Valent?na Freimane
geb. Loewenstein (*
18. Februar
1922
in
Riga
; †
16. Februar
2018
in
Berlin
) war eine
lettische
Film- und Theaterwissenschaftlerin
judischer
Abstammung. In verschiedenen Rigaer Verstecken uberlebte sie von 1941 bis 1944 den
Holocaust
.
Valent?nas Vater Leopold entstammte einer deutschsprachigen judischen Familie aus
Kurland
, ihre Mutter Eva, eine geborene Lulow (eigentlich Lulaf), einer russischsprachigen judischen Kaufmannsfamilie aus
St. Petersburg
, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg nach
Liep?ja
ubersiedelte. Die junge Familie Loewenstein zog 1923 aus beruflichen Grunden von Riga nach
Paris
und zum Jahreswechsel 1926/27 nach
Berlin
, wo Leopold als Rechtsberater bei der
UFA
tatig war; dadurch entwickelten sich Bekanntschaften mit Filmstars wie
Anny Ondra
und
Karel Lama?
, die in der Pension Bergmann, wo die Loewensteins lebten, ein und aus gingen. Nachdem sie in Berlin eingeschult worden war, lebte Valent?na seit 1931 in Riga bei ihren Großeltern und besuchte eine deutsche Schule. Die Eltern sahen sich 1935 gezwungen, Berlin zu verlassen, und gingen ebenfalls nach Riga.
Nach der sowjetischen Besetzung
Lettlands
1940 wurde ein sowjetischer Offizier in der Wohnung zwangseinquartiert. Im Juni 1941 heiratete sie den Medizinstudenten Dietrich Feinmanis; durch einen behordlichen Fehler erhielt sie den Nachnamen Freimane.
Nach der deutschen Besetzung Lettlands im Juni 1941 wurden ihre Eltern und alle anderen Angehorigen ins
Rigaer Ghetto
verschleppt und spater ermordet; von ihrer Mutter entschieden dazu ermutigt, versteckte sie selbst sich bei ihrem Mann. Bei einer Hausdurchsuchung konnte sie unerkannt entkommen, wahrend ihr Mann verhaftet wurde und spater in einem Rigaer Gefangnis umkam. Valent?na Freimane konnte dank guter Beziehungen nacheinander an mehreren Orten Unterschlupf finden, darunter anderthalb Jahre bei dem Minderheitenpolitiker und Journalisten
Paul Schiemann
, der sich im Gegensatz zu den meisten
Deutschbalten
geweigert hatte, ?heim ins Reich“ umzusiedeln. Er diktierte ihr seine Memoiren. Nach seinem Tod im Juni 1944 konnte sie sich in einer Wohnung in der Rigaer Altstadt verstecken, wo sie den Einmarsch der
Roten Armee
am 13. Oktober 1944 erlebte.
Nach dem
Zweiten Weltkrieg
hatte Freimane in der sowjetischen Diktatur sowohl wegen ihrer großburgerlichen und supranationalen Herkunft als auch als uberlebende Judin mit Schwierigkeiten zu kampfen; dennoch konnte sie eine Karriere als Film- und Theaterwissenschaftlerin machen. 1949 absolvierte sie ein Studium an der historischen Fakultat der
Lettischen Staatsuniversitat
; von 1950 bis 1963 arbeitete sie in
Liep?ja
als Padagogin sowie als Redakteurin bei der Tageszeitung
Komunists
. Von 1962 bis 1965 studierte sie als Externe am
Staatlichen Institut fur Theaterkunst
in Moskau, promovierte und war von 1968 bis 1980 am Institut fur Sprache und Literatur an der
Lettischen Akademie der Wissenschaften
tatig. Bis 1989 unterrichtete sie Theatergeschichte an der Fakultat fur Theater am
Lettischen Staatskonservatorium
. Durch ihre ausgezeichneten Kontakte zu Moskauer Kunstlerverbanden gelang es ihr, halblegal Filme aus der ganzen Welt, die in der UdSSR nicht offentlich gezeigt werden durften, nach Riga zu holen und ihren Studenten im Rahmen des von ihr gegrundeten und geleiteten, inzwischen zur Legende gewordenen ?Kinolektoriums“ vorzufuhren. Einer ihrer Studenten war damals der spatere Theaterregisseur
Alvis Hermanis
. 2001 erhielt Freimane fur ihr Wirken den
Drei-Sterne-Orden
der Republik Lettland.
Seit der Wiederherstellung der Unabhangigkeit der Republik Lettland und der damit einhergehenden Reisefreiheit verbrachte Valent?na Freimane ihren Lebensabend uberwiegend in Berlin in der Nahe ihrer engen Freunde
Henning Rischbieter
und
Michail Ryklin
; seit Mitte der 1990er Jahre war sie auch fur
Deutschlandradio
tatig und gab Seminare an der
Freien Universitat Berlin
.
2010 erschien in Lettland ihre Autobiographie
Ardievu, Atlant?da!
, die dort zum Bestseller wurde und ihr Leben bis zum 13. Oktober 1944 beschreibt. Die deutsche Ubersetzung ist im Marz 2015 unter dem Titel
Adieu, Atlantis. Erinnerungen
im
Wallstein Verlag
erschienen. Nach Motiven des Buches schrieb der lettische Komponist
Arturs Maskats
die Oper
Valentina
.
[1]
[2]
[3]
Die Arbeit am zweiten Band ihrer Erinnerungen, der den Zeitraum von Oktober 1944 bis etwa 1962 umfassen sollte, blieb unvollendet.
Der Filmemacher
Rosa von Praunheim
portratierte sie in seinem Kurzfilm
Valentina
(2012).
- Ardievu, Atlant?da!
, At?na, Riga 2010,
ISBN 978-9984-34-410-2
.
- Person?bas un par?d?bas
(Personlichkeiten und Phanomene), Liesma, Riga 1986.
- Latvie?u padomju te?tra v?sture
(Geschichte des lettischen sowjetischen Theaters), 2 Bde.; Mitarbeit Bd. 1: Kapitel 5
Jaunatnes te?tris (1944?1954)
und 6
Liep?jas te?tris (1944?1954)
, Bd. 2: Kapitel 4
?e?ina komjaunatnes Jaunatnes te?tris (1954?1970)
und 5
Liep?jas te?tris (1954?1970)
, Zin?tne, Riga 1973.
- Liep?jas te?tra 50 gadi
(50 Jahre Theater Liep?ja), Latvijas Valsts izdevniec?ba, Riga 1958.
(alle abgerufen am 2. Marz 2018)
- Literatur von und uber Valent?na Freimane
im Katalog der
Deutschen Nationalbibliothek
- Achim Engelberg
:
Eine Geschichte von Leid und Hoffnung ? Anmerkungen zum Tod von Valent?na Freimane
, piqd.de, 18. Februar 2018
- Stiftung Denkmal fur die ermordeten Juden Europas:
Trauer um Valent?na Freimane
, 16. Februar 2018
- Andrea Lieblang:
Valentina Freimane, Film- und Theaterwissenschaftlerin
.
WDR 5
-Reihe ?Erlebte Geschichten“, 12. Februar 2017 (mp3-Audio; 23:21 Minuten; 22 MB)
- Elena Griepentrog:
Judin, Katholikin, Kosmopolitin. Valentina Freimane.
Katholische Horfunkarbeit, 14. Februar 2016,
abgerufen am 2. Marz 2018
.
Unter dem Titel
Eine lautstarke Heroin, eine dickkopfige Heldin
auch auf der Webseite von
Deutschlandfunk Kultur
- Johannes Gelich
:
Nur kein Selbstmitleid
, Typoskript der SWR2 Tandem-Sendung vom 22. Januar 2016 (PDF, 98 KB)
- Judith Leister:
≪Im Auge des Sturms≫
,
NZZ
vom 20. Mai 2015
- Achim Engelberg
:
Und dann: der Schrecken
, Rezension in
der Freitag
Nr. 17/2015
- Udo Badelt:
Zeugin eines Jahrhunderts
, Gesprach in
Deutsche Oper Magazin
, Februar ? Juli 2015
- Autorenportrat Valent?na Freimane
auf der Website des
Wallstein Verlags
- Leseprobe aus
Adieu, Atlantis
bei issuu.com
- Valent?na Freimane im Interview in der
ZDF
-Sendung
aspekte
vom 27. Februar 2015
- Rosa von Praunheim
:
Valentina ? Eine lettische Judin
(22 Min., 2012) in der Reihe ?Starke Frauen ? Judische Lebenswelten“
[6]
- ↑
Informationen zur Oper ?Valentina“
auf der Website der Lettischen Nationaloper
- ↑
Andre Sokolowski:
Zu ruhrselig, zu nationalistisch.
Rezension vom 20. Mai 2015 auf ?KULTURA-EXTRA ? das online-magazin“
- ↑
Udo Badelt:
Einmal Riga und zuruck
. In:
Der Tagesspiegel
vom 16. Mai 2015
- ↑
Freimanes ≪Ardievu, Atlant?da!≫ tulkota krieviski
am 6. Marz 2012 auf tvnet.lv
- ↑
Рецензии на книгу ≪Прощай, Атлантида!≫
auf livelib.ru
- ↑
Blog von Rosa von Praunheim
beim
Deutschen Filminstitut