Thomas Ammer, 2006
Thomas Ammer
(*
19. Juli
1937
in
Eisenberg
) ist ein
deutscher
Historiker
und ehemaliger
DDR-Oppositioneller
und
politischer Haftling in der DDR
. Als Mitbegrunder der Widerstandsgruppe
Eisenberger Kreis
wurde er 1958 zu 15 Jahren
Zuchthaus
verurteilt und 1964 von der
Bundesrepublik
freigekauft
.
Thomas Ammer wurde am 19. Juli 1937 in Eisenberg geboren. Seine Eltern waren Inhaber eines Handwerksbetriebs zur Herstellung historischer Tasteninstrumente.
[1]
Sein Vater, der ab 1943 Verbindungen zum
kommunistischen Widerstand
unterhielt und 1945 der
KPD
beitrat, verstarb im Januar 1946.
Als im Fruhjahr 1953 mehrere Schuler auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der
Jungen Gemeinde
von der Eisenberger Oberschule verwiesen wurden, geriet Ammer ? bis dahin
FDJ
-Sekretar seiner Klasse ? in innere
Opposition
zum
SED-Staat
. Er und weitere Schulkameraden setzten sich erfolglos fur den Verbleib der verwiesenen Schuler ein. Infolge des
Volksaufstandes vom 17. Juni 1953
beschlossen Ammer sowie die Mitschuler Reinhard Spalke, Gunter Schwarz, Ludwig und Wilhelm Ziehr sowie Johann Fromel die Grundung einer politischen Gruppe. Diese spater als
Eisenberger Kreis
bezeichnete Gruppe machte es sich zur Aufgabe, auf Falle politischer Willkur aufmerksam zu machen. Sie fertigen Flugblatter an, versahen Mauern mit Losungen oder beseitigten Symbole der
SED
. Ammer gehorte hierbei dem informellen Fuhrungskreis der konspirativ agierenden Gruppe an. 1955 absolvierte Ammer sein
Abitur
und nahm ein
Studium
der
Medizin
an der
Friedrich-Schiller-Universitat Jena
auf. Um ein Zeichen gegen die
Remilitarisierung der DDR
zu setzen, steckten Ammer und weitere Mitglieder des Eisenberger Kreises am 21. Januar 1956 einen Schießstand der
Gesellschaft fur Sport und Technik
(GST), der
SED-Kampfgruppen
und
Volkspolizei
in Brand. 1957 plante der Eisenberger Kreis einen Aufruf an Hochschulprofessoren, sich gegen die zunehmende Gleichschaltung der Hochschulen aufzulehnen. Nach außen verhielt sich die Gruppe unauffallig und angepasst. So war Ammer sogar FDJ-Sekretar seines Studienjahrgangs. Dennoch geriet die Gruppe zusehends in den Fokus der
Staatssicherheit
. 1957 gelang es einem
Spitzel
des Ministeriums, Kontakt zur Gruppe aufzunehmen.
Nach neunmonatiger Ermittlung wurde Thomas Ammer am 13. Februar 1958 vom
Ministerium fur Staatssicherheit
verhaftet und in das
MfS-Untersuchungsgefangnis Gera
eingeliefert. Bis zum April 1958 wurden knapp 40 Jugendliche festgenommen. Funf weitere konnten vor ihrer Festnahme nach
West-Berlin
fliehen. Das
Bezirksgericht
Gera
fallte 24 Urteile mit einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von zusammen 116 Jahren. Thomas Ammer als Kopf der Gruppe bekam dabei die hochste Strafe. Er wurde am 27. September 1958 wegen ?Staatsverrats“ zu 15 Jahren
Zuchthaus
verurteilt. Seine Strafe saß er zunachst im
Zuchthaus Waldheim
, spater im
Zuchthaus Brandenburg
ab. Die letzten Wochen seiner Haft verbrachte er im MfS-Untersuchungsgefangnis Berlin-Lichtenberg.
Nach sechs Jahren Haft wurde Ammer 1964 als einer der ersten
politischen Gefangenen
von der
Bundesrepublik Deutschland
freigekauft
und am 14. August 1964 dorthin entlassen. Dort studierte er
Politikwissenschaften
,
Jura
und
Geschichte
an den Universitaten
Tubingen
,
Bonn
und
Erlangen
. Anschließend arbeitete er als
Redakteur
einer Zeitschrift sowie als
Historiker
am Institut fur Gesellschaft und Wissenschaft in Erlangen. Da er sich in diversen Publikationen weiterhin politisch mit der DDR auseinandersetzte, wurde er auch in der Bundesrepublik vom MfS beobachtet und bearbeitet. Von 1968 bis 1982 gehorte Ammer der
SPD
an. 1975 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter des
Gesamtdeutschen Instituts
in
Bonn
. Vom MfS mit einer unbefristeten Einreisesperre belegt, reiste er erst nach der
Friedlichen Revolution
wieder in die DDR. Nach der Abwicklung des Gesamtdeutschen Instituts wechselte Ammer 1991 zur
Bundeszentrale fur politische Bildung
. Von 1992 bis 1998 war er Mitarbeiter im Sekretariat der
Enquete-Kommissionen
des
Deutschen Bundestags
zur
Aufarbeitung
der
SED-Diktatur
.
- Universitat zwischen Demokratie und Diktatur: Ein Beitrag zur Nachkriegsgeschichte der Universitat Rostock
, Koln 1969.
- mit
Gunter Holzweißig
:
Die DDR
, Bundesministerium der Verteidigung, Bonn 1979.
- Die Kritik an der DDR- und Deutschlandforschung der Bundesrepublik Deutschland in den wissenschaftlichen Zeitschriften und Medien der DDR 1962-1983 (Ausgewahlte Dokumente)
, Gesamtdeutsches Institut, Bonn 1983.
- Von der SED zur PDS
, Gesamtdeutsches Institut, Bonn 1991.
- mit Hans-Joachim Memmler (Hg.):
Staatssicherheit in Rostock: Zielgruppen, Methoden, Auflosung
, Koln 1991,
ISBN 3-8046-0337-8
.
- mit Jurgen Weber (Hrsg.):
Der SED-Staat: Neues uber eine vergangene Diktatur
, Munchen 1994,
ISBN 3-7892-8340-1
.
- Widerstand und Opposition in Jena
. In: Deutscher Bundestag (Hg.):
Materialien der Enquete-Kommission ?Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“
, Bd. VII/1, Baden-Baden 1995, S. 128?139.
- Die Gedanken sind frei. Widerstand an den Universitaten 1945 bis 1961
. In
Ulrike Poppe
/
Rainer Eckert
/
Ilko-Sascha Kowalczuk
(Hrsg.):
Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR
, Berlin 1995, S. 142?161.
- Deutschlandpolitische Konzeptionen der Opposition in der DDR 1949?1961
. In: Deutscher Bundestag (Hrsg.):
Materialien der Enquete-Kommission ?Uberwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der Deutschen Einheit“
, Bd. VIII/1, Baden-Baden 1999, S. 491?510.
- Widerstand an DDR-Oberschulen 1945?1968
. In: Klaus-Dieter Henke/
Peter Steinbach
/
Johannes Tuchel
(Hrsg.):
Opposition und Widerstand in der DDR
, Koln 1999, S. 125?136.
- mit
Otto Schmuck
und Olaf Hillenbrand (Hg.):
Die Zukunft der Europaischen Union: Osterweiterung und Fortsetzung des Einigungsweges als doppelte Herausforderung
, Bundeszentrale fur politische Bildung, Bonn 2000,
ISBN 3-89331-373-7
.
- Ilko-Sascha Kowalczuk
:
Thomas Ammer
. In:
Hans-Joachim Veen
/Peter Eisenfeld/
Hubertus Knabe
/
Ehrhart Neubert
u. a. (Hrsg.):
Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur
, Propylaen, Berlin 2000, S. 45 f.
- Ilko-Sascha Kowalczuk:
Ammer, Thomas
. In:
Wer war wer in der DDR?
5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010,
ISBN 978-3-86153-561-4
.
- von zur Muhlen, Patrik: Der Eisenberger Kreis. Jugendopposition und Verfolgung in der DDR 1953?1958. Bonn 1995.
- von zur Muhlen, Patrik:
Thomas Ammer
, in:
Fricke, Karl Wilhelm
/
Steinbach, Peter
/
Tuchel, Johannes
:
Opposition und Widerstand in der DDR
, Munchen 2002, S. 152?156.
- von zur Muhlen, Patrik:
Der "Eisenberger Kreis". Opposition und Protest gegen das SED-Regime in den fruhen 50er Jahren
, in:
Herrmann, Ulrich
(Hg.):
Protestierende Jugend ? Jugendopposition und politischer Protest in der deutschen Nachkriegsgeschichte
, Weinheim 2002, S. 107?149.
- ↑
Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk:
Ammer, Thomas
. In:
Wer war wer in der DDR?
5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010,
ISBN 978-3-86153-561-4
.
- ↑
Mitteilung der Ordenskanzlei im Bundesprasidialamt