Dieser Artikel befasst sich mit dem
Tourenwagen
im Motorsport. Die fruhere
Automobilbauart Tourenwagen
findet sich unter
Tourenwagen (Automobilbauart)
.
Als
Tourenwagen
bezeichnet man Personenkraftwagen aus Großserienproduktion, die in modifizierter Form zu
Automobilrennen
eingesetzt werden. Hierzu zahlen sowohl
Stufenheck
-
Limousinen
als auch Steilheck-Limousinen mit vier Turen. Außerdem sind teilweise je nach Reglement zweiturige Coupes erlaubt. Sie mussen aber ?zum normalen Verkauf an die Kundschaft bestimmt“ sein (Originaltext des
ISG
).
Ein gerne verwendetes Synonym ist Produktionswagen. Diese werden von den bekannten Autoherstellern in erster Linie fur den Massenmarkt und die regulare Teilnahme am Straßenverkehr in großen Stuckzahlen gebaut. Mit den notwendigen Sicherheitseinrichtungen (Uberrollkafig, Feuerloscher, ggf. Hosentragergurte, Hauptschalter) konnen diese Autos im Motorsport eingesetzt werden, in einigen wenig riskanten Wettbewerben wie
Automobil-Slalom
und
Gleichmaßigkeitsprufungen
(GLP) auch in unveranderter Form.
Wichtigste Grundlage fur eine Anerkennung in den weiter unten genannten Fahrzeugklassen ist die von der
FIA
dokumentierte
ECE-Homologation
im FIA-Regelwerk.
Die Internationalen Fahrzeugklassen sind (beginnend mit den seriennachsten):
alle wiederum unterteilt nach Hubraum.
Zusatzlich gibt es in jedem Land nationale Fahrzeugklassen. In Deutschland sind das
Die Gruppen F und H werden wieder nach Hubraum eingeteilt. Wenn bei einem Auto Anderungen (Tuningmaßnahmen) durchgefuhrt (und im
DMSB
-Wagenpass deklariert) wurden, die die erlaubten ubersteigen, kann es vielfach in der nachsthoheren Gruppe gewertet werden.
Aufbauend auf den Basis-Klassen existieren zudem spezifische Klassen, die auf Grundlage der Basis-Klassen mit einem Zusatz-Kit erweitert werden. So baut zum Beispiel das Reglement der
TC2
(
Super 2000
) auf dem Gruppe-A-Reglement auf.
Zur Saison 2014 fuhrte die FIA ein neues Reglement inklusive neuer Klassen-Einteilung in die Klassen
TC1
,
TC2
und
TCR
ein.
TC
steht dabei fur den englischen Begriff
touring car
.
[1]
Seit der Saison 2018 wird nur noch das TCR-Reglement international ausgeschrieben.
[2]
- Tourenwagen, die das zwischen 2014 und 2017 geltende Reglement der
Tourenwagen-Weltmeisterschaft
(WTCC) erfullten, werden als
TC1
bezeichnet. Ab 2015 waren ausschließlich TC1-Fahrzeuge fur die Tourenwagen-Weltmeisterschaft zugelassen. Die Einfuhrung des Reglements wurde ab 2011 von
Marcello Lotti
, dem Promoter der Tourenwagen-Weltmeisterschaft, konzipiert.
[3]
Das Reglement war uber vier Jahre gultig in der WTCC. Danach wechselte man auf das gunstigere
TCR
-Reglement und uberfuhrte die Tourenwagen-Weltmeisterschaft in den
Tourenwagen-Weltcup
(WTCR).
[2]
- Tourenwagen, die nach dem von 2002 bis 2014 in der Tourenwagen-Europa- und Weltmeisterschaft gultigen Super-2000-Reglement aufgebaut sind, werden als
TC2
bezeichnet.
[1]
TC2-Fahrzeuge kamen noch bis 2015 z. B. im
European Touring Car Cup
zum Einsatz. Danach wurde auch dort bis zur Einstellung der Rennserie Ende 2017 auf das TCR-Reglement gewechselt.
- In die Klasse
TCR
werden Tourenwagen eingestuft, die nach einem relativ serienahen Reglement aufgebaut sind (z. B. Markenpokalfahrzeuge) und uber eine
Balance of Performance
(BoP) nivelliert werden.
[4]
Hieruber sollen alle Fahrzeuge auf ein konkurrenzfahiges Leistungsniveau gebracht werden. Die TCR-Klasse greift damit das Konzept der
GT3
-Klasse im Tourenwagensport auf. Der ursprungliche Name dieser Klasse war daher
TC3
, jedoch sollte die Nummerierung auf keine vorgefasste Hierarchie hindeuten, weshalb die Bezeichnung TCR gewahlt wurde.
[1]
Seit 2015 gibt es mehrere nationale TCR-Rennserien sowie eine internationale Meisterschaft, die
TCR International Series
. Von der FIA ist dieses Reglement seit 2016 als
TCN-2
Klasse international ausgeschrieben. Zwischen 2016 und 2017 waren diese Fahrzeuge fur den FIA
European Touring Car Cup
zugelassen.
[5]
Nach der Fusion der
Tourenwagen-Weltmeisterschaft
und der TCR International Series zum FIA
Tourenwagen-Weltcup
zur Saison 2018 wird nur noch dieses Reglement fur Tourenwagen weltweit von der FIA ausgeschrieben.
[2]
Aus Marketinggrunden werden teilweise auch
Silhouetteprototypen
als Tourenwagen bezeichnet. Hierbei handelt es sich um speziell fur den Einsatz auf der Rennstrecke konstruierte
Prototypen
. Diese besitzen meist ein
Chassis
aus einer Gitterrohrrahmen-Struktur und haben eine aufgesetzte Silhouette, die nur noch aus Marketinggrunden Ahnlichkeiten mit einem Modell aus der Serienproduktion aufweist. Da die Definition, dass es sich bei einem Tourenwagen um einen fur den Motorsport modifizierten Personenkraftwagen aus der Großserienproduktion handelt, nicht zutrifft, gilt fur Silhouetteprototypen der Artikel 251 im Anhang J des internationalen Sportgesetzes der FIA: ?Ausschließlich zu Wettbewerbszwecken einzeln gebaute Fahrzeuge“.
Ein Problem jedes Tourenwagen-Reglements ist die Nivellierung der einzelnen Fahrzeugkonzepte. Da Tourenwagen auf Großserienfahrzeugen basieren, kann sich die motorsportliche Eignung der Fahrzeuge stark voneinander unterscheiden, da Großserienautos nicht ausschließlich im Hinblick auf die fahrdynamischen Eigenschaften konzipiert werden. Bei der Entwicklung eines Großserienfahrzeugs werden auch Anforderungen an die Raumausnutzung des Innenraums, an die Wirtschaftlichkeit oder an die Produktionskosten gestellt. Diese konnen sich kontraproduktiv fur den Einsatz im Motorsport auswirken, wodurch sich aufgrund des Basisfahrzeugs schon erhebliche Leistungsunterschiede auf der Rennstrecke einstellen konnen. Da Silhouetteprototypen nicht auf der technischen Basis eines Großserienfahrzeugs aufbauen, konnen hier motorsportliche Nachteile großtenteils egalisiert werden. Außerdem konnen durch die großere Moglichkeit zur Verwendung von Gleichteilen die Entwicklungskosten verringert und die Chancengleichheit erhoht werden.
Silhouetteprototypen finden unter anderem Anwendung im
Klasse-1
-Reglement der
DTM
, in der ehemaligen
V8-Star
-Serie und in der US-amerikanischen
NASCAR Cup Series
.
Neben den Tourenwagen existieren noch weitere Rennwagen, die technisch von einem Fahrzeug aus der Serienproduktion abstammen und fur den Einsatz im Motorsport modifiziert werden.
- Gran Turismo
: Im Gegensatz zu Tourenwagen basieren diese
GT
-Fahrzeuge auf Sportwagen und Coupes, die zwei Sitze haben und meist in kleinerer Stuckzahl produziert werden. Diese Fahrzeuge sind oft schon in der Serienkonfiguration starker auf die fahrdynamischen Eigenschaften ausgelegt. Es kann vorkommen, dass von einem Coupe als Basisfahrzeug sowohl ein Rennwagen nach einem Tourenwagenreglement als auch nach einem GT-Reglement aufgebaut werden kann. Eine Sonderstellung nehmen hier die Silhouetteprototypen ein: Fahrzeuge die nach dem gleichen Reglement aufgebaut sind, konnen je nach Marketing der Rennserie als Tourenwagen oder als Gran Turismo bezeichnet werden. Dies kommt zum Beispiel bei dem Klasse-1-Reglement vor, bei dem die Fahrzeuge in der DTM als Tourenwagen und in der japanischen
Super GT
als Gran Turismo bezeichnet werden.
- Rallyefahrzeug
: Der Unterschied zwischen Tourenwagen und
Rallyefahrzeugen
liegt im Wesentlichen an den spezifischen Modifikationen fur den Einsatz auf der Rund- bzw. Rallyestrecke. Mit dem Super-2000-Reglement existiert zudem ein Reglement, das in den Grundzugen fur Tourenwagen und Rallyefahrzeuge identisch ist, sich aber in den Bereichen Fahrwerk und Antriebsstrang deutlich voneinander unterscheidet. Im Allgemeinen eignen sich fur den Einsatz auf der Rallyestrecke meist kompaktere Fahrzeuge. Teilweise werden auch bestehende Rallyefahrzeuge fur den Einsatz auf der Rundstrecke umgerustet, so wie zum Beispiel fur das
24-Stunden-Rennen auf dem Nurburgring
.
Die erste Tourenwagen-Rallye Deutschlands wurde im Jahr 1905 von
Sir Hubert von Herkomer
organisiert. Diese sogenannten
Herkomer-Konkurrenzen
wurden bis 1907 ausgetragen und galten als Zuverlassigkeitsprufungen fur Automobile, wodurch dieser neue Sport in Deutschland popular wurde. Der Sieger der Rallye bekam den Herkomer-Preis verliehen, der von dem Kunstler selbst kreiert und aus purem
Sterlingsilber
geschaffen war. Noch bis in die Gegenwart gilt diese 40 kg schwere Trophae mit dem Siegerbildnis als der wertvollste private Automobilpreis der Welt.
Bis 1981 waren die viersitzigen Wagen im FIA-Regelwerk in die
Gruppe 1
,
Gruppe 2
und
Gruppe 5
(aufsteigende Tuningstufe) eingeteilt.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war die große Zeit der Tourenwagenrennen. Dies entstand wegen der Konkurrenzsituation Alfa-Romeo (GTA, GTAm) zu BMW (
1800 TI/SA
, 1602, 2002) und Ford (Lotus Cortina, Escort Twin Cam) bei den Wagen bis zwei Liter Hubraum und BMW (CSL) zu Ford (Capri RS) bei den hubraumstarkeren Fahrzeugen. Es gab eine heiß umkampfte und sehr populare ?Tourenwagen-Europameisterschaft“, deren spektakularstes Rennen die
6 Stunden fur Tourenwagen
auf der Nurburgring-Nordschleife war.
Hubert Hahne
gelang es am 6. August 1966 im Rahmenprogramm des Großen Preises von Deutschland als erstem Fahrer, auf seinem Werks-BMW 2000 TI die Nordschleife im Rennen mit einem Tourenwagen unter 10 Minuten (9:58,5 Minuten) zu umrunden.
Durch die gemessen an heutigen Rennwagen relative Seriennahe konnten auch reine Privatteams noch konkurrenzfahig teilnehmen und zogen damit Zehntausende Fans zu den Strecken. Dazu kam, dass zu dieser Zeit die
Fahrerlager
und die Fahrer meist mehr oder weniger zuganglich waren. Man konnte durchaus am Nurburgring am Morgen des 6-Stunden-Rennens in der Gaststatte unter der Haupttribune mit Rennstars am gleichen Tisch sitzen und sich unterhalten.
Daruber hinaus gab es noch die alte, sehr straßenahnliche Strecke der Nordschleife ohne jegliche
Auslaufzonen
(bis 1973). Aber es gab auch Baume an der Strecke, die manchem zum Verhangnis wurden. Fur die Zuschauer war die Nahe zur Strecke ein starker Magnet.
Diverse ?Ringschlachten“ sind legendar. Erinnert sei an Namen wie Hubert Hahne, Eugen Boehringer,
Dieter Quester
, Sir John Whitmore,
Andrea de Adamich
,
Jacky Ickx
,
Jochen Mass
und
Hans-Joachim Stuck
. Aber auch
Peter Lindner
(Jaguar Mk II) ist unvergessen, der 1964 mit seinem Jaguar E-Type in Montlhery todlich verungluckte. Er lieferte sich Duelle mit
Eugen Boehringer
auf Mercedes 300 SE.
In den 1980er-Jahren wurde die DTM bzw. die
Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft
popular, in der seriennahe Fahrzeuge wie
BMW M3
,
Mercedes 190
,
Ford Sierra
,
Opel Kadett
,
Audi V8
usw. eingesetzt wurden. Diese Autos hatten eine normale Blechkarosse, alle Anderungen mussten vorher genehmigt (nach FIA
Gruppe A
homologiert) werden.
Ab 1993 wurden in der DTM jedoch so genannte
Klasse-1
-Fahrzeuge eingesetzt, die nur außerlich den Serienwagen glichen. Insbesondere bei der heutigen
DTM
handelt es sich um reinrassige Rennwagen, denen eine Plastikhulle aufgesetzt wurde. Fur diese trifft die Definition des Artikels 251 im Anhang J des
Internationalen Sportgesetzes
der FIA zu: ?Ausschließlich zu Wettbewerbszwecken einzeln gebaute Fahrzeuge“. Man konnte sie auch als
Tourenwagenprototypen
bezeichnen.
Ab 1990 entwickelte man in der
BTCC
ahnlich wie in Deutschland ein Nachfolgereglement fur die Gruppe-A-Tourenwagen. Anders als in Deutschland entstand hier wieder ein seriennahes Reglement der
Supertourenwagen
, das ab 1994 von der FIA international als Klasse-2-Reglement ausgeschrieben wurde. Viele nationale Meisterschaften trugen hiernach ihre Rennen aus. Im
Super Tourenwagen Cup
wurde dieses Reglement auch in Deutschland angewandt.
Seit 2002 schreibt die FIA das Super-2000-Reglement, als Nachfolger fur die Supertourenwagen, international aus, das fur die
Tourenwagen-Europameisterschaft
(ETCC) entwickelt wurde und 2005 in die
Tourenwagen-Weltmeisterschaft
(WTCC), die ihre Rennen weltweit austragt, uberging.
Im Breitensport werden auf der
Nurburgring
-
Nordschleife
in
VLN
,
RCN
und
24h-Rennen
eine Vielzahl von Tourenwagen aus der Großserienproduktion eingesetzt, da diese besonders als Gebrauchtfahrzeuge kostengunstig zu erwerben sind.
- Anmerkung
- ↑
Seit 2021 werden keine Tourenwagen, sondern Sportwagen, die dem
GT3-Reglement
entsprechen, eingesetzt.
- ↑
a
b
c
Stefan Ziegler:
Neue Kategorie-Namen ab 2014: TC1, TC2 und TC3.
Motorsport-Total.com, 21. November 2013,
abgerufen am 22. Marz 2015
.
- ↑
a
b
c
Markus Luttgens & Jack Cozens:
Wechsel zum TCR-Reglement: WTCC verliert WM-Status.
Motorsport-Total.com, 6. Dezember 2017,
abgerufen am 30. Dezember 2017
.
- ↑
Stefan Ziegler:
Das neue WTCC-Reglement: Wie alles begann.
Motorsport-Total.com, 8. August 2014,
abgerufen am 22. Marz 2015
.
- ↑
Markus Luttgens:
FIA gibt grunes Licht: Aus TC3 wird TCR.
Motorsport-Total.com, 7. Dezember 2014,
abgerufen am 22. Marz 2015
.
- ↑
Neil Hudson:
FIA confirms TCR cars for TCN-2 and eligibility to compete in ETCC.
touringcartimes.com, 30. September 2015,
abgerufen am 24. Marz 2016
.