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Als
Transformationsokonomie
bezeichnet man die
Volkswirtschaften
von
Landern
, die sich im Ubergang von einer
Zentralverwaltungswirtschaft
zu einem
marktwirtschaftlichen System
befinden, ?weil es andere Transformationen zur Zeit nicht gibt.“
[1]
Zu unterscheiden ist, ob mit dem wirtschaftlichen Transformationsprozess auch eine
politische Transformation
, d. h. ein Ubergang von einem
totalitaren
bzw.
autoritaren
zu einem
demokratischen
System einhergeht, oder ob das politische System (nahezu) unverandert bleibt.
Seit dem
Zerfall der Sowjetunion
und der Auflosung des
Rates fur gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)
sind die Staaten des ostlichen Mitteleuropas (siehe
Visegrad-Staaten
) sowie des ostlichen und sudostlichen Europas, aber auch viele Staaten in Sudostasien mit unterschiedlich ausgepragtem Reformwillen bestrebt, die sozialistische Planwirtschaft zu uberwinden und marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Einige europaische Staaten haben den Transformationsprozess inzwischen weitgehend erfolgreich durchlaufen. Sichtbares Zeichen dafur war ihr Beitritt zur
Europaischen Union
2004
bzw.
2007
.
Gemessen an der Wirtschaftskraft, ihrem Volkseinkommen und ihrer infrastrukturellen Entwicklung sind diese Staaten heute vergleichbar mit fortgeschrittenen
Entwicklungslandern
und demzufolge als
Schwellenlander
zu klassifizieren. Andere Staaten, wie z. B.
Slowenien
, sind inzwischen mit den
Industriestaaten
West- und Sudeuropas vergleichbar.
Trotz ahnlicher Indikatoren hinsichtlich der Wirtschaftskraft und Infrastrukturausstattung unterscheiden sich die Transformationslander dennoch erheblich von den Schwellenlandern, weshalb sie meist gesondert ausgewiesen werden. In der Regel weisen sie im Vergleich zu den asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenlandern ein deutlich hoheres Niveau bei verschiedenen Sozialindikatoren auf (z. B. Bildung, Gesundheitsversorgung). Ein grundlegender Unterschied besteht daruber hinaus in den Ursachen und im Verlauf des Industrialisierungsprozesses. Nicht der Industrialisierungsprozess an sich steht im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Modernisierung der industriellen Strukturen. Der Industrialisierungsgrad dieser Staaten entsprach zu Beginn der Transformation dem der westlichen Industrienationen, teilweise ubertraf er ihn sogar. Die Transformation setzte zunachst mit einem dramatischen okonomischen und in der Folge auch sozialen ?Transformationsschock“ ein.
Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch gab es fur einige Staaten weitere Ruckschlage, so dass sich vor allem in okonomischer Sicht Indikatoren fur echte Entwicklungslander ergeben. Oftmals hangt das auch mit einem politisch begrundeten Reformunwillen (
Belarus
,
Ukraine
) zusammen. Ebenfalls als echte Entwicklungslander sind die zentralasiatischen und transkaukasischen
GUS
-Staaten einzustufen, z. B.
Aserbaidschan
und
Usbekistan
.
Bei einigen vormals planwirtschaftlich organisierten Entwicklungslandern fallen Transformationsprozess und
Industrialisierung
zusammen, so dass sie
durch
den Transformationsprozess zu Schwellenlandern werden; dies gilt fur die (ehemals) kommunistischen Staaten Sudostasiens, v. a. fur
Vietnam
, zukunftig moglicherweise auch fur
Laos
und
Kambodscha
(siehe auch
Fluggansemodell
).
In Plan- bzw. Zentralverwaltungswirtschaften werden bzw. wurden Preise vielfach durch politisch motivierte Entscheidungen festgesetzt, z. B. die außerst niedrigen Preise fur Wohnraum und Grundnahrungsmittel. Um den marktwirtschaftlichen Prozess der
Preisbildung
in Gang zu setzen, werden im Zuge des Transformationsprozesses Preisbindungen aufgehoben; da es sich bei den festgesetzten Preisen i. d. R. um Preise unterhalb des Marktraumungsniveaus handelte, fuhrte die Preisliberalisierung meist zu einem deutlichen Preisanstieg. In der Anfangsphase des Transformationsprozesses fuhrte dies in vielen Landern zu
Hyperinflation
mit Inflationsraten von z. T. mehreren hundert Prozent, z. B.:
- in Polen: 585 % (1990)
- in Bulgarien: 334 % (1991)
- in Rumanien: 210 % (1992)
Damit Unternehmen ihre Entscheidungen am Markt und an erzielbaren Gewinnen orientieren konnen, mussen sie von Planvorgaben befreit und ihre wirtschaftliche Autonomie gestarkt werden.
Neben der
Inflation
infolge der Preisliberalisierung sorgten auch
Wahrungssubstitution
und der Verfall des Außenwertes der Wahrungen vieler Transformationslander fur geld- und wahrungspolitische Ungleichgewichte, denen durch Maßnahmen wie die Errichtung einer unabhangigen
Zentralbank
oder eines
Currency board
begegnet wurde.
Ein weiteres Stabilitatsproblem stellte die rapide steigende Staatsverschuldung dar, weil gleichzeitig Steuereinnahmen wegbrachen und die sozialen Transformationsprobleme zu erhohten Staatsausgaben fuhrten.
Um einen marktgesteuerten wettbewerblichen
Allokationsprozess
in Gang zu setzen, wurden staatliche Monopole aufgebrochen und Unternehmensneugrundungen zugelassen bzw. gefordert. Die meisten staatlichen Unternehmen wurden privatisiert, wobei unterschiedliche Formen der Privatisierung zur Anwendung kamen:
- der Verkauf an (meist auslandische) Investoren
- die Ausgabe von Anteilsscheinen an die Bevolkerung (?Coupon-Privatisierung“), z. B. in großerem Umfang in der Tschechischen Republik
- der Verkauf an vormalige Manager
Neben einer Liberalisierung des Außenhandels, z. B. der Abschaffung eines staatlichen Außenhandelsmonopols, wurde auch der Kapitalverkehr erleichtert, indem
Kapitalverkehrskontrollen
abgeschafft, eine
konvertible
Wahrung eingefuhrt und
Direktinvestitionen
zugelassen wurden.
Neben festgelegten Preisen und Planvorgaben behinderten eine Vielzahl von Vorschriften die Entstehung von Markten fur Guter, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital; zugleich fehlte jedoch ein wettbewerbspolitisches Instrumentarium, um die erneute Entstehung von Monopolen zu verhindern.
Die Aufgabe einer vormaligen Beschaftigungsgarantie und die Deregulierung der Arbeitsmarkte fuhrte dazu, dass die in vielen Planwirtschaften bestehende verdeckte Unterbeschaftigung in offene Arbeitslosigkeit umschlug. Dies machte die Einfuhrung marktkompatibler arbeitsmarktpolitischer Instrumente, z. B.
Arbeitslosenversicherung
,
Arbeitsvermittlung
, erforderlich.
Im Vergleich zu anderen Transformationsokonomien wurde die Marktwirtschaft in
Ostdeutschland
besonders
rasch
eingefuhrt. Wahrend die osteuropaischen Lander eine Ubergangs- und Experimentierphase in Form der
Schattenwirtschaft
erlebten, herrschte in Deutschland eine politische Zielsetzung vor, die die Angleichung an westdeutsche Standards und eine umfassende Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe ohne Rucksicht auf die alten okonomischen
Eliten
vorantrieb. Diese verscharften
Modernisierungs
- und
Wettbewerbsbedingungen
fuhrten jedoch nicht zu der erhofften Strukturangleichung. Im Nachhinein wird deutlich, dass die ostdeutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen Transformationsokonomien weder schneller noch besser in Gang gekommen ist, sondern nachhaltig von einer Industriekrise betroffen ist.
[2]
Die Privatisierungspolitik der
Treuhandanstalt
, die in einem Zeitraum von funf Jahren etwa 15.000 Betriebe privatisierte und letztlich 10.000 Unternehmenseinheiten auf dem Markt fur Unternehmenskontrolle anbot, stellte die Weichen fur einen umfassenden Austausch der alten
Nomenklatura
. Nur ca. eine von vier Unternehmenseinheiten ging in den Besitz ostdeutscher Personen oder Unternehmen uber. Aus sozialistischen
Managern
sind daher in den meisten Fallen ? und im Gegensatz zum Transformationsprozess in anderen osteuropaischen Landern ? keine
Eigentumer
geworden.
Dass es trotzdem nicht zu der vielbeschworenen ?Kolonialisierung“ der ostdeutschen Wirtschaft durch westdeutsches
Kapital
gekommen ist, kann auf eine Vielzahl regionaler Neugrundungen ostdeutscher Unternehmer zuruckgefuhrt werden. Bezieht man auch die kleinen Unternehmen in die Rechnung mit ein, so waren 1999 nur 11 % aller ostdeutschen Unternehmen in westdeutschem Besitz. Auch die stark reduzierte Zahl der Positionen im mittleren Management konnte weiterhin weitgehend von ostdeutschen Fuhrungskraften besetzt werden. In den großen
Konzernen
und unter
Großaktionaren
sind Ostdeutsche jedoch stark unterreprasentiert.
[3]
Die
soziale Herkunft
der neuen ostdeutschen Eliten offenbart Tendenzen, die als Ergebnis eines Selektionsprozesses gesehen werden konnen, der den Aufstieg in Fuhrungspositionen begunstigte. Die neuen Top-Manager hatten vor der
Wiedervereinigung
meist Leitungspositionen im mittleren Management der
Kombinate
und konnten nach der Wende teils betrachtliche Positionsaufstiege erzielen. Im
industriellen Sektor
werden diese Stellen beispielsweise von mannlichen
Akademikern
besetzt, die im Schnitt zwischen 45 und 50 Jahre alt sind und naturwissenschaftliche oder technische Bildungsabschlusse haben. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Ostdeutschland nicht sonderlich von anderen Transformationsokonomien.
[4]
Was
Alter
,
Bildungsstand
und
Geschlecht
betrifft, so kann man keinen ostdeutschen ?Sonderweg“ in der Rekrutierung okonomischer
Positionseliten
erkennen. Wahrend jedoch in Osteuropa die alten Eliten haufig auch die neuen Eliten stellten, gab es ? aufgrund der Wiedervereinigung ? eine derartige Kontinuitat in Ostdeutschland nicht:
?1993 entstammten in Russland 51 Prozent der neuen Elite der alten Nomenklatur, in Polen waren es 40 Prozent, in Ungarn immerhin noch 33 Prozent. Am starksten zeigt sich diese Kontinuitat im Wirtschaftssektor, wo 1993 in Russland 53 Prozent, in Polen 51 Prozent und in Ungarn immerhin noch 35 Prozent der neuen okonomischen Eliten aus der alten Wirtschaftselite kamen. Die Wiedervereinigung verhinderte fur Deutschland eine solche Elitenkontinuitat. Die neuen oder frei gewordenen Positionen gingen an Angehorige der fruheren Subeliten [? mittleres Management] oder an Westmanager, nicht jedoch an die alten Eliten.“
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