Venzone
(
furlanisch
Vencon
,
slowenisch
Pu?ja vas
,
deutsch
Peuscheldorf
beziehungsweise
Peuschelsdorf
) ist eine
italienische Gemeinde
mit 1953 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022) in der Region
Friaul-Julisch Venetien
am Eingang in das
Canale del Ferro
(Eisental), der Fortsetzung des
Kanaltals
.
Venzone ist Mitglied der Vereinigung
I borghi piu belli d’Italia
[2]
(?Die schonsten Orte Italiens“).
Die gunstige geographische Lage am Eingang zu den Alpentalern machte Venzone schon zur Zeit der
Kelten
(500 v. Chr.) zu einem wichtigen Grenzort. Den Kelten folgten die
Romer
, die aus Venzone ihr ?statio“ entlang der
Via Julia Augusta
, die von
Aquileia
in den nordlichen Markten fuhrte, machten. Verschiedene archaologische Funde, die wahrend der Restaurierungsarbeiten am Dom gefunden wurden, bestatigen die Prasenz eines romischen Gebaudes an diese Stelle.
Ringmauer und Wassergraben
In den darauf folgenden Jahrhunderten zogen
Markomannen
,
Westgoten
,
Hunnen
,
Ostgoten
,
Byzantiner
,
Langobarden
und
Karolinger
durch das Gebiet. Wahrend der Herrschaft der Karolinger (776?952) wurde die erste stadtebauliche Einheit in Venzone geschaffen. 923 wurde Venzone erstmals offiziell im
Clause de Abintione
erwahnt. Im Jahre 1077 wurde Venzone unter das
Patriarchat von Aquileia
gestellt. Von nun an war die Kontrolle des Handelsverkehrs wichtigste Aufgabe des Ortes. Im Jahre 1200 ubergab das Patriarchat von Aquileia der Familie Mels Venzone als
Lehen
. Der Familie Mels ist es zu verdanken, dass im Jahre 1247 Venzone
Gemeinde
wurde und 1252 das Recht erhielt, einen
Wochenmarkt
abzuhalten.
1258 ließ Glizolio di Mels eine doppelte
Stadtmauer
samt tiefem Festungsgraben errichten. Im Jahre 1336 kam Venzone, nachdem das Gemeindelehen im Jahr zuvor dem
Grafen von Gorz
abgetreten worden war, unter
Patriarch
Bertram von St. Genesius
wieder unter die Herrschaft des Patriarchats von Aquileia.
Vom
Erdbeben von Friaul 1348
gibt es glaubhafte Berichte schwerer Schaden.
[3]
1420 schließlich wurde Venzone in die
Republik Venedig
eingegliedert. Damit begann fur den Ort der wirtschaftliche Niedergang ? vor allem deshalb, weil der Handelsverkehr, der uber Jahrhunderte die einzige Einnahmequelle darstellte, nun andere Wege bevorzugte.
Im Jahre 1797 wurde Venzone von franzosischen Truppen
Napoleons
erobert; nach dem
Frieden von Campo Formio
kam es bis 1866 unter osterreichische Herrschaft.
1965 wurde es, inzwischen zur italienischen
Provinz Udine
gehorend, zum Nationalmonument erklart.
Am 6. Mai 1976 wurde der Ort nahezu komplett zerstort, als um 20:59 Uhr
ein Erdbeben
56 Sekunden lang
Friaul
erschutterte. Die Erdstoße erreichten eine Intensitat von VIII bis IX auf der zwolfstufigen
Mercalliskala
und wurden als zerstorend bis verwustend klassifiziert. In Venzone gab es 47 Todesopfer. Bereits in den ersten Tagen nach der Katastrophe organisierte ein Bergungsausschuss die Bergung der beweglichen Kulturguter. Venzone war schwer betroffen, jedoch nicht ausgeloscht. Die vollstandige Zerstorung der Altstadt, der Festungsmauern und des Doms verursachte ein Nachbeben am 15. September 1976.
Die Bevolkerung schloss sich 1977 zu einem Burgerkomitee zusammen und forderte den luckenlosen Wiederaufbau des Dorfes. Das zustandige Ministerium war aber auch mit einer zweiten Eingabe befasst: Das Bauburo der Gemeinde wollte alle Gebaudereste beseitigen und Venzone mit Fertigbau-Elementen neu aufbauen lassen.
Es wurden jedoch die Plane des Burgerkomitees ubernommen. Man entschied, die zerstorten Hauser nicht einfach zu ersetzen, sondern samtliche Trummer wieder so zusammenzusetzen, wie sie vor der Katastrophe angebracht waren. Um dieses Vorhaben umsetzen zu konnen, wurden Fotos des Ortes zusammengetragen, um einzelne herumliegende Mauerstucke identifizieren zu konnen. Weiter beschloss man, an den erfolgreich rekonstruierten Stellen keine neuen Fassaden anzubringen. Lediglich die Stellen, die nicht mehr aus den Trummern wiederhergestellt werden konnten, wurden mit einer Fassade versehen. Dank dieser Entscheidung kann man sich heute als Besucher des Ortes ein Bild der menschlichen Hochstleistung machen, die die Einwohner Venzones im Zuge des Wiederaufbaues ihres Ortes erbrachten. Auch große Teile des Doms konnten auf diese Weise rekonstruiert werden. Die kahlen Mauerstucke innen und außen zeigen die Verluste. Im offenen Rathaus-Palast erinnert eine Bilddokumentation an die Katastrophe und den Wiederaufbau.
Innenansicht des Domes
Blick gegen die Orgelempore
- Der Dom des Heiligen Apostels Andreas (
il Duomo di Sant'Andrea Apostolo
). Der Bau wurde 1300 begonnen. Am 2. August 1338 wurde der Dom vom Patriarchen von Aquilea Bertrando geweiht. Das Tympanon des romanischen Hauptportals im Westen zeigt eine Kreuzigungsszene. Das Original aus dem 14. Jahrhundert hangt in der Kirche. Der Innenraum hat einen kreuzformigen Grundriss mit einer Haupt- und zwei Nebenapsiden an den Kreuzarmen im Osten. In der linken, nordlichen Apsis sind
Fresken
des 14. Jahrhunderts zu sehen. Dargestellt sind die Weihe des Domes, der hl. Martin und der Bettler, der hl.
Georg
bewahrt die Prinzessin vor dem Drachen, links daneben ein
Gnadenstuhl
.
In der sudlichen Apsis steht zwischen zwei Apostelstatuen eine farbig gefasste
Pieta
aus Sandstein (fruhes
14. Jahrhundert
) aus dem deutschsprachigen Raum. Das
Holzkruzifix
(15. Jahrhundert) stammt von einer friulanischen Schule. In der
Cappella del Gonfalone
ist eine
Beweinung Christi
, von
Giovanpietro da Mure
zwischen 1514 und 1521 aus Lindenholz angefertigt, aufgestellt. Zu sehen sind Konsolstatuen des hl.
Andreas
(Ende 15. Jahrhundert), des hl. Mauro (17. Jahrhundert) und des Patriarchen Bertrando (1985). Ein
Taufstein
und zwei Weihwasserbecken sind Werke von
Bernardino da Bissone
(16. Jahrhundert). Eine moderne Holzskulptur wurde 1996 geschnitzt. Die Orgel wurde 1792 von
Gaetano Callido
gebaut.
-
Pieta
-
Beweinung Christi
-
Hl. Andreas
-
Hl. Mauro
-
Taufstein
-
Holzskulptur
- In der
Cappella di San Michele
sind historische
Mumien
zu sehen. Die Ursache der Mumifizierung wird einem raschen Wasserentzug durch den
Pilz
Hypha bombycina Pers.
und dem hohen Gehalt an
Calciumsulfat
im Boden zugeschrieben, eindeutige Nachweise fehlen aber.
[4]
[5]
Nach einer Legende soll sich
Napoleon
bei seinem Durchmarsch durch Venzone gewunscht haben, hier begraben zu werden, um so der Nachwelt erhalten zu bleiben. Die Fresken stammen von einer friulanischen Schule.
Rathaus-Palast aus dem 14. und 15. Jahrhundert
- Am Hauptplatz befinden sich die
Casa Calderari
und das Rathaus (1390?1410): das Erdgeschoss mit einer geoffneten
Loggia
und mit Fresken von
Pomponio Amalteo
(15. Jahrhundert) und das Obergeschoss, das uber eine Außentreppe erreichbar ist, mit einer Reihe von zweibogigen Fenstern. Auf einem Turmchen an der Ecke ist eine Uhr und eine Skulptur mit dem
Lowen von San Marco
angebracht, dem Wahrzeichen
Venedigs
. In der Mitte des Platzes befindet sich vor dem
Palazzo Radiussi
mit seinen unechten gotischen dreibogigen Fenstern und dem
Renaissanceportal
ein Brunnen aus dem Jahr 1878.
- Von der
Kirche des Hl. Giovanni Battista
aus dem
14. Jahrhundert
ist heute nur noch die Fassade zu sehen. Folgt man der Hauptstraße weiter zur anderen Seite des Ortes, erreicht man die
Porta San Genesio
(1309). Dies ist das einzige Stadttor, das all die Jahre und Erdbeben unversehrt uberstanden hat. Durch diese Hauptstraße kommt man noch zum
Palazzo Orgnani Martina
(
16. Jahrhundert
).
- ?Festa della Zucca“, Kurbisfest im Oktober
[6]
- Furio Bianco, Aldino Bondesan, Paolo Paronuzzi, Michele Zanetti, Adriano Zanferrari:
Il Tagliamento.
Copyright 2006, Universitat Udine, Cierre Verlag, Sommacampagna 2006,
ISBN 88-8314-372-8
(italienisch).
- Roberta Costantini, Fulvio Dell’Agnese, Micol Duca, Antonella Favaro, Monica Nicoli, Alessio Pasian:
Friuli-Venezia Giulia. I luoghi dell’arte.
Bruno Fachin Editore, Triest 1999,
ISBN 88-85289-57-6
, S. 297?299.
- G. Pilgram
, W. Berger, W. Koroschitz, A. Pilgram-Ribitsch:
Die letzten Taler. Wandern und Einkehren in Friaul.
Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 2008,
ISBN 978-3-85435-532-8
.
- ↑
Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022.
ISTAT.
Abgerufen am 14. Mai 2023
(Bevolkerungsstatistiken des
Istituto Nazionale di Statistica
, Stand 31. Dezember 2022).
- ↑
I borghi piu belli d’Italia.
Borghipiubelliditalia.it,
abgerufen am 5. August 2017
(italienisch).
- ↑
emidius.mi.ingv.it
- ↑
Die Mumien von Venzone.
In:
utdooractive.com
. Abgerufen am 7. Marz 2019.
- ↑
Georg Lux, Helmuth Weichselbraun:
Vergessen & verdrangt ? Dark Places im Alpen-Adria-Raum
. Styria, Wien/Graz/Klagenfurt 2019,
ISBN 978-3-222-13636-8
,
S.
78?85
.
- ↑
ORF Karnten ? Das Kurbisfest
(
Memento
vom 19. Oktober 2008 im
Internet Archive
)