Tofet

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Tofet ( hebraisch ?????? , plur. Tephatim) bezeichnen einige Stellen im Tanach , der hebraischen Bibel , bestimmte Platze, wo die fruheren Kanaaniter religiose Kinderopfer ausgefuhrt haben sollen. [1]

An anderen Bibelstellen bedeutet der Ausdruck ?Gespei“, ?Gespott“, ?Grauel“ oder ?Schande“. Er erscheint jeweils in Kontexten, die den Glauben der Israeliten an JHWH von vorisraelitischen Kulten abgrenzen. Daraus ergab sich das Forschungsproblem, ob in diesen Kulten und der fruhen Religion Israels solche Opfer real praktiziert wurden, gegebenenfalls bis wann und wie weit sie verbreitet waren.

Tofet in Karthago
Theoretische Rekonstruktion des Tophet von Sulkis - Sardinien

Sprachliche Herkunft

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die etymologische Herleitung und ursprungliche Bedeutung des Wortes sind ungewiss. Die Konsonantenfolge erscheint auch in anderen semitischen Sprachen (phnitisch: molk) mit der wahrscheinlichen Bedeutung ?Speichel“, ?Auswurf“. Manche Forscher sehen es als verwandt mit dem syrisch - aramaischen ???????? ( tephaya , ?Kochherd“) an. [2] Dann bedeutete es ursprunglich ?Feuerstelle“.

Die masoretische Vokalisierung gleicht der von Worten wie boschet (?Schande“) und molech . Dies konnte eine verachtende Wertung ausdrucken. [3]

Biblischer Kontext

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Ausdruck erscheint einmal im Deuteronomistischen Geschichtswerk im Zusammenhang einer Kultreform des Konigs Joschija (640 bis 609 v. Chr.), der die noch ubrigen kanaanaischen Kultstatten zerstoren oder unbrauchbar machen ließ ( 2 Kon 23,10  EU ):

?Ebenso machte er das Tofet im Tal der Sohne Hinnoms unrein, damit niemand mehr seinen Sohn oder seine Tochter fur den Moloch durch das Feuer gehen ließ.“

Die Wendung ?durch das Feuer gehen“ wird als rituelles Verbrennen gedeutet. Sie erscheint auch in 2 Kon 17,17  EU in einer summarischen Aufzahlung des Gotzendienstes Israels neben anderen abgelehnten Riten aus der kanaaanischen, assyrischen und babylonischen Religion . Israels Propheten hatten Israel vor den Folgen solcher Abgotterei gewarnt. Doch Konige und Volk hatten Gottes Gebote fortgesetzt missachtet. Dem sei unvermeidbar Gottes Zorngericht uber ganz Israel gefolgt. Deshalb sei zuerst das Nordreich Israel (722 v. Chr.), spater auch das Sudreich Juda (586 v. Chr.) untergegangen. Die Rede erklart also theologisch in der Ruckschau, was historisch eingetreten war.

Der Prophet Jeremia (627 bis 585 v. Chr.) gehorte zu den scharfsten Kritikern der Tempelpriester und des Tempelkults. In einer seiner wahrscheinlich kurz vor der babylonischen Eroberung Jerusalems verkundeten Gerichtspredigten gegen das Volk und seine Fuhrer heißt es ( Jer 7,31.32  EU ):

?Auch haben sie die Kulthohe des Tofet im Tal Ben-Hinnom gebaut, um ihre Sohne und Tochter im Feuer zu verbrennen, was ich nie befohlen habe und was mir niemals in den Sinn gekommen ist.
Seht, darum kommen Tage ? Spruch des Herrn ?, da wird man nicht mehr vom Tofet reden oder vom Tal Ben-Hinnom, sondern vom Mordtal und im Tofet wird man Tote begraben, weil anderswo kein Platz mehr ist.“

Eine weitere Gerichtspredigt Jeremias erging im Tal Ben-Hinnom ?am Eingang des Scherbentors“ ( Jer 19,3?13  EU ):

?Hort das Wort des Herrn, ihr Konige und ihr Einwohner Jerusalems! So spricht der Herr der Heere, der Gott Israels: Seht, ich bringe solches Unheil uber diesen Ort, dass jedem, der davon hort, die Ohren gellen.
Denn sie haben mich verlassen, mir diesen Ort entfremdet und an ihm anderen Gottern geopfert, die ihnen, ihren Vatern und den Konigen von Juda fruher unbekannt waren. Mit dem Blut Unschuldiger haben sie diesen Ort angefullt.
Sie haben dem Baal eine Kulthohe gebaut, um ihre Sohne als Brandopfer fur den Baal im Feuer zu verbrennen, was ich nie befohlen oder angeordnet habe und was mir niemals in den Sinn gekommen ist.
Seht, darum werden Tage kommen ? Spruch des Herrn ?, da wird man diesen Ort nicht mehr Tofet oder Tal Ben-Hinnom nennen, sondern Mordtal.
Dann vereitle ich die Plane Judas und Jerusalems an diesem Ort. Ich bringe sie vor den Augen ihrer Feinde durch das Schwert zu Fall und durch die Hand derer, die ihnen nach dem Leben trachten. Ich gebe ihre Leichen den Vogeln des Himmels und den Tieren des Feldes zum Fraß. Ich mache diese Stadt zu einem Ort des Entsetzens und zum Gespott; jeder, der dort vorbeikommt, wird sich entsetzen und spotten uber alle Schlage, die sie getroffen haben. Ich gebe ihnen das Fleisch ihrer Sohne und Tochter zu essen; einer wird das Fleisch des andern verzehren in der Not und Bedrangnis, mit der ihre Feinde und alle, die ihnen nach dem Leben trachten, sie bedrangen. […]
Im Tofet wird man Tote bestatten, weil sonst kein Platz ist zum Begraben. So werde ich mit diesem Ort verfahren ? Spruch des Herrn ? und mit seinen Bewohnern, um diese Stadt dem Tofet gleichzumachen. Die Hauser Jerusalems und die Hauser der Konige von Juda sollen unrein werden wie der Ort des Tofet, alle Hauser, auf deren Dachern man dem ganzen Heer des Himmels Rauchopfer und anderen Gottern Trankopfer dargebracht hat.“

Aus dieser Rede entnimmt man, dass das Tofet in einem der Taler am Stadtrand Jerusalems lag; angenommen wird meist eine Schlucht unterhalb des sudostlichen Teils der Stadtmauer. Dort ware laut Jeremia fruher einmal ein Opferplatz des Gottes Baal gewesen; den Gott Moloch nannte er hier nicht (vgl. Jer 32,35). Er bezog sich offenbar auf eine Menschenopferpraxis, die den Israeliten ursprunglich fremd war, die sie aber spater im eigenen Gebiet von anderen Volkern ubernahmen. Ob dem Baal uberhaupt Kinder geopfert wurden, ob und wann die Israeliten dies nachahmten und ob diese Kindesopfer zu Jeremias Zeit noch ausgeubt wurden, ist historisch stark umstritten und wird oft verneint. [4]

Denn die Rede setzt voraus, dass der Ort des Tofet damals bereits unrein, also als Opferplatz ungeeignet war, so wie es der ubrigen Stadt angekundigt wird. Zudem lagen Opferstatten fur Baal ublicherweise auf Hugeln, nicht in Talern. Aufgrund von Notizen spaterer Quellen nimmt man an, dass die Talsenke vor der Stadt eine Art Mullhalde war, wo Fleischabfalle ? vielleicht auch Leichen von Hingerichteten ? hingeworfen wurden. [5] Darauf verweist auch der Leichenfraß von Vogeln unter freiem Himmel, den Jeremia den Bewohnern Jerusalems als zu ihrem Fehlverhalten analoges kommendes Schicksal androhte. Der aus nackter Hungersnot ? etwa infolge einer jahrelangen Belagerung der Stadt ? geborene Kannibalismus war das fur Israeliten denkbar Schlimmste, was ihnen widerfahren konnte. Dann ware Jeremias Hinweis auf Baal und ihm dargebrachte Menschenopfer als summarische Zusammenfassung und außerste Zuspitzung seiner Kritik an der Anpassung an fremde Kultgebrauche zu verstehen, die ins Unheil fuhrten und deshalb ruckwirkend abgelehnt wurden. [6]

Die Tora verbietet wiederholt (ob schon vor oder erst nach der prophetischen Kritik, ist ebenfalls umstritten) alle Menschenopfer in Israel ( Ex 13,2.12f  EU ; 22,28f EU ; 34,19f EU ; Num 3,1ff  EU ; 18,15 EU ; Dtn 15,19  EU ) und bedroht ihre Ausubung mit Todesstrafe ( Lev 20,2  EU ) oder Ausschluss aus Gottes Volk ( Dtn 18,10  EU ). Denn sie galten als Inbegriff dessen, was dem Gott Israels ein ?Greuel“ war und sein Zorngericht heraufbeschwor. Demgemaß konnte der Ausdruck tofet spater auch allgemein fur verabscheuungswurdige Dinge stehen. In diesem Sinn heißt es in Hi 17,6b  EU :

?Zum Spott fur die Leute stellte er mich hin, ich wurde einer, dem man ins Gesicht spuckt.“

Die Ubersetzung folgt der Septuaginta , die tofet hier mit gelos (?Gespott“) wiedergab. [7]

Andere Kultorte im Mittelmeerraum

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Votivstele im Tofet in Karthago

Als Tofet werden auch verschiedene phonizische und punische Kultstatten bezeichnet, die im Mittelmeerraum gefunden worden sind: in Karthago , auf Sizilien Mozia , [8] auf Sardinien Bithia (beim Kap Spartivento), Nora , Monte Sirai , Tharros , eventuell in Tyrus ( Libanon ) [9] oder auf einem Trachythugel beim historischen Sulci , heute Sant’Antioco .

Umstritten ist, ob all diese Statten fur Kinderopfer benutzt wurden oder ob es sich dabei um rituelle Kinderbeisetzungen handelt. Die These, Kinderopfer der Phonizier seien eine von den Griechen erfundene verleumderische Legende, ist von Sabatino Moscati vertreten worden. [10]

  • Michaela Bauks : Kinderopfer als Weihe- oder Gabeopfer. Anmerkungen zum ?mlk“-Opfer . In: Markus Witte; Johannes F. Diehl (Hrsg.): Israeliten und Phonizier. Ihre Beziehungen im Spiegel der Archaologie und der Literatur des Alten Testaments und seiner Umwelt . Academic Press, Fribourg 2008, ISBN 978-3-7278-1621-5 , S.   233?251 (auch bei Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2008, ISBN 978-3-525-53036-8 ).
  • John Day: Molech. A god of human sacrifice in the Old Testament . Cambridge University Press, Cambridge 1989, ISBN 0-521-36474-4 (englisch).
  • Kersey Graves : Explanation of Hell, Hades, Tartarus, Infernus, Gehenna, and Tophet . In: The biography of Satan: or, A historical exposition of the devil and his fiery dominions . Book Tree, Escondido, CA, ISBN 1-885395-11-6 , S.   116 (englisch, books.google.de ).
  • G. C. Heider: Molech . In: Pieter W. Van Der Horst, Karel Van Der Toorn, Bob Becking (Hrsg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible . 2., erweiterte und revidierte Auflage. Brill Academic Pub, Leiden / Boston / Koln 1999, ISBN 90-04-11119-0 , S.   581?585 (englisch).
  • Glenn E. Markoe: Die Phonizier . Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1816-1 (englisch: The Phoenicians . London 2000. Ubersetzt von Tanja Ohlsen).
  • Otto Kaiser: Den Erstgeborenen deiner Sohne sollst du mir geben. Erwagungen zum Kinderopfer im Alten Testament . In: Volkmar Fritz (Hrsg.): Von der Gegenwartsbedeutung des Alten Testaments. Gesammelte Studien zur Hermeneutik und zur Redaktionsgeschichte . Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1984, ISBN 3-525-58144-0 , S.   142?166 .

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Glenn E. Markoe: Die Phonizier. Volker der Antike. Konrad Theiss, 2003, ISBN 3-8062-1816-1 , S. 134.
  2. Eduard Konig: Hebraisches und aramaisches Worterbuch zum Alten Testament . Dietrich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1922, S.   555 ( books.google.de ).
  3. L. Koehler, W. Baumgartner (Hrsg.): Hebraisches und Aramaisches Lexikon zum Alten Testament . 3. Auflage. Band   1 : Alef?Ajin , Band   2 : Pe?Taw . Brill, Leiden / Boston 2004, ISBN 978-90-04-14037-0 , Eintrag zu Topheth (hebraisch, deutsch, Originaltitel: The hebrew and aramaic lexicon of the old testament .).
  4. Thomas Knoppler: Menschenopfer II.2.: Der Moloch-Kult. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Band 5, Mohr/Siebeck, 4. Auflage, Tubingen 2002, Sp. 1087 f.
  5. Jewish Encyclopedia: Artikel ?Tophet“ (englisch).
  6. Christl M. Maier: Jeremia als Lehrer der Tora. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2002, ISBN 3-525-53880-4 , S. 118?124 ( books.google.de ).
  7. Otto Eißfeldt: Hiob. Handbuch zum Alten Testament. Band 17. Mohr Siebeck, Tubingen 1952, S. 40.
  8. Il tophet di Mozia bei www.regione.sicilia.it (italienisch)
  9. Helga Seden, A Tophet in Tyre? In: BERYTUS. Band 39, 1991 (englisch).
  10. Sabatino Moscati : Il sacrificio punico dei fanciulli: Realta o invenzione? In: Quaderni dell'Accademia Nazionale dei Lincei. 261, Rom 1987 (zitiert nach: Walter Burkert: Kulte des Altertums. Munchen 1998, S. 71, Fn. 76).