Opfer von
Kain
(Garben) und
Abel
(Ziege). Deckenmalerei in der Saby-Kirche,
Tranas
, Schweden, von
Meister Amund
, um 1500
Stieropfer im
Mithraismus
Als
Tieropfer
bezeichnet man die Totung eines
Tieres
aus rituellen oder religiosen Grunden. Tieropfer wurden weltweit in sehr vielen Kulturen und Religionen aus unterschiedlichen Grunden vollzogen. Manchmal gingen die Brauche aus alten
Jagdritualen
sowie rituellen Schlachtungen hervor, in anderen Fallen ersetzten sie zeitlich vorher praktizierte
Menschenopfer
.
Opfertiere werden einer Gottheit oder einer Naturgewalt geweiht und dieser symbolisch ubergeben. In manchen Kulturen wurden die Kadaver der Opfertiere zur Verwitterung zuruckgelassen und verschmaht; in anderen Kulturen wurden die Opfertiere hinterher konsumiert. Besondere Bedeutung kam der stark ritualisierten
Opferung
in Kulturen zu, die die Tiere nach der Opferung mumifizierten und haltbar machten.
Tieropfer wurden schon in der Vorgeschichte praktiziert. Sie wurden bei
Homer
und in der
Bibel erwahnt
. In der
griechischen
und
romischen Kunst
gibt es zahlreiche Bilder, auf denen Opferungsszenen von Tieren zu sehen sind. Beispielsweise gehort das
Bukranion
oder
Aigikranion
dazu. Besonders haufig ist die Opferung des
Stieres
, der kultische Verehrung genoss, aber auch die von
Schaf
bzw. Widder oder
Ziege
. Die Opferung eines Tieres an Gott oder die Gotter ist Teil einer religiosen Handlung.
Bei Volkern, denen
Archaologen
zusatzlich Menschenopfer nachweisen konnten, wie den
Inka
, waren
Tieropfer
ebenfalls ublich. Fur rituelle Opfergaben war das Lama das wichtigste Opfertier. Die Bewohner des Inka-Reiches versenkten ihre Opfertiere unter anderem in verzierten Steinkisten im
Titicacasee
, wobei opfernde Familien ihr Ansehen so offentlichkeitswirksam steigerten.
[1]
Eingeweide
geopferter Tiere werden auch fur die
Hieroskopie
(auch Hieromantie) verwendet, ein Verfahren des
Wahrsagens
aus Opfergaben.
Eine besondere Form des Tieropfers ist das im Untergrund eines zu errichtenden Gebaudes abgelegte
Bauopfer
, mit dem Ungluck von den kunftigen Bewohnern ferngehalten werden sollte.
Zahlreiche Kulturen praktizieren auch heute noch Tieropferungen oder erhalten Traditionen mit Opfercharakter. Jedoch opfert keine
Weltreligion
heute noch Tiere im ursprunglichen Sinn, bei dem das Tier vollstandig der Gottheit geweiht wird und sonst keine weitere Bedeutung hat.
- Im
Buddhismus
werden Tieropfer generell abgelehnt und durch symbolische Handlungen ersetzt. Ahnliches gilt fur den
Hinduismus
, der jedoch Ausnahmen kennt wie etwa Huhner- oder Ziegenopfer im
Kalitempel
in
Kolkata
sowie beim
Dakshinkali-Tempel
in
Nepal
; zum Fest der
Gottin
Durga
werden dort manchmal auch
Wasserbuffel
geopfert.
- Tieropferungen werden heute im
Christentum
uberwiegend abgelehnt, nur in der
armenischen Kirche
hat sich mit dem
Matagh
(ursprunglich Osterlamm) ein fruhchristlicher Opferbrauch erhalten. Die
Eucharistie
kann als ein historisches
Rudiment
einer Opferhandlung gedeutet werden, steht aber kanonisch bereits seit der ausgehenden Antike nicht mehr in dieser Funktion.
- Das
Judentum
opfert Tiere nicht, stellt aber fur die Schlachtung religiose Regeln auf, ohne die das Fleisch symbolisch an Wert verliert. Auch in dieser Tradition ist der Opfercharakter der Schlachtung nur noch rudimentar enthalten. Der alttestamentliche
Abraham
opfert einen Widder anstatt des von Gott geforderten Isaak, was heute als die zeitgenossische Beschreibung des Ubergangs vom Menschen- zum Tieropfer gedeutet werden kann.
- Im
Islam
werden Schlachtungen von Schafen, Ziegen, Rindern oder Kamelen zu rituellen Anlassen bis heute praktiziert ? in großem Maßstab im Opferfest
Id ul-Adha
, wobei das Fleisch oft hinterher dem Handel zugefuhrt oder kostenlos an Bedurftige verteilt wird. Diese Schlachtungen werden aus der Geschichte der Religion oder mit lokalen Traditionen begrundet und je nach Glaubensrichtung in sehr unterschiedlichen Formen durchgefuhrt.
- Christina von Braun, Christoph Wulf (Hrsg.):
Mythen des Blutes.
Campus, Frankfurt 2007,
ISBN 978-3593383491
.
- Maria-Zoe Petropoulou:
Animal Sacrifice in Ancient Greek Religion, Judaism, and Christianity, 100 BC?AD 200.
(Oxford Classical Monographs) Oxford University Press, Oxford 2008,
ISBN 978-0199218547
.
- F. T. van Straten:
Hiera Kala: Images of Animal Sacrifice in Archaic and Classical Greece.
(R. van den Broek, H. J. W. Drijvers, H. S. Versnel (Hrsg.):
Religions in the Graeco-Roman World
, Band 127) E. J. Brill, Leiden 1995.
- ↑
Florian Stark:
Die Inka opferten den Gottern Muscheln, Lamas, Gold ? aber auch Kinder
.
In:
Die Welt
, 4. August 2020