Das
Unternehmen Bodenplatte
fand am 1. Januar 1945 statt. Etwa 850 Jagdflugzeuge der deutschen
Luftwaffe
[1]
griffen
Flugplatze der West-Alliierten in den
Niederlanden
,
Belgien
und
Frankreich
an. Die Luftwaffe plante, bei diesem Angriff 17 feindliche Frontflugplatze zu zerstoren. Einige hundert alliierte Flugzeuge wurden zerstort oder beschadigt. Es war aber ein
Pyrrhussieg
: Die Verluste der Luftwaffe waren hoch, die
Verluste an erfahrenen Piloten
waren hoch, knappe Kraftstoffvorrate wurden aufgebraucht.
Das Unternehmen beschleunigte den Niedergang der Luftwaffe; die Kampfkraft der alliierten Luftstreitkrafte wurde kaum beeintrachtigt.
Im Herbst 1944 begann die deutsche
Wehrmacht
mit der Planung einer großen Offensive gegen die Alliierten im Gebiet der
Ardennen
(
?Unternehmen Wacht am Rhein“
). Die Vorbereitungen fur einen begleitenden Großeinsatz der Luftwaffe gegen alliierte Flugplatze begannen am 16. September. Ab dem 16. Oktober wurden Einheiten aus dem Reichsgebiet in die Nahe des Operationsgebietes verlegt. Die Westalliierten hatten damals weitgehende Luftuberlegenheit.
Der Befehl
Hermann Gorings
verlangte, die alliierten taktischen Luftstreitkrafte durch einen Uberraschungsangriff auf ihre Flugplatze zu dezimieren, um den eigenen Bodentruppen mehr Bewegungsfreiheit am Tage zu verschaffen. Mit der Durchfuhrung wurde
Generalmajor
Dietrich Peltz
als Kommandeur des II. Jagdkorps beauftragt, der am 5. Dezember die Detailplanung des ?Unternehmens Bodenplatte“ mit den Geschwaderkommandeuren leitete.
[2]
Dafur wurde die Mehrzahl der verfugbaren
Jagdflugzeuge
vorgesehen. Diese sollten die Bomber- und Jagerverbande der in Belgien, Frankreich und in den Niederlanden stationierten
Royal Air Force
(RAF) und der
United States Army Air Forces
(USAAF) im Tiefflug angreifen und moglichst viele feindliche Flugzeuge am Boden zerstoren. Die Bodenoffensive, die spater als Ardennenoffensive bezeichnet wurde, begann planungsgemaß am 16. Dezember. Wegen schlechten Wetters konnte der begleitende Luftangriff nicht gleichzeitig stattfinden. Wegen der langen Verzogerung und der ins Stocken geratenen Bodenoffensive nahmen angeblich einige Geschwaderkommandeure an, Bodenplatte sei abgesagt, als am 31. Dezember 1944 der Befehl zur Durchfuhrung kam.
[3]
Alle Jagdgeschwader, die zur Reichsverteidigung an der
Westfront
stationiert waren, nahmen an dem Angriff teil. Sie waren hierzu der
3. Jagddivision
und dem
Jagdfliegerfuhrers Mittelrhein
zugeteilt worden und auf den Fliegerhorsten
Bonn-Hangelar
,
Koln-Ostheim
und
Koln-Wahn
stationiert. 44
Junkers-Ju-88
-
Nachtjager
der
II. bzw. III./ NJG 1
,
III./ NJG 5
,
II./ NJG 6
,
II./ NJG 100
und
I. bzw. II./ NJG 101
leiteten als ?Lotsen“ die Angriffsverbande zu ihren Angriffszielen.
Die Hauptlast des Angriffes trugen einmotorige Jager und Jagdbomber der Typen
Messerschmitt Bf 109
und
Focke-Wulf Fw 190
, die wegen der Einsatzlange keine Bomben mitfuhren konnten.
Uber dem Einsatzgebiet kam es zu heftiger Gegenwehr durch Flugabwehrgeschutze, die zu hohen deutschen Verlusten fuhrte. Es konnten aber nur verhaltnismaßig wenige alliierte Abfangjager zur Verteidigung aufsteigen. Da die meisten deutschen Piloten unerfahren und fur Luft-Bodeneinsatze unzureichend ausgebildet waren, konnte der Uberraschungseffekt kaum genutzt werden.
Ubersicht uber Angriffsziele und beteiligte Einheiten
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|
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]
Den Jagdgeschwadern (JG), Kampfgeschwadern (KG) und Schlachtgeschwadern (SG) der Luftwaffe standen auf alliierter Seite gegenuber:
- die
Royal Air Force
mit der
2nd Tactical Air Force
(2nd TAF). Diese war in vier
Groups
(Geschwader) eingeteilt, die aus
Wings
(dt. Gruppe) von drei bis funf
Squadrons
(entspricht einer deutschen
Staffel
) mit durchschnittlich zwolf einsatzfahigen Flugzeugen bestanden.
- die
8th
und
9th Air Force
. Diese unterteilten sich in
Fighter Groups
(Jagdgruppen) und
Bombardment Groups
(Bombergruppen) und weiter in
Squadrons
.
Die Aufgabe der 2nd TAF und der 9th Air Force war wahrend der
Landung in der Normandie
vor allem die
Luftnahunterstutzung
der Bodentruppen gewesen. Mit dem Fortschreiten des Bodenkrieges wurden die Einheiten auf das europaische Festland verlegt. Die Aufgabe der 8th Air Force war der strategische Luftkrieg gegen Deutschland.
Angriffsziel
|
Einheit der Luftwaffe
|
Alliierte Krafte
|
Wirkung
|
Antwerpen-Deurne
(Belgien)
|
JG 77
|
vier
Spitfire
-Staffeln der 2nd TAF, funf
Typhoon
-Staffeln der 2nd TAF
|
geringfugige Zerstorung
|
Asch
(Belgien)
|
JG 11
|
drei Staffeln
P-51
der 352nd Fighter Group, drei Staffeln
P-47
der 366th Fighter Group
|
geringe Zerstorung
|
Brussel-Evere
|
II., III./JG 26
|
zahlreiche amerikanische und britische Jager, Bomber und Transportflugzeuge
|
schwere Zerstorung
|
Brussel-Grimbergen
|
I./JG 26,
III./JG 54
|
Flugplatz war bis auf sechs Flugzeuge unbelegt und fur den Flugbetrieb gesperrt
|
geringfugige Zerstorung
|
Brussel-Melsbroek
|
JG 27
,
IV./JG 54
|
drei Aufklarerstaffeln der 2nd TAF und drei Bomberstaffeln der 8th Air Force
|
schwere Zerstorung
|
Eindhoven (Niederlande)
|
JG 3
,
I./JG 6
|
acht
Typhoon
-Staffeln und drei Spitfire- bzw.
Mustang
-Staffeln der 2nd TAF
|
schwere Zerstorung
|
Sint-Denijs-Westrem (Belgien)
|
II./JG 1
|
drei
polnische
Spitfire-Staffeln (302., 308. und 317.
Squadron
)
|
schwere Zerstorung, heftige Luftkampfe
|
Gilze-Rijen
(Niederlande)
|
I./KG 51
,
III./KG 76
|
drei Aufklarerstaffeln der 2nd TAF (Mustang/ Spitfire)
|
geringfugige Zerstorung
|
Heesch (Niederlande)
|
Ziel nicht erkannt
|
funf Spitfire-Staffeln der 2nd TAF
|
ohne Wirkung
|
Le Culot (Belgien)
|
JG 4
|
drei
Thunderbolt
-Staffeln und zwei
F-5
-Staffeln der 9th Air Force
|
Platz verfehlt, keine Zerstorung
|
Maldegem (Belgien)
|
I./JG 1
|
zwei Spitfire-Staffeln der 2nd TAF
|
schwere Zerstorung
|
Metz-Frescaty (Frankreich)
|
JG 53
|
etwa 40 Thunderbolts der 365th Fighter Group der 9th Air Force
|
maßige Zerstorung
|
Ophoven (Belgien)
|
II./JG 11
|
vier Spitfire-Staffeln der 2nd TAF
|
maßige Zerstorung
|
Sint-Truiden (Belgien)
|
JG 2
, IV./JG 4,
SG 4
|
sechs Thunderbolt-Staffeln der 9th Air Force
|
maßige Zerstorung
|
Volkel (Niederlande)
|
II. und III./JG 6
|
drei Typhoon- und funf
Tempest
-Staffeln der 2nd TAF
|
geringe Zerstorung
|
Woensdrecht (Niederlande)
|
JG 77
|
funf Spitfire-Staffeln der 2nd TAF, die sich alle im Flug befanden
|
ohne Wirkung
|
Ursel (Belgien)
|
JG 1
|
Flugplatz bis auf vier beschadigte Flugzeuge unbelegt
|
geringfugige Zerstorung
|
Die letzte Eintragung im
Flugbuch
vieler deutscher Piloten lautete: ?Auftrag
Hermann
1.1.1945, Zeit: 09:20 Uhr“. Als die Flugbucher bei den abgeschossenen Piloten gefunden wurden, dachte man auf alliierter Seite zunachst, es handele sich um die ?Operation
Hermann
“, also um ein nach seinem mutmaßlichen Planer,
Hermann Goring
, benanntes Unternehmen.
Tatsachlich stand ?Hermann“ lediglich fur ?Angriffstermin“ und bedeutete, dass alle Verbande um 09:20 Uhr den Angriff auf die gegnerischen Flugplatze eroffnen wurden. Goring selbst hatte mit der komplexen Planung des Unternehmens nichts zu tun.
Air Vice Marshal (Generalleutnant) John Edgar ?Johnnie“ Johnson (1915?1996), der an diesem Tag in Brussel-Evere war, beschrieb den Angriff so:
?Operation Hermann war ein kuhner Schlag. Wir konnten feststellen, dass der durchschnittliche deutsche Pilot dieser Aufgabe nicht gewachsen war.“
[4]
Bei dem deutschen Angriff wurden 305 alliierte Flugzeuge zerstort und 190 beschadigt.
[5]
Davon gingen 15 Flugzeuge durch
Luftkampfe
verloren und weitere 10 wurden beschadigt.
Von den rund 850 eingesetzten deutschen Flugzeugen gingen 292 (34 %) verloren. Dabei fielen 213 Piloten oder wurden gefangen genommen. Auf dem Hin- und Ruckflug wurden nach heutigen Erkenntnissen 30?35 Maschinen durch die deutsche
Flugabwehr
(Flak) abgeschossen (
Eigenbeschuss
); fruhere Publikationen nennen wesentlich hohere Verluste. Aufgrund von Geheimhaltung, Planungsmangeln und Abweichungen von der Flugroute waren manche deutsche Flakbatterien nicht uber den Uberflug eigener Krafte informiert gewesen.
[6]
Besonders folgenschwer fur die Kampfkraft der Jagdverbande war der Verlust von 22 erfahrenen Verbandsfuhrern: Drei
Geschwaderkommodore
, funf
Gruppenkommandeure
und 14 Staffelkapitane kehrten von dem Einsatz nicht zuruck.
Die Alliierten fuhrten in den darauffolgenden zwei Wochen keinen Großangriff von den getroffenen Flugplatzen durch.
Die deutsche Heimatverteidigung war derweil durch den hohen Verlust an erfahrenen Piloten unwiderruflich gebrochen. Die deutsche
Ardennenoffensive
war spatestens seit dem 3. Januar gescheitert, als die alliierte Gegenoffensive begann, bei der die Alliierten ihre trotz
Bodenplatte
ungebrochene Luftuberlegenheit voll ausspielen konnten.
- Steven J. Zaloga
, Howard Gerrard:
Battle of the Bulge.
Osprey Publishing, 2004,
ISBN 1-84176-810-3
.
- Werner Girbig:
Start im Morgengrauen. Eine Chronik vom Untergang der deutschen Jagdwaffe im Westen 1944/1945.
Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1989,
ISBN 3-613-01292-8
.
- John Manrho, Ron Putz:
Bodenplatte. The Luftwaffe’s Last Hope.
Hikoki Publ., 2004,
ISBN 1-902109-40-6
.
- ↑
laut
dieser Quelle
(S. 7) waren es 1035
- ↑
John Manrho, Ron Putz:
Bodenplatte. The Luftwaffe’s Last Hope
. reprint Auflage. Stackpole Books, Mechanicsburg, PA 2010,
ISBN 978-0-8117-0686-5
,
S.
2, 3
(erstmals verlegt von Hikoki Publications, 2004).
- ↑
John Manrho, Ron Putz:
Bodenplatte. The Luftwaffe’s Last Hope
. reprint Auflage. Stackpole Books, Mechanicsburg, PA 2010,
ISBN 978-0-8117-0686-5
,
S.
7
(erstmals verlegt von Hikoki Publications, 2004).
- ↑
Air Vice-Marshal 'Johnnie' (J.E.) Johnson:
Wing Leader.
Goodall paperback edition by Crecy Publishing, Manchester 2000,
ISBN 0-907579-87-6
, S. 294?295.
- ↑
John Manrho, Ron Putz:
Bodenplatte. The Luftwaffe’s Last Hope.
Hikoki Publ., 2004,
ISBN 1-902109-40-6
, S. 272 f.
- ↑
John Manrho, Ron Putz:
Bodenplatte. The Luftwaffe’s Last Hope
. reprint Auflage. Stackpole Books, Mechanicsburg, PA 2010,
ISBN 978-0-8117-0686-5
,
S.
461?462
(erstmals verlegt von Hikoki Publications, 2004).