Tourenwagen (Automobilbauart)

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Adler 24/28 PS Tonneau (1908) mit optionalem, festen "Surrey"-Dach
Rolls-Royce 40/50 h.p. ("Silver Ghost") Tourenwagen (1912)
Chevrolet Independence Series AE Phaeton (1931)
Wetterschutz an einem Chevrolet 490 Touring von 1922

Der Tourenwagen ist eine Automobilbauart, die von Anfang des 20. Jahrhunderts bis Mitte der 1930er-Jahre verbreitet war. Im Vereinigten Konigreich wurde er auch (four door) open tourer , in Frankreich Double Phaeton und spater Phaeton und in den USA touring oder touring car genannt. Die Bezeichnung kam ab den 1920er Jahren aus der Mode und die Unterschiede zu den sportlicheren Phaeton und Torpedo verwischten sich.

Ein Tourenwagen war fur langere Reisen geeignet ? daher der Name ? und hatte einen offenen Aufbau mit ublicherweise vier bis sieben Sitzplatzen in zwei Reihen, die direkt uber seitliche Turen zuganglich waren. Es sind auch Varianten mit drei Sitzreihen und neun bis zehn Platzen bekannt, wobei die mittlere Reihe dann aus zwei Einzelsitzen mit Durchgang bestand. Eine technische Voraussetzung waren Pressstahlfahrgestelle, um diesen Aufbauten fur die Anbringung seitlicher Turen ausreichend Festigkeit zu geben. Fruhe Versionen wurden im englischen Sprachgebrauch auch side entrance touring genannt, um sie vom Tonneau mit seinem Heckeinstieg zu unterscheiden.

Bis zur Mitte der 1920er-Jahre war der Tourenwagen neben dem Roadster die haufigste Automobilbauart. Erst dann kamen in großerem Umfang geschlossene Limousinen und Coupes auf, die zur Unterscheidung vom Tourenwagen anfangs auch als Innenlenker bezeichnet wurden.

Im Unterschied zur Limousine, Cabriolimousine oder vierturigem Cabriolet ( Convertible Sedan , Berline transformable ) hatte der Tourenwagen keine B- und C-Saulen und keine Seitenscheibenrahmen. Vordere Turen kamen erst ab ca. 1912 auf. Diese Ausfuhrung wurde in den USA anfangs fore door touring genannt. Die ersten Versionen hatten keine Windschutzscheiben , danach wurden senkrecht oder fast senkrecht stehende Scheiben, in der Regel umklappbar, eingebaut. Tourenwagen haben ein leichtes, in der Regel ungefuttertes Stoffverdeck. Zusatzlichen Wetterschutz bieten entweder Seitenteile aus Stoff mit Sehschlitzen, die am Verdeck und an der Karosserie beziehungsweise Tur angeknupft werden, oder, bei spateren Ausfuhrungen, Seitenscheiben, die wie beim Roadster eingesteckt werden. Teure Ausfuhrungen haben manchmal eine hintere, zusatzliche Tonneau-Windschutzscheibe , die mit kompliziertem Klappmechanismus hinter die Ruckenlehne der vorderen Sitzbank geschwenkt werden kann.

Spezielle Bauformen des Tourenwagens (Beispiele)

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Britischer Alldays & Onions 5 HP Swing Seat Tourer (1905). Der Hebel zum Entriegeln des schwenkbaren Beifahrersitzes ist erkennbar
Corbin 4-pass. Runabout (USA, 1908). Diese Bauform wird auch Tourabout genannt
Ein seltener Roi-des-Belges Touring mit vorderen Turen: Talbot Type 6AS (1910)
Panhard & Levassor Typ X19 Skiff mit geschwungenen Kotflugeln, karossiert vom Spezialisten Jean Henri-Labourdette (1912)
Duesenberg Model J Derham Tourster auf langem Radstand mit zweiter Windschutzscheibe (1933)
Duesenberg Model J Derham Tourster, Heckansicht (1933)
  • Swing Seat Touring : Diese nur in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts verwendete Bauform ist eine Zwitterform zwischen Tonneau und Touring. Das Fahrzeug hat keine hinteren Turen. Der Wagenfond wird durch Wegschwenken eines Vordersitzes zuganglich ? ublicherweise des Beifahrersitzes nach außen ?, wodurch eine Offnung freigegeben wird.
  • Roi-des-Belges , King Leopold , Tulipe : Sie ist nach dem ersten Auftraggeber einer solchen Karosserie benannt, Konig Leopold II. von Belgien. Die Karosserieflanken sind doppelt gewolbt und bilden so eine Tulpenform. In der Regel ist die hintere Sitzbank leicht erhoht. Roi-des-Belges kamen nach 1910 aus der Mode. Sie hatten haufig noch keine vorderen Turen.
  • Close-Coupled : Hintere Sitzbank etwas nach vorn verschoben; dadurch sind die Passagiere im Tonneau naher bei den vorderen Mitreisenden. Zudem wird am Heck mehr Platz frei fur das Gepack.
  • Skiff : zwei- bis funfsitzige, offene Karosserie in Bootsform aus Holz; gebaut nach den Prinzipien des Schiffbaus. Die Kotflugellinie verlauft oft wellenformig; gebaut zwischen 1912 und ca. 1925.
  • Fore-Door Touring (USA): Fruhe Fahrzeuge (nicht nur Tourenwagen) hatten vorn keine Turen. Sie setzten sich ab etwa 1910 durch. In der Ubergangszeit versahen viele Hersteller ihre neuen Modelle mit vorderen Turen zur Unterscheidung von den altmodischeren mit dieser Bezeichnung. Nachdem die vorderen Turen allgemein ublich geworden waren, verschwand auch dieser Begriff wieder.
  • Fore-Seat Touring : Bei Konstruktionen mit Heck- oder Unterflurmotor ergab sich die Moglichkeit, in die vordere Spritzwand eine Sitzbank zu integrieren. Nach dem Offnen des zweiteiligen Deckels wurde sie zuganglich, wobei dessen oberer Teil die Ruckenlehne und der untere Trittbrett und Beinstutze bildete. Oft ließ sich eine Decke anbringen, die den Passagieren auf diesem zugigen Sitz wenigstens von der Hufte abwarts einen notdurftigen Schutz vor Wind und Wetter bot.
  • Three-Door Touring (USA): Als ab etwa 1912 Karosserien mit vorderen Turen anstelle von Durchgangen aufkamen, verzichtete man oft auf eine Fahrertur, die sich wegen des außen angebrachten Schalt- und Handbremshebels kaum hatte offnen lassen. Der Fahrersitz war uber die Tur auf der Beifahrerseite zuganglich. Als ab der zweiten Halfte der 1910er-Jahre erst kleinere, innenangebrachte Bedienungshebel ublich wurden und die Schaltung bald in die Wagenmitte ruckte, verschwand diese Variante.
  • Salon Touring mit Durchgang zur vordersten Sitzbank; selten auch ohne direkten Zugang zur vordersten Sitzreihe. [1]
  • Tourabout : Leichte und besonders sportliche Ausfuhrung fur in der Regel vier bis funf Personen. Die Bezeichnung kam nach 1910 aus der Mode, so dass solche Fahrzeuge haufig noch keine vorderen Turen hatten. Je nach Karossier waren auch hinten keine Turen vorgesehen. Der Begriff uberschneidet sich mit dem Toy Tonneau . [2]
  • Tourster : Wortbildung aus ?Touring“ und ?Roadster“. Diese modernere Bezeichnung des Tourabout lasst sich ab den spaten 1910er Jahren nachweisen (z. B. bei Auburn ). Die Karosserie des Toursters ist schmaler als jene des normalen Touring beziehungsweise Phaeton und in der Regel kurzer. Der Tourster ist typischerweise 4-sitzig und 4-turig. [3] Auch Roadster wurden zwar oft 3- oder 4-sitzig angeboten, waren aber zweiturig. Der Begriff Tourster uberschneidet sich mit dem Torpedo , gelegentlich finden sich auch die Bezeichnungen Foursome oder Sport model . Zu den letzten und bekanntesten Toursters gehoren die bei Derham in den fruhen 1930er Jahren auf dem langen Duesenberg -Fahrgestell aufgebauten Exemplare nach einem Entwurf von Gordon Buehrig . [4]
  • Convertible Touring : Touring mit vier Turen, versenk- oder abnehmbaren Seitenscheiben und Verdeck [1] ; daraus entstanden das All Weather Phaeton mit erweitertem Wetterschutz [5] und der Convertible Sedan (in Deutschland und Frankreich: Cabriolet, vierturig).
  • Convertible Sedan : Salon Touring mit abnehmbarem, festem Dach. [1] Das Dach wurde man heute als Hardtop bezeichnen. Diese Bauform setzte sich nicht durch und der Begriff wurde danach fur ein konventionelleres Fahrzeug verwendet (siehe oben).
  • Open Sedan : Touring mit nicht abnehmbarem, festem Dach und abnehmbaren Scheiben. [1] Das Dach fiele heute ebenfalls unter den Begriff Hardtop . Begriff und Bauform setzten sich nicht durch. [1]
  • Open Limousine : Touring mit nicht abnehmbarem festen Dach und abnehmbaren Scheiben. [1] Auch dieses Dach hieße heute Hardtop . Begriff und Bauform setzten sich nicht durch. Zu beachten ist, dass die Limousine zu dieser Zeit definiert wurde mit offenem Chauffeurabteil (aber festem Dach), geschlossenem Passagierabteil und Trennscheibe. Eine Chauffeur-Limousine nach heutigem Verstandnis (rundum geschlossen, Trennscheibe) ware damals als Berline , Conduite-Interieur beziehungsweise Enclosed-drive Limousine bezeichnet worden. [1] [5]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die offenen Tourenwagen nur noch zum Gebrauch beim Militar oder bei der Polizei , wobei diese Fahrzeuge Kubelwagen genannt wurden und im Allgemeinen Seitenfenster aus Weichkunststoff hatten.

  • George Hildebrand (Hrsg.): The Golden Age of the Luxury Car - An Anthology of Articles and Photographs from Autobody. 1927?1931. Dover Publications, 1980, ISBN 0-486-23984-5 .
  • Hugo Pfau: The Coachbuilt Packard. Dalton-Watson, London; Motorbooks International, Minneapolis 1973, ISBN 0-901564-10-9 .
  • Lawrence Dalton: Those Elegant Rolls Royce. uberarbeitete Auflage. Dalton-Watson Publishers, London 1978.
  • Lawrence Dalton: Rolls Royce - The Elegance Continues. Dalton-Watson Publishers, London, ISBN 0-901564-05-2 .
  • Nick Walker: A?Z of British Coachbuilders, 1919?1960. Bay View Books, Bideford, Devon, UK 1997, ISBN 1-870979-93-1 .
  • Beverly Rae Kimes (Hrsg.), Henry Austin Clark jr.: The Standard Catalogue of American Cars 1805?1942. 2. Auflage. Krause Publications, Iola WI 1985, ISBN 0-87341-111-0 .
  • G. N. Georgano (Hrsg.): Complete Encyclopedia of Motorcars, 1885 to the Present. 2. Auflage. Dutton Press, New York 1973, ISBN 0-525-08351-0 .
  • Beverly R. Kimes (Hrsg.): Packard, a history of the motor car and the company. General edition. Automobile Quarterly, 1978, ISBN 0-915038-11-0 .
  • Mark A. Patrick (Hrsg.): Packard Motor Cars 1935?1942 Photo Archive. Iconographix Osceola WI 1996, ISBN 1-882256-44-1 .
  • Don Butler: Auburn Cord Duesenberg. Crestline Publishing Co., Crestline Series. 1992, ISBN 0-87938-701-7 .
  • Jon M. Bill: Duesenberg Racecars & Passenger Cars Photo Archive. Auburn Cord Duesenberg Museum (Hrsg.). Iconografix, Hudson WI, ISBN 1-58388-145-X .
  • A-C-D-Museum (Hrsg.): 19th Annual Auburn Cord Duesenberg Festival; Official Souvenir Book. Broschure zur Eroffnung des Auburn Cord Duesenberg Museums ins Auburn, Indiana (USA) am Labor Day Weekend 1974.
Wiktionary: Tourenwagen  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g New York Times: Karosseriebezeichnungen gemass SAE (1916)
  2. Kimes, Clark: Standard Catalog of American Cars 1805?1942. 1985, S. 895
  3. Butler: Auburn Cord Duesenberg. 1992, S. 107.
  4. Butler: Auburn Cord Duesenberg. 1992, S. 304.
  5. a b coachbuilt.com: Terminology