Als
Third Culture Kids
(TCKs) oder
Drittkulturkinder
werden Menschen bezeichnet, die in einer anderen
Kultur
aufgewachsen sind als ihre Eltern oder wahrend ihrer Kindheit und Jugend oft umgezogen sind und dabei die Kultur gewechselt haben. Dadurch weisen sie besondere Charaktermerkmale und bestimmte Pragungen auf. Bleiben diese Merkmale auch im Erwachsenenalter erhalten, so spricht man von Adult Third Culture Kids (ATCK).
Der Begriff
Third Culture
wurde von den Soziologen
Ruth Hill Useem
und
John Useem
eingefuhrt. Bei der Forschung uber die Situation von US-Amerikanern und anderen Auslandern in Indien stellten sie fest, dass diese untereinander eine Art neue Kultur bilden, die Teile aus der umgebenden (indischen) Kultur und Teile der Herkunftskultur (US-amerikanisch) enthalt und daher keiner von beiden gleicht. Es sei somit eine
Drittkultur
. Dieses Konzept erwies sich in anderen Forschungskontexten als hilfreich. Man stellte fest, dass sich Menschen im Ausland sehr gut mit Auslandern aus wieder anderen Kulturen verstanden, und fuhrte dies darauf zuruck, dass sie ebendiese Drittkultur verbindet. Das TCK ubernehme Elemente aus verschiedenen Kulturen, fuhle sich aber meist keiner Kultur ganz zugehorig.
TCKs sind meistens Kinder von Missionaren, Diplomaten, entsandten Mitarbeitern globaler Unternehmen, Entwicklungshelfern, Lehrern, Medienvertretern oder Militarbediensteten. Die minimale Zeitdauer, die ein Kind in verschiedenen Kulturen verbringen muss, um die typischen Merkmale eines TCKs aufzuweisen, ist nicht genau festgelegt und hangt von verschiedenen Faktoren ab: Alter, Ort, Tatigkeit der Eltern, Erziehung, Freunde, Schule und weitere.
Im Folgenden wird ein stark verallgemeinertes Bild einer typischen Drittkultur-Kind-Personlichkeit beschrieben, wie es hauptsachlich von
David Pollock
und
Ruth van Reken
[1]
dargestellt wird.
Drittkulturkinder sehen und interpretieren ihre Umgebung oft anders als Nicht-TCKs, weil sie oft mehrere verschiedene Kulturen, Religionen, Weltanschauungen und Uberzeugungen kennengelernt haben. Auf viele Menschen machen TCKs daher einen interessierten und kosmopolitischen Eindruck, von anderen werden sie aber auch als besserwisserisch und arrogant wahrgenommen. Studien zeigen, dass Drittkulturkinder uberdurchschnittlich haufig Hochschulabschlusse erlangen.
[2]
Third Culture Kids besitzen oft die Fahigkeit, sich in verschiedenen Kulturen leichter als andere Menschen zurechtzufinden, weil sie in ihrer Kindheit die Moglichkeit hatten, eine große Vielfalt kultureller Verhaltensweisen zu beobachten. Viele Drittkulturkinder haben gelernt, sich schnell auf neue Situationen und Kulturen einzustellen, wodurch es ihnen leichter fallt, sich anzupassen und sich in die Menschen, die in einer Kultur leben, hineinzufuhlen. Vielen Drittkulturkindern fallt es deshalb auch oft leichter, auf fremde Menschen zuzugehen und Kontakte zu knupfen. Diese Fahigkeiten konnen fur erwachsene TCKs in internationalen oder interkulturellen Berufen von großem Nutzen und Vorteil sein.
Viele Drittkulturkinder berichten von einem Gefuhl der Wurzellosigkeit, da sie auf die Frage
Woher kommst du?
keine einfache Antwort wissen. Weil sie oft umziehen, haben sie nie die Moglichkeit gehabt, eine tiefere Bindung zu einem Ort aufzubauen und sich dort wirklich zuhause zu fuhlen. Manchmal wird diese Frage mit Beziehungen zu bestimmten Menschen beantwortet.
Wurzellosigkeit kann die Suche nach der eigenen
Identitat
erschweren, man spricht daher auch von einer ?verlangerten Jugend“ der Drittkulturkinder.
[3]
Auch die Rastlosigkeit spielt eine große Rolle im TCK-Profil. Nachdem sie so oft umgezogen sind und viele Veranderungen erlebt haben, entwickeln Third Culture Kids einen ?Migrationsinstinkt“, der ihr Leben bestimmt. Viele Drittkulturkinder ziehen auch als Erwachsene uberdurchschnittlich oft um, auch in unbekannte Kulturen.
[4]
Ein anderer Begriff fur diese Gruppe lautet daher auch
Global Nomads
oder ? unter Hervorhebung der technologischen Grundlage ihres Lebensstils ?
Digitale Nomaden
.
Das Leben als Third Culture Kids und die damit verbundene hohe Mobilitat hat spezielle Auswirkungen auf das Beziehungsmuster der Drittkulturkinder. Wiederholte Trennungen wahrend der Kindheit lassen eine Anzahl von Third Culture Kids dazu neigen, sehr schnell tiefere Beziehungen zu knupfen ? vielleicht, weil sie gelernt haben, dass man nicht viel Zeit dazu hat. Andere Drittkulturkinder sind sehr zogerlich mit der Beziehungsgestaltung, um den Trennungsschmerz im Falle eines erneuten Ortswechsels zu verringern, und schirmen sich daher gegenuber anderen ab.
- ↑
D. Pollock, R. Van Reken, G. Pfluger:
Third Culture Kids. Aufwachsen in mehreren Kulturen.
Francke-Buchhandlung, Marburg 2003,
ISBN 3-86122-632-4
.
- ↑
R. H. Useem, A. Baker Cotrell:
TCKs Four Times More Likely to Earn Bachelor’s Degrees.
In:
NewsLink.
Vol. XII, No. 5, Princeton, NJ 1993.
(tckworld.com)
- ↑
A. Baker Cotrell, R. H. Useem:
TCKs Experience Prolonged Adolescence.
In:
NewsLink.
Vol. XIII, No. 1, Princeton, NJ 1993.
(tckworld.com)
- ↑
A. Baker Cotrell, R. H. Useem:
ATCKs maintain global dimensions throughout their lives.
In:
NewsLink.
Vol. XIII, No. 4, Princeton, NJ 1994.
(tckworld.com)