinflusst.
Zum Fullen und Verstarken von Thermoplasten werden Zusatzstoffe stark unterschiedlicher Form verwendet. Der fur die mechanischen Eigenschaften des Verbunds bedeutsame Formfaktor ist definiert als das Verhaltnis seiner Lange zu seiner Dicke (L/D-Verhaltnis).
- Kugelformige und kubische Partikel haben einen Formfaktor von 1. Beispiele sind Glaskugeln oder Calciumcarbonat.
- Fasern oder andere anisotrope plattchenformige Fullstoffe konnen sehr hohe Formfaktoren aufweisen und dieser liegt meist deutlich uber 100.
- Plattchenformige Verstarkungsstoffe, zu denen Schichtsilikate wie Talk und Glimmer zahlen, liegen meist zwischen 5 und 50.
Verstarkungsstoffe mit hohem L/D-Verhaltnis versteifen Polymermatrices in der Regel starker als Fullstoffe mit geringerem Aspektverhaltnis.
Die
Verstarkungswirkung
beruht darauf, dass eine angelegte mechanische Spannung von der Polymermatrix aufgenommen wird und auf den Verstarkungsstoff ubertragen wird. Je großer das Aspektverhaltnis des Verstarkungsstoffes ist, desto besser kann die durch die Spannung verursachte Energie im Material abgefuhrt werden. Eine Beschichtung der Zusatzstoffe mit Kupplungsreagenzien (sog. Koppler) kann die Vertraglichkeit mit der Matrix und damit die Verarbeitbarkeit und auch die resultierenden mechanischen Eigenschaften zusatzlich deutlich verbessern. So gelingt es innovativen Compounding-Betrieben durch optimale Formulierung der Rezeptur und Einsatz von geeigneten Kopplersystemen hochqualitative Compounds herzustellen.
Plattchenformige Verstarkungsstoffe weisen zwar meist einen geringeren E-Modul als faserformige Verstarkungsstoffe auf, erhohen aber den E-Modul trotzdem betrachtlich. Ein wesentlicher Vorteil der teilchenformigen Verstarkungsstoffe ist, dass die Endeigenschaften des Kunststoffbauteils durch die Teilchenform nahezu isotrop, also richtungsunabhangig sind. Durch das Aspektverhaltnis zwischen 5 und 50 sind plattchenformige Verstarkungsstoffe, wie beispielsweise
Talkum
eine sehr gute Losung, um Kunststoffe zu verstarken, gleichzeitig jedoch die Richtungsabhangigkeit der Eigenschaften nicht allzu sehr negativ zu beeinflussen.
Die Eigenschaftsverbesserung durch Verstarkungsstoffe betrifft beispielsweise:
Einsatz findet
Talkum
als Verstarkungsstoff beispielsweise bei der Verstarkung von
Polyolefinen
, wie
HDPE
oder PP, fur einen vielseitigen Einsatz in der Auto- oder Bauindustrie. Verstarkte Polypropylencompounds sind seit ca. 30 Jahren auf dem Markt. Ende der 60er-Jahre wurden erstmals talkum- (TV) und glasfaserverstarkte (GFV) Produkte auf Basis PP angeboten.
Beispiele:
- Glasfaser
: Kurz- (?KGF“) oder Langglasfaser (?LGF“) sind die am haufigsten zugegebenen Verstarkungsstoffe. Sie sind deutlich preisgunstiger als etwa Kohlenstofffasern.
- Kohlenstofffasern
: Die leichteste, aber auch teuerste Faser fur Verstarkungen.
- Wollastonit
: Wollastonit ist ein Grenzfall zwischen Verstarkung und Fullung. Wegen seiner stabchenformigen Kristallstruktur kann aber durch Beimischung ein verstarkender Effekt erzielt werden.
- alle TPE (Thermoplastische Elastomere)
- eingefarbte Materialien
- PP mit 40 % Kreide
- PP mit 30 % Glasfaser (KGF oder LGF)
- PA 6 oder 66 mit 30 % Glasfaser (KGF oder LGF)
- ABS mit 16 % Glasfaser (KGF)
- PC mit 20 % Glasfaser
- ABS, PC, PP flammgeschutzt
- Andreas Haka:
Konstruierte Stabilitat. Die Geschichte von Verbundwerkstoffen im 19. und 20. Jahrhundert
, Springer: Cham, 2022,
iSBN 978-3-658-36125-9
, in engl. Ubersetzung von Ann M. Hentschel:
Engineered Stability. The History of Composite Materials in the 19th and 20th Centuries
, Springer: Cham, 2023,
[1]
ISBN 978-3-658-41408-5
- Walter Krenkel:
Verbundwerkstoffe.
John Wiley & Sons, 2009,
ISBN 978-3-527-62712-7
.
- Manfred Neitzel
:
Handbuch Verbundwerkstoffe.
Carl Hanser Verlag, 2014,
ISBN 978-3-446-43697-8
.
- Wolf-Ekkehard Traebert:
Verbundwerkstoffe, Versuch einer neuartigen Systematik.
Beuth-Vertrieb GmbH, Berlin, Koln, Frankfurt (M), 1967.
- ↑
a
b
c
W. J. Work, K. Horie, M. Hess, R. F. T. Stepto:
Definition of terms related to polymer blends, composites, and multiphase polymeric materials (IUPAC Recommendations 2004)
. In:
Pure and Applied Chemistry
.
Band
76
,
Nr.
11
, 1. Januar 2004,
ISSN
1365-3075
,
S.
1985?2007
,
doi
:
10.1351/pac200476111985
(
degruyter.com
[abgerufen am 1. November 2022]).
- ↑
Definition Compound
.
In:
Merriam Webster
; abgerufen am 1. Marz 2016.
- ↑
a
b
J. V. Aleman, A. V. Chadwick, J. He, M. Hess, K. Horie:
Definitions of terms relating to the structure and processing of sols, gels, networks, and inorganic-organic hybrid materials (IUPAC Recommendations 2007)
. In:
Pure and Applied Chemistry
.
Band
79
,
Nr.
10
, 1. Januar 2007,
ISSN
1365-3075
,
S.
1801?1829
,
doi
:
10.1351/pac200779101801
(
degruyter.com
[abgerufen am 1. November 2022]).
- ↑
Engelbert Westkamper, Hans-Jurgen Warnecke:
Einfuhrung in die Fertigungstechnik.
8. Auflage. Vieweg + Teubner, S. 66.